Dmitri Peskow, der Sprecher des russischen Präsidenten Putin, (Anmerkung: Mir ist ein Fehler unterlaufen, denn der Artikel wurde nicht vom Kremlsprecher, sondern von einem anderen engen Berater Putins geschrieben, was an den sonstigen Aussagen in diesem Artikel aber nichts ändert. Wie es zu dem Fehler gekommen ist, können Sie im Nachtrag am Ende dieses Artikels nachlesen) hat in der russischen Wirtschaftszeitung RBC einen Artikel veröffentlicht, in dem es vordringlich um die Herausforderungen Russlands im Bereich Hochtechnologien ging. Allerdings baut er dabei auf Annahmen und Thesen auf, die für russische Analysten selbstverständlich sind, im Westen aber kaum laut gesagt werden dürfen, weil das angeblich Verschwörungstheorien sind.
Was wir derzeit erleben, ist nämlich keinesfalls ein Konflikt in der (oder um die) Ukraine, die Ukraine ist nur ein Instrument im geopolitischen Spiel der USA. Tatsächlich befinden wir uns wohl in der finalen Phase einer Epoche, denn was wir derzeit erleben, ist der Kampf der Globalisten – also des Westens, der der Meinung ist, dass die Wirtschaft (also Oligarchen, wie Gates, Schwab, Soros und so weiter) alles besser können, als die Staaten – gegen die Nationalstaaten, die der Meinung sind, dass die Wirtschaft zwar gerne viel Geld verdienen darf, sich aber aus der Politik und politischen Entscheidungen rauszuhalten hat und bei Bedarf auch mal für soziale Fragen ihren Geldbeutel öffnen muss. Diese Staaten sind Russland und China.
Wenn man die derzeitigen geopolitischen Vorgänge aus dieser Perspektive betrachtet, dann wird alles viel verständlicher. Der Westen versucht, eine neue Weltordnung zu schaffen, was ja auch offen gesagt wird, wobei in dieser Weltordnung die „Stakeholder“, also die Stiftungen der Oligarchen, de facto die Macht übernehmen wollen. Um den Menschen diesen Systemwechsel schmackhaft zu machen, wird die Wirtschaft bewusst zerstört (siehe zum Beispiel die dank der Corona-Maßnahmen zerbrochenen Lieferketten oder die hausgemachte Energiekrise in der EU), damit die Menschen am Ende jedes neue System akzeptieren, wenn es ihnen nur einen Ausweg aus der Misere verspricht.
Hinzu kommen die Russland-Sanktionen, die de facto nichts anderes sind, als die wirtschaftliche Abkopplung des Westens von Russland, und es ist zu erwarten, dass der Westen in nächster Zeit auch gegen China ähnliche Maßnahmen ergreift, um sich auch von China abzukoppeln. Wenn bei diesem Prozess keine der beiden Seiten zusammenbricht, werden wir vermutlich demnächst in einer vollkommen anderen Welt leben, in der mindestens zwei verschiedene Wirtschaftssysteme nebeneinander existieren, oder sich sogar bekämpfen: Die uns bekannte Marktwirtschaft in Russland und China einerseits, und der neue Stakeholder-Kapitalismus im Westen andererseits.
All das ist ja auch keine Verschwörungstheorie, Klaus Schwab sagt es in seinem Buch Great Reset ja ganz offen: Die Wirtschaft muss nach dem Zusammenbruch wieder neu gestartet (reset) werden. Davon hat er allerdings schon vor dem Zusammenbruch der Wirtschaft durch Corona-Maßnahmen, Fehlentscheidungen in der Energiepolitik und den „totalen“ Russland-Sanktionen gesprochen. Nun erleben wir den (gewollten) Zusammenbruch der Wirtschaft, der diesen Neustart (reset) der Wirtschaft in einem anderen Wirtschaftsmodell ermöglichen soll.
Das deutet auch der Kremlsprecher an, wie man in seinem Artikel lesen kann, den ich übersetzt habe. Vor dem von mir geschilderten Hintergrund ist der Artikel umso interessanter. (Anmerkung: Mir ist ein Fehler unterlaufen, denn der Artikel wurde nicht vom Kremlsprecher, sondern von einem anderen engen Berater Putins geschrieben, was an den sonstigen Aussagen in diesem Artikel aber nichts ändert. Wie es zu dem Fehler gekommen ist, können Sie im Nachtrag am Ende dieses Artikels nachlesen)
Beginn der Übersetzung:
Die „Insel Russland“
Es gibt heute kein einziges Land auf der Welt, das technologische Souveränität erreicht hat. Man kann sich fragen: Wozu brauchen wir die dann, wenn niemand sie hat? Das Leben verändert sich, und die Bedingung für das – im wahrsten Sinne des Wortes – Überleben eines jeden großen Landes in den kommenden Jahrzehnten wird die Erlangung technologischer Souveränität dieses Landes sein. Was ist technologische Souveränität? Das ist, wenn niemand Apple Pay auf Ihrem Telefon deaktivieren kann. Und das Fehlen von technologischer Souveränität besteht darin, dass der Messenger, in dem man gerade chattet, jeden Moment abgeschaltet werden kann. Früher wurde das als Fantasie wahrgenommen, heute ist das Realität, es ist ein Risiko und eine Bedrohung.
Meine Kollegen und ich arbeiten mit Zukunftsmodellen und im vorletzten Jahr haben wir uns damit beschäftigt, was in der Welt in den nächsten 10 bis 15 Jahren in Bezug auf Technologie, einen Restart der Weltordnung und die Möglichkeit der Entstehung neuer gesellschaftlicher Beziehungen geschehen wird. Was ist hier wichtig zu verstehen? Im Jahr 2020 wurde für die Welt praktisch der Reset-Knopf gedrückt. Und nun spielen sich vier Szenarien gleichzeitig ab.
Das Szenario, das wir als „Neuen Linksnationalismus“ bezeichnet haben, besteht aus den Parolen „Wegnehmen und Aufteilen“, dem Primat der nationalen Wirtschaft. „Amerika First“, „Indien makes“, „China zuerst“ und so weiter. Das Szenario des Aufbaus eines „grünen Postkapitalismus“ impliziert Aufmerksamkeit für die Umwelt, den CO2-Fußabdruck und die Abkehr vom Modell des direkten Geldverdienens . Ein weiteres Szenario ist die „Verinselung“, die Entflechtung der großen techno-ökonomischen Blöcke. Und das letzte, vielleicht interessanteste Szenario, ist die „Periode des halben Zerfalls“, in der wir in eine Phase des Zerfalls der internationalen Institutionen eintreten.
Das wahrscheinlichste Szenario für die kommenden Jahre ist die „Verinselung“. Der Zusammenbruch des Globalismus und das Ende des globalen Sicherheitssystems des 20. Jahrhunderts sind so gut wie garantiert. Es kommt der Restart der globalen Technologiemärkte, die Nationalisierung der technologischen Standards, Re-Lokalisierung der Produktion kritischer Güter. Das heißt, alle Länder, alle großen technisch-wirtschaftlichen Blöcke, wollen Lebensmittel, Medikamente und alles andere bei sich produzieren. Das ist es, was genau jetzt geschieht. Was kommt auf uns zu? Die Technologische Souveränität ist die Verwirklichung eines Teils unseres Szenarios, wie wir unsere eigene „Insel“ aufbauen können, auf der wir das Sagen haben, wir Erwachsene treffen die Entscheidungen, wir sind für sie verantwortlich. Das ist das wichtigste Thema für uns und auch für Länder wie die USA, China und vielleicht Indien für die nächsten zehn Jahre.
Auf dem Weg zur technologischen Souveränität steht Russland heute vor mehreren großen Herausforderungen: Eine Antwort auf die „grüne“ Agenda, die Schaffung eines eigenen techno-ökonomischen Blocks, ein Exportpaket für landwirtschaftliche Erzeugnisse, eine neue Generation von Logistikkorridoren für den Transport zwischen Russland und asiatischen Ländern, der Export globaler Sicherheit und die Lösung des Problems des Humankapitals.
Es wird angenommen, dass es für diese Herausforderung keine Lösung gibt. Warum? Die Einwände lassen sich wie folgt zusammenfassen: Der Markt ist zu klein, um die Motivation zu haben, alles selbst zu entwickeln; alles wird vermutlich schlechter, teurer und länger dauern. Die Zentren der Wertschöpfung in globalen Lieferketten kontrollieren wir nicht. Wir können einige Teile für das iPhone liefern, aber wir bestimmen nicht, wie viel es auf dem Weltmarkt kostet.
Es wird angenommen, dass Sanktionen die Anpassungsfähigkeit unserer Wirtschaft untergraben können. Wir haben nicht die Kernkompetenzen, um die Produktionsmittel herzustellen. Und überhaupt, während wir die Vergangenheit wieder aufbauen, wird die Welt weit in die Zukunft laufen und wir werden für immer zurückbleiben. Das ist der klassische Diskurs in der liberalen Gemeinschaft.
Aber ich persönlich bin in der Sowjetunion geboren und aufgewachsen, die sehr gerne unlösbare Probleme gelöst hat. Und wenn es um den Aufbau technologischer Souveränität geht, was ist dann besonders hervorzuheben? Erstens, dass unser neuer Kalter Krieg von 2022 eine Veränderung der Wahrnehmungsebene, der kognitiven Ebene, erfordert. Das ist das Schwierigste und Schmerzhafteste, was derzeit bei uns passiert. Es macht keinen Sinn, sich mit Technologie zu beschäftigen, ohne das Problem der kognitiven Souveränität zu lösen.
Von kognitiver Souveränität spricht man, wenn man sich Gedanken nicht von anderen in den Kopf pflanzen lässt. Und wir verfügen über genügend eigene analytische Fähigkeiten, um das, was man wirklich braucht, von dem zu trennen, was einem von Fremden aufgezwungen wird. In Russland gab es in den letzten 20 Jahren auf der Ebene von Wirtschaft, Technologie und Bildung praktisch keine kognitive Souveränität.
Uns wurde gesagt: In diesem Land dort gibt es irgendeine bewährte Praxis, die implementieren wir auch in Russland. In der Realität erweisen sich die bewährten Praktiken jedoch sehr oft als schädlich. Was für den einen funktioniert, ist für den anderen völlig ungeeignet. Und wir sind in eine Reihe von kognitiven Fallen getappt, die uns eine unglaubliche Menge an Ressourcen gekostet haben.
Die technologische Souveränität soll einfache Probleme lösen: Sicherheit, Energieversorgung, Unabhängigkeit bei der Versorgung mit Nahrungsmitteln und lebenswichtigen Gütern, Verkehrsanbindung, Information, Zugang zu den Produktionsmitteln von Produktionsmitteln, entschuldigen Sie die marxistischen Begriffe. Was bedeutet das zum Beispiel in Bezug auf die End-to-End-Technologien, die wir einst im Rahmen der Nationalen Technologie-Initiative verabschiedet haben? Es sollte eine Basistechnologie vorhanden sein, die es ermöglicht, Produkte mit Hilfe von digitalen Zwillingen, neuen Materialien, Prozessoren, Sensoren und so weiter zu entwickeln.
Wenn ein neues Produkt entsteht, müssen wir, um technologische Souveränität zu erlangen, die Gruppe der Verkehrstechnologien definieren, was wir bisher nicht getan haben, insbesondere bei separaten Programmen für Abtriebe. Und Klimatechnologien, vor allem solche, die mit dem Management des Wasserlebenszyklus, des Kohlenstoff- und Methanlebenszyklus und dem Klimaanpassungsmanagement zusammenhängen. Über all dem steht die Klasse dessen, was wir am schlechtesten können. Das sind Technologien zum Management von Schwierigkeiten. Und an der Spitze stehen die kognitiven Technologien. In den nächsten Jahren müssen wir das System der staatlichen Prioritäten und der staatlichen Technologiepolitik nach einer Logik umstrukturieren, die diese Pyramide der Nachhaltigkeit gewährleistet.
Die technologische Souveränität ist die grundlegende Nachhaltigkeit, ein zusätzliches Äquivalent des Wertes. Worum geht es? Heute haben Sie Geld und Sie können das Geld gegen alles eintauschen, was Sie wollen. So war es bis zum Frühjahr 2022. Und sogar schon vorher gab es Sanktionen, man konnte nicht mehr alles mit Geld kaufen. Aber der Punkt ist, dass neben dem konventionellen Geld auch Kryptowährungen, Energie, der CO2-Fußabdruck und Technologie diese Position (als Zahlungsmittel) beanspruchen.
Das bedeutet, dass die Technologie eine so große Rolle spielt, dass es ein Verbrechen ist, sie gegen Geld zu verkaufen. Sie tauschen Technologie gegen Bargeld oder gegen Kryptowährungen, die noch schlimmer sind als bedrucktes Papier. Die Zukunft liegt also bei gespiegelten Transaktionen. Jemand hat den Prozessor, den wir brauchen, und wir haben die Raketen, die sie brauchen. Lassen Sie uns Raketen gegen Prozessoren tauschen, aber auch Forschung und Entwicklung austauschen, so dass das Funktionieren eines Systems in einem Land mit einem anderen System in einem anderen Land verbunden ist.
Diese These ist ein wichtiger Gegenbeweis für die Skeptiker. Technologische Souveränität bedeutet nicht Isolation. Sie ist eine starke Verhandlungsposition beim Aufbau von Bündnissen mit anderen Ländern. Entweder man hat einen Tauschfonds oder nicht.
Was bedeutet das Erreichen der technologischen Souveränität aus der Sicht des Landes? Das Land sollte eine zweite Industrie haben, also. eine Industrie, die sich nicht auf Ministerien und Konzerne stützt, sondern direkt auf Entwicklerteams, auf mittelständische Technologieunternehmen und auf Universitäten. Ich bezeichne Universitäten als technische Unternehmen. Das sind Institutionen, die ein Endprodukt herstellen und einen Markt schaffen wollen, aber nicht, um sofort Shareholder Value zu erzielen. Diese Essenz fehlt in unserem Land, aber ohne sie ist technologische Souveränität unerreichbar. (Anm. d. Übers.: Wenn man sich in Erinnerung ruft, dass Russland gerade den Abschied aus dem Bologna-System verkündet und die Schaffung eines eigenen Systems der Universitätsausbildung angekündigt hat, wird deutlich, dass das bereits umgesetzt wird)
Die Praxis, Start-Ups zu unterstützen, nur weil sie Start-Ups sind, muss aufhören. Unsere Hochschulen müssen die Position von qualifizierten Auftraggebern für einzelne Technologien einnehmen. Nach unseren Erfahrungen könnte das System der Förderung von Forschung und Entwicklung durch ein System von Technologiewettbewerben mit einer Leistungsprämie ersetzt werden, wobei die Kosten der wichtigsten Teilnehmer, die die Qualifikation schaffen, übernommen werden.
Das Wichtigste an dieser ganzen Geschichte ist, wer der Held ist, wer der Mensch ist, die diese technologische Souveränität erschafft. In verschiedenen Epochen der Menschheitsgeschichte waren das Kaufleute, Forscher, Finanziers. Nun geht die Ära der Start-Ups zu Ende. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass die Zukunft Ingenieurteams gehört, denjenigen, die in der Lage sind, nachhaltige, komplexe technische Systeme zu schaffen, die langfristig funktionieren, auf fundiertem Grundlagenwissen beruhen, mit hohen Risiken behaftet sind und eine glänzende Zukunft anstreben.
Ende der Übersetzung
Vor diesem Hintergrund, dass Russland sich derzeit in praktisch allen Bereichen vom Westen abwendet, sollte man auch das Interview des russischen Außenministers Lawrow noch einmal aufmerksam lesen, das ich vor einigen Tagen übersetzt habe.
Nachtrag
Der Artikel wurde nicht vom Kremlsprecher geschrieben, sondern von einem Mann, der ebenfalls Dmitri Peskow heißt, aber Chefberater des russischen Präsidenten in Fragen der technischen Entwicklungen ist. Darauf bin allerdings nicht nur ich reingefallen, die Verwechslung ist sogar dem russischen Fernsehen passiert, wo ich in einer Meldung auf diesen Artikel gestoßen bin. Ich habe den Fehler des russischen Fernsehens übernommen und übersehen, dass am Ende des Artikels vermerkt ist, wer wirklich der Autor des Artikels ist.
Aus Transparenzgründen verändere ich Artikel nicht, wenn mir mal Fehler unterlaufen, sondern mache den Fehler im Artikel deutlich und erkläre in einem Nachtrag, wie es zu dem Fehler gekommen ist.
Ich bitte, den kleinen Fehler zu entschuldigen. An den sonstigen Aussagen in diesem Artikel ändert der Fehler jedoch nichts.