von Michael A. Singer ...Jede einzelne Sekunde nehmen wir eine kleinste Einheit der Welt wahr, doch die vielen einzelnen Erfahrungen werden in unserem Geist zu einem grossen Ganzen verwoben und uns als absolute Wahrheit aufgetischt. Doch das ist keine Wahrheit; und wenn wir die Wahrheit erkennen wollen, so ist es ganz wesentlich, dass wir die Dynamik erkennen, mit der die Welt unseren Geist programmiert. Kein Gedanke verkörpert irgendetwas Heiliges, und das Denken hat nichts mit uns zu tun. Die Gedanken sind lediglich der Ausdruck von Prägungen des Geistes, die wir uns im Laufe des Lebens angeeignet haben. So wie wir den Wellen des Meeres zusehen können, wie sie kommen und gehen, so können wir den Gedanken dabei zusehen, wie sie im Geist entstehen und vergehen. So allerdings verhalten wir uns nicht. Vielmehr glauben wir an unser Denken. Ein Gedanke tritt auf, und schon betreten wir eine neue Welt. Jede einzelne Entscheidung treffen wir aufgrund unserer Gedanken, und es ist nicht übertrieben zu sagen, dass wir unser Denken richtiggehend verehren. Mehr noch, wir glauben, unser Denken zu sein. ... Wenn wir nun herausfinden wollen, warum sich unser Herz von bestimmten Dingen angezogen fühlt und von anderen abgestossen wird, so fällt das nicht allzu schwer. Denn auch das Herz ist weitgehend programmiert durch die Erfahrungen der Vergangenheit. In der Yogalehre wird diese Programmierung bezeichnet mit dem Begriff «Samskaras». Darunter werden Prägungen aus der Vergangenheit verstanden, die im Herzen zu wiederholt durchgespielten Energiemustern geführt haben. Werden diese Muster durch die Wahrnehmung eines Objekts aktiviert, so fliesst die Energie des Herzens durch die vorgespurten Bahnen. Und jetzt möchte ich auf Ihr Herz zu sprechen kommen in einer Weise, die Ihnen vielleicht nicht zusagt. Ihr Herz ist ein überaus aktives Energiefeld mit zahlreichen Unterströmungen, und nichts von alledem hat irgendetwas mit dem zu tun, was Sie sind. Das Herz gehört einfach zu den Dingen, deren wir bewusst sind. Unversehens merken wir, dass uns etwas anzieht, fünf Minuten später fühlen wir uns davon abgestossen. Und das geschieht ständig. Ein anderer Mensch kann Sie bezaubern, und ohne Vorwarnung sagt oder tut dieser Mensch etwas, das Sie nicht mögen. Sogleich wenden Sie sich innerlich von ihm ab. Was sich hierbei zu- und wieder abwendet, können wir als «persönliches Herz» bezeichnen, denn seine Energieströme unterliegen den persönlichen Erfahrungen des Individuums. So gut wie immerzu, und alle folgen entweder den Einflüsterungen des persönlichen Herzens oder des persönlichen Geistes. Und meist setzt sich das Denken durch. Der Verstand argumentiert logisch mit Verweis auf die Erfahrungen in der Vergangenheit und suggeriert: «Ich weiss, wie du glücklich wirst.»
SUCHE NACH GLÜCK
Das aber kann der menschliche Geist nicht. Nie und nimmer macht er uns glücklich. Lediglich mit dem Denken kennt der Geist sich aus. Und wahrhaftes Glück kommt uns nur aus dem Herzen zu. Also ist es besser, dem Herzen zu folgen statt dem Denken? Weder – noch, denn keines von beiden wird Sie dorthin führen, wo Sie hin wollen. Weil Sie weder das eine noch das andere sind. Sie sind es, die oder der das Herz erfährt, und Sie sind es, die oder der den Geist erfährt. Wenn Sie etwas objektiv beobachten können, dann ist das, was Sie beobachten, nicht das, was Sie sind. Sie sind der Beobachter. Was sehen Sie, wenn Sie das Herz beobachten? Sie stellen fest, dass sich das Herz zuweilen öffnet und zuweilen verschliesst. Sie erfahren das als Anziehung und Abstossung, als Liebe und Angst. Wenn das Herz offen ist, empfinden Sie eine enorme innere Stärke. Wenn sich das Herz verschliesst, empfinden Sie ein Absacken der Energie, oder die Kraft, die Sie eben noch beflügelte, wird unstet. Auf diese Weise stellen Sie fest, dass Sie nicht Ihr Herz sind; Sie waren dort, als die Inspiration einsetzte, und Sie waren dort, als sie entschwand. Sie sind derjenige, der dort drin ist und beobachtet, wie diese Veränderungen sich abspielen.
FRIEDEN MIT DER WELT
Mit der Zeit werden Sie merken, dass es Sie da drin nur einmal gibt. Sie, welche die Welt wahrnimmt, Sie, welcher den Geist beobachtet, und Sie, welche das Herz erfährt, das ist alles ein und dasselbe. Da ist nur ein einziges Wesen, das sich all dieser Erfahrungen bewusst ist. Und nichts von allem, das Sie wahrnehmen, hat etwas mit dem zu tun, das Sie sind. Nur Sie, die Bewusstheit allen Seins, haben etwas mit Ihnen zu tun. Wenn Sie diesen Zustand von Einsicht erreicht haben, sind Sie erwacht. Doch es wird Ihnen erst möglich sein, das Wesen Ihres Seins zu erkunden, wenn Sie Frieden geschlossen haben mit der Welt, mit dem Geist und mit dem Herzen. Das ist Ihre spirituelle Arbeit. ... Die Unfähigkeit, mit seinem Herzen zurechtzukommen, bestimmt das gesamte Leben. Das muss aber nicht so sein. Man kann das Wesen des menschlichen Herzens feiern und grosse Freude darin finden, die gesamte Reichweite seiner Möglichkeiten zu erfahren. Die meisten Menschen haben eine falsche Vorstellung über den Pfad des uneingeschränkten Glücks. Das bedeutet nicht, dass wir im Herzen ständig nur Glück fühlen würden. Es bedeutet, dass wir ständig in Frieden sind mit dem, was unser Herz fühlt. ... Was ist das wahre Wesen unseres Seins? Christus sagte: «Der Vater und ich sind eins.» Im Schöpfungsbericht heisst es, Gott habe den Menschen nach seinem Ebenbilde erschaffen. Das ist die wahre Natur des Selbst, und Sie sind dazu in der Lage, diese Wahrheit unmittelbar zu erfahren. Jedes Mal, wenn Ihr Herz sich in einen Bereich bewegt, von dem Sie glauben, Sie würden es nicht ertragen, steht es Ihnen frei, einfach zu atmen und sich in den Sitz des Selbst hinein zu entspannen, statt sich vom Herzen oder vom Denken in etwas hineinziehen zu lassen. Das ist die höchste Form von Yoga. Die bedeutendste spirituelle Praxis für jeden Augenblick eines jeden einzelnen Tages besteht darin, die Welt zu befreien, den Geist zu befreien und das Herz zu befreien. Wenn die drei frei sind, ihrem Wesen gemäss zu sein, dann sind Sie selber frei, Ihrem Wesen gemäss zu sein – Ihr wahres Selbst zu verwirklichen. Das ist der Pfad zurück zum Wesen Ihres Seins.
Lichtblicke März 21: Michael A. Singer: Mein Lieblingsmystiker/ Der Zeitgeist beginnt sich zu drehen! Ist der Corona-Wahn schon bald vorbei?/