Die am Minsk-II-Abkommen teilnehmenden Staats- und Regierungschefs.

Im Laufe der letzten sieben Jahre lag die Verantwortung der Umsetzung des Minsk-II-Abkommens bei den Garantiemächten (Deutschland, Frankreich, Ukraine und Russland). Das Abkommen war am 17. Februar 2015 vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gebilligt und legalisiert worden. Aber keiner dieser Staaten hat es umgesetzt, trotz der Rhetorik über die Notwendigkeit, ukrainische Bürger, die von ihrer eigenen Regierung bedroht werden, zu schützen.

Während von einer möglichen russischen Militärintervention die Rede war, forderte der Sekretär des ukrainischen Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates, Oleksy Danilow, am 31. Januar 2022 Deutschland, Frankreich, Russland und den UN-Sicherheitsrat heraus, indem er erklärte: "Die Einhaltung der Minsker Vereinbarungen bedeutet die Zerstörung des Landes. Als sie unter der bewaffneten Drohung der Russen – und unter den Augen der Deutschen und Franzosen – unterzeichnet wurden, war allen vernünftigen Menschen bereits klar, dass es unmöglich war, diese Dokumente umzusetzen" [1].

Als nach sieben Jahren die Zahl der von der Kiewer Regierung getöteten Ukrainer nach ihren eigenen Angaben bei mehr als zwölftausend und nach Angaben der russischen Untersuchungskommission bei mehr als zwanzigtausend lag, startete Moskau, aber erst dann, eine "militärische Sonderoperation" gegen die ukrainischen "integralen Nationalisten" (dies ist die Bezeichnung, die sie beanspruchen), die als "Neonazis" bezeichnet werden.

Russland erklärte gleich zu Beginn seiner Operation, dass es sich darauf beschränken werde, der Bevölkerung Hilfe zu leisten und die Ukraine zu "entnazifizieren", nicht aber, sie zu besetzen. Dennoch beschuldigte der Westen Russland, Kiew einnehmen zu wollen, Präsident Selenskyj stürzen und die Ukraine annektieren zu wollen; was Russland offensichtlich nie getan hat. Erst nach der Hinrichtung eines der ukrainischen Unterhändler, Denis Kirejew, durch die Sicherheitsdienste seines eigenen Landes (SBU) und der Aussetzung der Gespräche durch Präsident Wolodymyr Selenskyj, kündigte sein russischer Amtskollege Wladimir Putin an, dass er seine Forderungen verschärfen werde. Von nun an beansprucht die Russische Föderation Neurussland, das heißt den gesamten Süden der Ukraine, der mit Ausnahme von dreiunddreißig Jahren seit Zarin Katharina II. historisch russisch war.

Man muss gut verstehen, dass Russland, auch wenn es sieben Jahre lang gegenüber dem Massaker an der russischsprachigen Bevölkerung des Donbass nichts Militärisches unternommen hat, sich dennoch darauf vorbereitete, der vorhersehbaren westlichen Reaktion die Stirne zu bieten. In dem klassischen Zitat des Außenministers von Zar Alexander II., Prinz Alexander Gortschakow, heißt es: "Der Kaiser ist entschlossen, seine Fürsorge vorzugsweise dem Wohlergehen seiner Untertanen zu widmen und sich auf die Entwicklung der internen Ressourcen des Landes zu konzentrieren, eine Aktivität, die nur dann nach außen gerichtet würde, wenn die positiven Interessen Russlands dies unbedingt erforderten. Russland wird vorgeworfen, sich selbst zu isolieren und zu schweigen, wenn Fakten vorliegen, die nicht mit dem Gesetz oder der Fairness übereinstimmen. Russland schmollt, wird gesagt. Russland schmollt nicht. Russland sammelt sich innerlich."

Diese Polizeioperation wurde vom Westen als "Aggression" bezeichnet. Nach und nach wurde Russland als "Diktatur" und seine Außenpolitik als "Imperialismus" dargestellt. Niemand scheint das Minsk-II-Abkommen je gelesen zu haben, das vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen validiert wurde. In einem Telefongespräch zwischen den Präsidenten Putin und Macron, das vom Élysée offenbart wurde, zeigt Letzterer sogar sein Desinteresse am Schicksal der Menschen im Donbass, d.h. seine Verachtung für das Minsk-II-Abkommen.

Heute kommen die westlichen Geheimdienste den ukrainischen "integralen Nationalisten" (den "Neonazis" in der russischen Terminologie) zu Hilfe und versuchen, anstatt eine friedliche Lösung zu suchen, Russland von innen heraus zu zerstören [2].

Nach internationalem Recht hat Moskau nur die Resolution des Sicherheitsrats von 2015 umgesetzt. Man kann ihm seine Brutalität vorwerfen, aber nicht die Hast seines Eingriffs (nach sieben Jahren), noch dessen Unrechtmäßigkeit (Resolution 2202). Die Präsidenten Petro Poroschenko, François Hollande, Wladimir Putin und Bundeskanzlerin Angela Merkel haben sich in einer gemeinsamen Erklärung, die der Resolution beigefügt ist, verpflichtet, das Minsk-II Abkommen umzusetzen. Wenn eine dieser Mächte zuvor interveniert hätte, hätte sie andere Operationsmodalitäten wählen können, aber keine von ihnen hat es getan.

Der ukrainische Präsident spricht am 24. August 2022 zum dritten Mal per Videoverbindung vor dem Sicherheitsrat. Die Geschäftsordnung des Rates schreibt jedoch vor, dass Redner, abgesehen von UN-Beamten auf Mission, physisch anwesend sein müssen, um das Wort zu ergreifen. Das Generalsekretariat und die Mehrheit der Ratsmitglieder akzeptierten diese Unregelmäßigkeit trotz des Widerstands Russlands.

Logischerweise hätte der Generalsekretär der Vereinten Nationen die Mitglieder des Rates auffordern müssen, die russische Operation, deren Prinzip sie sieben Jahre zuvor akzeptiert hatten, nicht zu verurteilen, sondern die Modalitäten neu festzulegen. Der Rat hat es nicht getan. Im Gegenteil, das Generalsekretariat, das seine Rolle vergaß und sich auf die Seite des unipolaren Systems stellte, hat gerade allen seinen hochrangigen Beamten auf Kriegsschauplätzen mündlich die Anweisung gegeben, keine russischen Diplomaten mehr zu treffen.

Es ist nicht das erste Mal, dass das Generalsekretariat gegen die Statuten der Vereinten Nationen verstößt. Während des Krieges gegen Syrien hatte es einen fünfzigseitigen Plan über die Abdankung der syrischen Regierung geschrieben, der den Verfall der syrischen Volkssouveränität und die Ent-Baathifizierung des Landes beinhaltete. Dieser Text wurde nie veröffentlicht, aber wir haben ihn in diesen Kolumnen mit Schrecken analysiert. Am Ende war der Sondergesandte des Generalsekretärs in Damaskus, Staffan de Mistura, gezwungen, eine Erklärung zu unterzeichnen, in der seine Nichtigkeit anerkannt wurde. Auf jeden Fall ist der Text des Generalsekretariats, der UN-Beamten die Teilnahme am Wiederaufbau Syriens verbietet [3], immer noch in Kraft. Er ist es, der die Rückkehr der Exilanten in ihr Land lähmt, zum großen Leidwesen nicht nur Syriens, sondern auch des Libanon, Jordaniens und der Türkei.

Während des Koreakrieges nutzten die Vereinigten Staaten die sowjetische Politik des leeren Stuhls, um ihren Krieg unter der Flagge der Vereinten Nationen zu führen (zu dieser Zeit saß die Volksrepublik China nicht im Rat). Vor zehn Jahren benutzten sie das UN-Personal, um einen totalen Krieg gegen Syrien zu führen. Heute gehen sie noch weiter, indem sie sich gegen ein ständiges Mitglied des Sicherheitsrats stellen.

Nachdem die UNO unter Kofi Annan zu einer multinational gesponserten Organisation geworden war, wurde sie zu einem Ableger des US-Außenministeriums unter Ban Ki-moon und António Guterres.

Russland und China sind sich wie alle anderen Staaten der Tatsache bewusst, dass die UNO ihre Funktion überhaupt nicht mehr erfüllt. Im Gegenteil, die Organisation verschärft die Spannungen und beteiligt sich an Kriegen (zumindest in Syrien und am Horn von Afrika). Moskau und Peking entwickeln daher andere Institutionen.

Russland richtet seine Bemühungen nicht mehr auf die von der Sowjetunion geerbten Strukturen wie die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS), die Eurasische Wirtschaftsgemeinschaft (EU) oder sogar die Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS); oder auch nicht solche, die aus dem Kalten Krieg stammen, wie die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Nein, Russland konzentriert sich auf das, was zur Neugestaltung einer multilaterale Welt führen kann.

In erster Linie hebt Russland die wirtschaftlichen Maßnahmen der BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) hervor. Russland beansprucht sie nicht als seine eigenen Errungenschaften, sondern als gemeinsame Anstrengungen, an denen Russland teilnimmt. Dreizehn Staaten hoffen, den BRICS-Staaten beizutreten, aber sie sind im Moment für einen Beitritt noch nicht offen. Schon jetzt haben die BRICS-Staaten ein viel größeres Gewicht als die G7, sie handeln, während die G7 seit einigen Jahren erklären, dass sie große Dinge tun werden, die wir nie kommen sehen und verteilt gute und schlechte Punkte an jene, die abwesend sind.

Russland drängt vor allem auf mehr Offenheit und eine tiefgreifende Transformation der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ). Bis jetzt war sie nur eine Kontaktstruktur der zentralasiatischen Länder, um Russland und China, um die Unruhen zu verhindern, die die angelsächsischen Geheimdienste dort zu schüren versuchten. Nach und nach ermöglichte sie ihren Mitgliedern, sich besser kennenzulernen. Sie dehnten ihre Arbeit auf andere gemeinsame Themen aus. Darüber hinaus erweiterte sich die SOZ, insbesondere auf Indien und Pakistan und dann auf den Iran. Tatsächlich verkörpert sie heute die Prinzipien von Bandung, die auf der Souveränität der Staaten und Verhandlungen basieren, gegen die des Westens, die auf der Übereinstimmung mit der angelsächsischen Ideologie basieren.

Auf die SOZ entfallen zwei Drittel der Weltbevölkerung, viermal mehr als auf die G7, einschließlich der Europäischen Union. Das ist der Ort, an dem die internationalen Entscheidungen getroffen werden, auf die es ankommt.

Der Westen schwingt Reden, während Russland und China Fortschritte machen. Ich schreibe tatsächlich, er "schwingt Reden", weil er seine Gesten für wirksam hält. So ergriffen die Vereinigten Staaten und das Vereinigte Königreich, dann die Europäische Union und Japan sehr harte wirtschaftliche Maßnahmen gegen Russland. Sie wagten es nicht zu sagen, dass es ein Krieg war, um ihre Autorität gegenüber der Welt aufrechtzuerhalten, und bezeichneten sie daher als "Sanktionen", obwohl es kein Gericht, kein Verteidigungsplädoyer oder Urteil dafür gab. Natürlich handelt es sich dabei um illegale Sanktionen, weil sie außerhalb der Organe der Vereinten Nationen beschlossen wurden. Aber die Westmächte, die behaupten, die Verteidiger der "internationalen Regeln" zu sein, kümmern sich nicht um das Völkerrecht.

Natürlich verhindert das Vetorecht der fünf ständigen Mitglieder des Rates Sanktionen gegen eines von ihnen, aber das geschieht genau deswegen, weil das Ziel der UNO nicht darin besteht, der angelsächsischen Ideologie zu entsprechen, sondern den Weltfrieden zu bewahren.

Ich komme auf meinen Punkt zurück: Russland und China schreiten voran, aber in einem ganz anderen Tempo als der Westen. Zwischen dem Beschluss Russlands in Syrien einzugreifen und der Entsendung seiner Soldaten dorthin, sind zwei Jahre vergangen; Zwei Jahre, die verwendet wurden, um die Waffen fertigzustellen, die seine Überlegenheit auf dem Schlachtfeld sicherstellten. Zwischen dem russischen Engagement für Minsk II und der militärischen Intervention im Donbass sind sieben Jahre vergangen; sieben Jahre, die genutzt wurden, um die Umgehung westlicher Wirtschaftssanktionen vorzubereiten.

Das ist der Grund, warum diese "Sanktionen" die russische Wirtschaft nicht in die Knie zwingen konnten, sondern jene zutiefst treffen, die sie erlassen haben. Die deutsche und die französische Regierung prognostizieren sehr ernste Energieprobleme, die bereits einige ihrer Fabriken zwingen, im Sparbetrieb zu laufen, und bald dazu, zu schließen. Im Gegensatz dazu boomt die russische Wirtschaft. Nach zwei Monaten, in denen das Land nur von seinen Beständen lebte, ist die Zeit für den Überfluss gekommen. Die Erträge des russischen Schatzamtes stiegen im ersten Halbjahr um 32% [4]. Die westliche Ablehnung des russischen Gases hat nicht nur die Preise zugunsten des größten Exporteurs, Russland, in die Höhe getrieben, sondern diese Abweichung vom liberalen Diskurs hat die anderen Staaten erschreckt, die, um sich zu beruhigen, sich Moskau zugewandt haben.

China, das vom Westen als Verkäufer von Ramsch dargestellt wird, der seine Beute in eine Schuldspirale treibt, hat 13 afrikanischen Staaten den Großteil ihrer Schulden erlassen.

Jeden Tag hören wir die edlen westlichen Reden und ihre Anschuldigungen gegen Russland und China. Aber jeden Tag stellen wir auch fest, wenn wir uns die Fakten ansehen, dass die Realität anders ist. Zum Beispiel erklären uns die Westmächte ohne Beweise, dass China eine "Diktatur" ist und dass es "eine Million Uiguren eingesperrt hat". Obwohl wir keine aktuellen Statistiken haben, wissen wir alle, dass es in China weniger Gefängnisinsassen gibt als in den USA, obwohl dieses Land viermal weniger bevölkert ist. Oder uns wird gesagt, dass Homosexuelle in Russland verfolgt werden, während wir in Moskau größere schwule Nachtclubs sehen als in New York.

Die westliche Blindheit führt zu lächerlichen Situationen, in denen die westlichen Führer die Auswirkungen ihrer Widersprüche nicht mehr wahrnehmen.

Treffen der Präsidenten Emmanuel Macron und Abdelmadschid Tebbun im El Muradia-Palast, am 26. August 2022, zum Kampf gegen die Dschihadisten in der Sahelzone, in Anwesenheit der für die innere und äußere Sicherheit zuständigen Generäle. Nach den Kriegen in Libyen, Syrien und Mali kann Frankreich seine Unterstützung der Dschihadisten nicht mehr verbergen.

So befindet sich Präsident Emmanuel Macron derzeit in Algerien. Er versucht, die beiden Nationen zu versöhnen und Gas zu kaufen, um den Mangel auszugleichen, den er mit verursacht hat. Er ist sich bewusst, dass er etwas spät kommt, nachdem seine Verbündeten (Italien und Deutschland) ihre Einkäufe schon erledigt haben. Auf der anderen Seite ist er fälschlicherweise überzeugt, dass das französisch-algerische Hauptproblem die Kolonisierung ist. Er erkennt nicht, dass Vertrauen unmöglich ist, weil Frankreich Algeriens schlimmste Feinde, die Dschihadisten Syriens und der Sahelzone, unterstützt. Er sieht keinen Zusammenhang zwischen seinen fehlenden diplomatischen Beziehungen zu Syrien, seiner Vertreibung aus Mali [5] und der Kälte, mit der er in Algier empfangen wird.

Es ist wahr, dass die Franzosen nicht wissen, was Dschihadisten sind. Sie haben gerade im größten Prozess des Jahrhunderts die Anschläge in Saint-Denis, der Kaffee-Terrassen von Paris und dem Bataclan (13. November 2015) ein Urteil gefällt, ohne die Frage nach der staatlichen Unterstützung der Dschihadisten stellen zu können. Weit davon entfernt, ihren Gerechtigkeitssinn zu zeigen, haben sie damit ihre Feigheit manifestiert. Sie haben sich von einer Handvoll Männern terrorisiert gezeigt, während Algerien Zehntausende davon während seines Bürgerkriegs erlebte und immer noch so viele in der Sahelzone erlebt.

Während Russland und China vorankommen, bleibt der Westen nicht einmal auf der Stelle, er fällt zurück. Er wird seinen Absturz fortsetzen, solange er seine Politik nicht klärt, seine Doppelmoral nicht beendet und seine Doppelspiele nicht aufgibt.

 
 
Übersetzung
Horst Frohlich
Korrekturlesen : Werner Leuthäusser