Vor fünf Jahren, am 23. September 2009, hat das polnische Parlament eine Resolution verabschiedet, in der die Befreiungsoperation der Roten Armee im Jahr 1939 als Aggression gegen Polen bezeichnet wurde. Damit wurde die Sowjetunion neben dem nazistischen Deutschland offiziell der Entfesselung des Zweiten Weltkriegs beschuldigt. Die Tatsache, dass die Rzeczpospolita bis zum 17. September von Deutschland zerschlagen worden war und ein unwürdiges Ende gefunden hatte, während unser Land großenteils lediglich Territorien zurückeroberte, die ihm bis zum Ersten Weltkrieg gehört hatten, wurde von den Initiatoren dieser Resolution schlicht ignoriert. Man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass Warschau im Zusammenhang mit dem 75-jährigen Jubiläum der Befreiung der Westukraine und Westweißrusslands wieder von der antisowjetischen bzw. antirussischen Hysterie erfasst wird.
Aber in Wahrheit waren die Personen, die in Polen zwischen den beiden Weltkriegen an der Spitze der Macht standen, im Grunde Mithelfer Adolf Hitlers bei der Entfesselung des Zweiten Weltkriegs. Ihren Handlungen ist dieser Artikel gewidmet.
Beginn des Kampfes um „Polen zwischen zwei Meeren“
Als Jozef Pilsudski im November 1918 zum polnischen Machthaber wurde, verordnete die frischgebackene Regierung der Zweiten Rzeczpospolita Wahlen „überall, wo Polen leben“. Zu dem Zeitpunkt blieb die Frage der Grenzen Polens, das es seit mehr als 100 Jahren auf der politischen Weltkarte gar nicht gegeben hatte, offen. Die Polen nutzten das Durcheinander in Europa gleich nach dem Weltkrieg aus und bemühten sich um die Erweiterung des Territoriums ihres erneut entstandenen Staates in allen Richtungen.
Dieser nicht gerade selbstlose Drang führte zu außenpolitischen Konflikten und bewaffneten Auseinandersetzungen mit den Nachbarländern wie der Ukrainischen Volksrepublik wegen Lwows, Ostgaliziens, des Gebiets Chomsk und Westwolhyniens, mit Litauen wegen Wilnas und mit der Tschechoslowakei wegen Teschener Schlesiens. Der militärpolitische Konflikt zwischen Polen und der Tschechoslowakei in den Jahren 1919 und 1920 wurde von Großbritannien und Frankreich gegen Warschau geregelt, aber die Kämpfer um ein Polen „zwischen zwei Meeren“ (der Ostsee und dem Schwarzen Meer) wollten sich nicht beruhigen und setzten sich im Norden und Westen mit Deutschland und im Osten mit Russland auseinander.
Am 30. Dezember 1918 erklärte Warschau Moskau, die Offensive der Roten Armee in Litauen und Weißrussland sei eine aggressive Aktion gegenüber Polen, auf die die polnische Regierung „energisch reagieren“ und die von der „polnischen Nation“ besiedelten Territorien verteidigen müsse. Von dem Umstand, dass die Polen dort eine Minderheit waren, ließ sich Warschau nicht stören, und für die Meinung anderer Völker hatte es kein Interesse.
Die Verteidigung dieser Territorien begannen die Polen mit einem Angriff auf die Mission des Russischen Roten Kreuzes am 2. Januar 1919. Am 16. Februar kam es zum ersten Gefecht zwischen der polnischen und russischen Armee um den weißrussischen Ort Berjosa Kartusskaja. Dabei wurden die ersten 80 Soldaten der Roten Armee gefangengenommen. Bis Anfang 1922 gerieten insgesamt mehr als 200 000 Staatsbürger des ehemaligen Russischen Reiches – Russen, Ukrainer, Weißrussen, Tataren, Baschkiren und Juden – in polnische Gefangenschaft. Mehr als 80 000 von ihnen mussten in polnischen Konzentrationslagern sterben, die noch lange vor der Machtübernahme durch Hitler in Deutschland entstanden waren.
Die mit der polnischen Gefangenschaft verbundene Tragödie ist ein besonderes Thema, deshalb sagen wir hier lediglich, dass es im „zivilisierten“ europäischen Polen nicht angebracht ist, über diese 80 000 Gefangenen, wie auch über die 600 000 sowjetische Soldaten zu sprechen, die bei der Befreiung dieses Landes von der nazistischen Okkupation in den Jahren 1944 und 1945 ums Leben gekommen sind. Die Polen sind mit dem Abriss von Denkmälern sowjetischer Soldaten beschäftigt, die ihre Großeltern vor dem nazistischen Völkermord gerettet haben. Nicht zuletzt deswegen hatte Russland keinen Grund, um die Gruppe von polnischen Russlandhassern zu trauern, die nur wegen ihrer eigenen Dummheit bei dem Flugzeugabsturz bei Smolensk gestorben waren.
1920 brach ein sowjetisch-polnischer Krieg aus, der mit dem Rigaer Frieden von 1921 endete, so dass die Westukraine und Westweißrussland okkupiert wurden. Die Politik der polnischen „Zivilisatoren“ in diesen Gebieten wäre ebenfalls ein besonderes Thema. Deshalb sagen wir nur, dass die Ukrainer und Weißrussen in Polen als „Untermenschen“ galten noch lange bevor die Nazis die Umsetzung ihrer „Rassentheorie“ begannen.
Hitlers polnische Freunde
Nicht einmal ein Jahr war nach der Machtübernahme der Nazis in Deutschland vergangen, als in Berlin am 26. Januar 1934 der Deutsch-polnische Nichtangriffspakt unterzeichnet wurde. Berlin verweigerte dabei allerdings eine Garantie für die Unverletzlichkeit der gegenseitigen Grenze, die nach dem Ersten Weltkrieg festgelegt worden war. „Die Seiten verkündeten Frieden und Freundschaft. Der gegenseitige Zollkrieg wurde eingestellt, wie auch die gegenseitige Kritik in den Massenmedien“, schrieb der Historiker Michail Meltjuchow. „In Warschau wurde dieses Dokument als Basis für die Sicherheit des Landes und als Mittel zur Intensivierung der Großmacht-Ambitionen Polens wahrgenommen. Deutschland erreichte allerdings, dass die Grenzfrage dabei ausgeklammert wurde. Die Versuche der Sowjetunion, Polen klarzumachen, dass es reingelegt worden war, blieben erfolglos.“
Der polnische Historiker Marek Kornat behauptet seinerseits, dass Pilsudski und der polnische Außenminister Jozef Beck den Pakt mit Deutschland für „die größte Errungenschaft der polnischen Diplomatie“ hielten. Auffallend ist, dass nach Deutschlands Austritt aus dem Völkerbund ausgerechnet Polen seine Interessen in dieser Organisation vertritt.
Nach dieser Annäherung an Berlin rechneten die Polen mit Deutschlands Hilfe im Konflikt mit der Tschechoslowakei wegen Teschener Schlesien. Der Historiker Stanislaw Morosow verwies darauf, dass „zwei Wochen vor der Unterzeichnung des deutsch-polnischen Nichtangriffspakts eine anti-tschechische Kampagne ausbrach, die vom Warschauer Außenministerium inspiriert worden war. In Polen artete sie in eine Vielzahl von Medienberichten aus, in denen die tschechischen Behörden der Unterdrückung der polnischen Minderheit in Teschener Schlesien beschuldigt wurden. In der Tschechoslowakei war dafür der Konsul im Mährischen Ostrava, Leon Malhomme, verantwortlich.“
Nach Pilsudskis Tod im Mai 1935 kamen seine Anhänger an die Macht. Die Schlüsselfiguren in der Staatsführung wurden Außenminister Jozef Beck und der künftige Oberste Befehlshaber der polnischen Armee, Marschall Edward Rydz Smigly.
Danach wurde Warschaus Neigung zu Deutschland noch stärker. Im Februar 1937 kam der Nazi Nummer zwei, Hermann Göring, zu Besuch nach Polen. Bei einem Treffen mit Rydz Smigly erklärte er, dass für Polen und Deutschland nicht nur der Bolschewismus, sondern generell Russland gefährlich sei, egal ob als Monarchie, als liberaler Staat oder mit irgendeiner anderen Staatsordnung. Ein halbes Jahr später, am 31. August 1937, wiederholte der polnische Generalstab diese Idee in seiner Direktive Nr. 2304/2/37, wobei als endgültiges Ziel der polnischen Politik „die Vernichtung eines jeden Russlands“ galt.
Wie wir sehen, wurde diese Idee zwei Jahre vor dem Beginn des Zweiten Weltkriegs formuliert, dessen Entfesselung die Polen vor allem Russland vorwerfen wollen. Zudem empören sie sich über die Worte des sowjetischen Außenministers Wjatscheslaw Molotow, der Polen 1940 als „hässliche Kreatur des Friedens von Versailles“ bezeichnete. Aber auch hier treten Doppelstandards zutage: Denn Molotow hat eigentlich nur die Worte Pilsudskis umformuliert, der die Tschechoslowakei als „künstliches und hässliches Staatsgebilde“ beschimpft hatte. Deshalb sollten die Polen lieber den Mund halten und ihre Äpfel essen.
Die Rolle der „polnischen Hyäne“ bei der Zergliederung der Tschechoslowakei
Seit Anfang 1938 bereiteten Berlin und Warschau die Zergliederung der Tschechoslowakei vor, indem sie ihre Handlungen koordinierten. Die von Berlin kontrollierte Sudetendeutsche Partei handelte immer aktiver in den Sudeten, und Polen gründete in Teschen den Polenbund. Vom Zynismus und der Verlogenheit der Pilsudski-Anhänger zeugt der Umstand, dass die Polen, die eine subversive Tätigkeit auf dem Territorium ihres Nachbarlandes ausübten, von Prag verlangten, dessen angebliche subversive Tätigkeit gegen Warschau zu stoppen!
Die Sowjetunion wäre bereit, der Tschechoslowakei zu helfen, aber da sie keine gemeinsame Grenze mit diesem Land hatte, bräuchte sie die Zustimmung Polens oder Rumäniens, die Rote Armee in die Tschechoslowakei ziehen zu lassen. Die Pilsudski-Anhänger verstanden, dass das Schicksal der Tschechoslowakei großenteils von ihnen abhing, und informierten die Deutschen am 11. August, dass sie die Rote Armee nicht auf ihr Territorium lassen und auch Rumänien empfehlen würden, das nicht zu tun. Noch mehr als das: Vom 8. bis 11. September führten die Polen eine große Militärübung an ihrer Ostgrenze, um der UdSSR ihre Kampfbereitschaft für den Fall einer sowjetischen Aggression zu zeigen, die damals genauso „realistisch“ war wie eine jetzige Invasion Russlands in die Ukraine ist, von der die verlogene westliche Propaganda seit einem halben Jahr schreit.
Im September 1938, als die so genannte „Münchner Konferenz“ intensiv vorbereitet wurde, tat Beck alles Mögliche, damit der polnische Vertreter in München einen Platz am Tisch mit den Vertretern Großbritanniens, Frankreichs, Deutschlands und Italiens bekommt. Aber weder Hitler noch der britische Premier Neville Chamberlain sahen einen Grund, die Polen nach München einzuladen. Wie Stanislaw Morosow völlig richtig sagte, „hatte sich das Verhalten der westlichen Großmächte gegenüber den Polen nicht verändert: Sie betrachteten Beck nicht als Vertreter einer Großmacht.“
Damit konnten die Polen wider ihren Willen nicht an der Münchner Verschwörung teilnehmen – einem der schändlichsten Ereignisse des 20. Jahrhunderts.
Der gekränkte und wütende Beck erhöhte den Druck auf Prag. Am Ende gab die gedemütigte tschechoslowakische Führung auf und Polen bekam Teschener Schlesien. Die Historikerin Valentina Marjina schrieb: „Am 2. September begann die Eroberung der (…) tschechoslowakischen Gebiete durch die polnischen Truppen, die für Polen eine enorme wirtschaftliche Bedeutung hatten: Indem sein Territorium um nur 0,2 Prozent größer wurde, wurde seine Schwerindustrie um nahezu 50 Prozent stärker. Danach verlangte Warschau von der Prager Regierung ultimativ neue territoriale Zugeständnisse: diesmal in der Slowakei, und erreichte sein Ziel. Laut einem Regierungsabkommen vom 1. Dezember 1938 erhielt Polen ein geringes Territorium (226 Quadratkilometer) im Norden der Slowakei (Javorina in Orava).“
Für diese „Heldentaten“ bekam Polen von Winston Churchill den Beinamen „die polnische Hyäne“. Diese Bezeichnung war sowohl zutreffend als auch berechtigt…
Nichtgewordene Verbündete des Dritten Reiches
Seit den ersten Tagen des Bestehens der Zweiten Rzeczpospolita träumte ihre Führung von einem Großpolen „zwischen zwei Meeren“. Die Eroberung Teschener Schlesiens hielten die Pilsudski-Anhänger für den ersten Schritt auf diesem Weg. Ihre Pläne waren sehr ambitioniert. In einem im Dezember 1938 veröffentlichten Bericht der 2. Abteilung des Hauptstabs der polnischen Streitkräfte hieß es: „Russlands Zergliederung bildet die Basis der polnischen Politik im Osten… Unsere Aufgabe besteht darin, uns im Voraus physisch und geistig vorzubereiten… Unser wichtigstes Ziel ist es, Russland zu schwächen und zu zerschlagen.“
Warschau wusste von Hitlers Absicht, die Sowjetunion zu überfallen, und wollte sich dem Aggressor anschließen. Am 26. Januar 1939 sagte Beck in einem Gespräch mit dem deutschen Außenminister Joachim Ribbentrop „bescheiden“, dass Polen „die sowjetische Ukraine und den Zugang zum Schwarzen Meer beansprucht“.
Dann stellte sich jedoch heraus, dass Hitler Polen nicht als Großmacht betrachtete. Nach seiner Auffassung sollte es ein Satellit Deutschlands, aber kein Verbündeter sein. Der Führer zwang Warschau dazu, dem Beitritt der Freien Stadt Danzig zum Dritten Reich und der Einrichtung eines „Korridors im Korridor“ zuzustimmen, nämlich dem Bau einer exterritorialen Eisen- und Autobahn durch Polen, die Deutschland und Ostpreußen verbinden würden.
Polen mit seinen Großmacht-Ansprüchen wies diese Forderungen zurück. Seit Anfang April 1939 bereitete sich deshalb Deutschland auf eine Invasion nach Polen vor, dessen militärstrategische Lage sich nach der Zerschlagung der Tschechoslowakei wesentlich verschlechterte. Neben Teschener Schlesien bekam Polen auch die deutschen Truppen an der ehemaligen polnisch-tschechoslowakischen Grenze.
Dass Polens Position zum wichtigsten Grund für das Scheitern der Verhandlungen der Militärmissionen der Sowjetunion, Großbritanniens und Frankreichs im August 1939 in Moskau wurde, ist allgemein bekannt. Warschau ließ die Rote Armee nicht auf das polnische Territorium, und die Sowjetunion konnte den Polen nicht bei der Abwehr des deutschen Überfalls helfen. Den Grund dafür nannte der polnische Botschafter in Frankreich, Jozef Lukasiewicz, in einem Gespräch mit dem französischen Außenminister Georges Bonnet. Nach seinen Worten würde Beck „den russischen Truppen nie erlauben, die Territorien zu erobern, die wir ihnen 1921 weggenommen haben.“
Damit räumte der polnische Botschafter faktisch ein, dass die Westukraine und Westweißrussland 1920 von den Polen okkupiert worden waren…
Angesichts dessen können wir feststellen, dass die Zweite Rzeczpospolita eine äußerst wichtige Rolle bei der Entfesselung des Zweiten Weltkriegs gespielt hat. Und dass Polen selbst von Deutschland überfallen wurde und sechs Millionen Staatsbürger verloren hat, ändert daran nichts.
Quelle: https://de.sputniknews.com/sinowjew_klub/20150501302150818/