Eine sechsstellige Spendenzusage an den Wahlkampf einer aussenstehenden Organisation wirft ernsthafte Fragen zur Strategie auf
Wir treten nicht zu den eidg. Wahlen von 2023 an. Diese erstaunliche Ankündigung machte der Vorstand der Verfassungsfreunde am 18. August 2021 in einer Medienmitteilung.
Nach «vielen Gesprächen mit der Basis» und auf Empfehlung einer Arbeitsgruppe sei der Vorstand zum Entscheid gekommen, «dass die Verfassungsfreunde derzeit als ausserparlamentarische politische Kraft unseren Werten der Freiheit, der Gleichheit vor dem Recht und der Geschwisterlichkeit in der Wirtschaft am effektivsten zum Durchbruch verhelfen können». An den National- und Ständeratswahlen im Jahr 2023 würden sich die Freunde der Verfassung deshalb «weder direkt noch indirekt beteiligen», heisst es in der Mitteilung.
Obwohl es durchaus verständlich ist, dass man sich nicht als Partei positionieren will, ist eine solche Ankündigung ein kapitaler strategischer Fehler. Man erklärt dem Gegner nicht im Voraus, man werde gar nicht antreten.
Wir sprechen hier von einem Wählerpotenzial von 15 bis 20 Prozent, das die Politlandschaft gehörig durcheinanderwirbeln könnte, je nachdem, welche Parteien diese 20 Prozent hergeben müssen. Wenn sich die Verfassungsfreunde klug aufstellen und in der Mitte der Gesellschaft positionieren – wo sie hingehören –, verfügen sie über eine respektable Hebelwirkung.
Um Verluste zu vermeiden. müssten die Parteien ihre Positionen überdenken und dazu auch einen Meinungsaustausch zulassen. Das wäre sehr im Sinne unserer Bewegung, die ja gerade daran leidet, dass öffentliche Diskussionen nicht zugelassen werden. Soviel zum ersten Teil des strategischen Fehlers der Verfassungsfreunde.
Ihr zweiter Fehler besteht darin, dass sie sich mit der Beschränkung auf die ausserparlamentarische Opposition selbst in die Rolle der ewigen Nein-Sager manövrieren. Wer sich nicht an den Institutionen beteiligt – von den Schulkommissionen über die Gemeinderäte bis zu den eidg. Räten – kann die Politik nur mit Referenden, Initiativen und Kampagnen beeinflussen.
Referenden können nur verhindern oder bremsen. Der bestmögliche Ausgang eines Referendums ist die Ablehnung eines unerwünschten Gesetzes, was den Weg für eine hoffentlich bessere Neuauflage öffnet. Aber dazu muss man Abstimmungen gewinnen – was den Verfassungsfreunde bis jetzt nicht gelungen ist und zunehmend schwieriger wird. Aber denn muss auch man in den Gremien vertreten sein, die eine verbesserte Vorlage vorbereiten. (Zurück zur Korrektur des ersten Fehlers).
Initiativen sind das zweite Instrument einer ausserparlamentarischen Opposition. Sie sind aufwändig, haben eine lange Inkubationszeit und erfahrungsgemäss eine sehr geringe Erfolgsquote. Selbst bei einem Abstimmungserfolg ist man davon abhängig, dass das Parlament die neue Verfassungsbestimmung auf Gesetzesebene korrekt umsetzt. Auch das ist unsicher, wie zahlreiche Beispiele zeigen.
z.b. alpenin-itiative + masseneinwanderungs-initiative wurden beide angenommen. aber unsere kriminellen schmarotzer - regierung, volksverräter + behörden - setzen sie einfach nicht um...
Das dritte Instrument, die thematische Kampagne zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung und der politischen Kräfte, hängt massgeblich vom Medienecho ab. Darauf können sich die Verfassungsfreunde keinesfalls verlassen.
Die ausserparlamentarische Opposition, bzw. die «Bürgerrechtsbewegung» in der Terminologie der Verfassungsfreunde, ist also eine kräfteraubende Sackgasse, in der sie ihre Ziele nicht erreichen können, die da sind: « Freiheit, Gleichheit vor dem Recht und Geschwisterlichkeit in der Wirtschaft.»
Wenn die Verfassungsfreunde zu ihren statutarischen Zielen stehen, müssen sie eine Wahlplattform aufbauen – keine Partei! – und ihre Zusammenarbeit den Institutionen anbieten. Die Schweiz kann nur funktionieren, wenn sie ihre Minderheiten berücksichtigt. Aber diese Minderheiten dürfen sich nicht gegen den Staat positionieren, selbst wenn sie von ihm zur Zeit noch als Parias behandelt werden.
Der Verzicht auf den parlamentarischen Weg ist nicht nur ein fundamentaler strategischer Fehler, er ist auch verlogen. Und dafür sind zuverlässige Hinweise aufgetaucht. Um sie einzuordnen, ist eine Minimal-Portion Widerstandsgeschichte notwendig.
«Weder direkt noch indirekt», würden sich die Verfassungsfreunde an den eidg. Wahlen beteiligen, schreibt der Vorstand in der Medienmitteilung vom 18. August. Das ist eine Unwahrheit.
Seit ungefähr dieser Zeit wird nämlich unter dem Namen «aufrecht-Schweiz» an einer Art Partei gearbeitet, die genau das macht, was die Verfassungsfreunde nicht wollen: zu den eidg. Wahlen von 2023 antreten. Die Verfassungsfreunde sind offiziell Partner von aufrecht-Schweiz.
Aber nicht nur das: Eine Lokalgruppe von aufrecht-schweiz hat von Geschäftsführer Sandro Meier, Ko-Präsidentin Marion Russek und Christina Rüdiger offenbar eine Finanzierungszusage über 150’000 Franken erhalten, wie dieser Ausschnitt aus einem Telegram-Chat zwischen einem Kritiker des Vorstandes und einem Vertreter von aufrecht Bern zeigt.
Im Klartext: Offenbar wurden «aufrecht Bern» von der Geschäftsleitung und dem Präsidium der Verfassungsfreunde 150’000 Franken zugesprochen – ohne Information an den Vorstand –, die bei einem Rücktritt des Vorstandes hinfällig werden.
Die betroffenen Vorstandsmitglieder wurden um eine Stellungnahme gebeten. Ko-Präsidentin Marion Russek schreibt in einer Mail von heute 17. Dezember: «Nein, es hat keine Zahlung an aufrecht gegeben und es wird auch keine geben.»
Wobei: Die Frage lautete nicht nach einer erfolgten Zahlung, sondern nach einer Zusage.
Welches Fazit lässt sich aus all diesen Vorgängen ziehen? Die zugespitzte Zusammenfassung präsentiert sich wie folgt:
- Der Vorstand der Verfassungsfreunde hat die langfristigen Ziele aus den Augen verloren und sich in eine Kampagnenorganisation verwandelt.
- Er hat es verpasst, die Struktur dem Wachstum anzupassen und für demokratische Verhältnisse innerhalb des Vereins und eine entsprechende Kontrollen zu sorgen.
- In diesem Machtvakuum entwickelten sich Intrigen und undurchsichtige Machenschaften, u.a. zugunsten fremder Organisationen
- Zur Kaschierung dieses Doppelspiels wurde der Vorstand zunehmend in eine Position gedrängt, die er nur mit Unwahrheiten und Druck auf missliebige Personen aufrecht erhalten konnte.
Wie soll es jetzt weitergehen? Es ist zu hoffen, dass der Vorstand zur Einsicht gelangt, dass die Intrigenwirtschaft sofort beendet werden und mit neuem Personal ein Weg in eine Zukunft mit interner demokratischer Legitimation gefunden werden muss.
Konkret: Rücktritt und Neustart mit neuen Statuten. Da besteht glücklicherweise eine Arbeitsgruppe, die am Montag einen Revisionsentwurf vorlegen wird.
Falls der Vorstand nicht einsichtig ist, muss er durch Erhöhung des Drucks und Veröffentlichung weiterer zweifelhafter Praktiken (leider) dazu gezwungen werden. (Hinweis an den mitlesenden Vorstand: Material dazu ist reichlich vorhanden)
Ich bin zuversichtlich, dass dies gelingt. Es gibt deutlich mehr Freunde der Verfassung als solche des Vorstandes.
Michael Bubendorf und ich haben eine Mailingliste der Willigen eingerichtet, die so regelmässig wie möglich informiert wird.
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