Und es ist ein gewaltiges Paket, das in dieser Erklärung abgearbeitet wird, angefangen mit dem Ziel, die Zusammenarbeit auf allen nur denkbaren Gebieten auszuweiten. Die deutschen Medien reagieren darauf mit der Egozentrik von Kindern: Mehr oder weniger passiert das alles, weil die beiden Großmächte westliche Sanktionen umgehen wollen. Schon die Vorstellung, da gäbe es die Idee eines Ziels, einen langfristigen gemeinsamen Nutzen, scheint undenkbar. Dabei müsste es eigentlich aus der europäischen Erfahrung nachvollziehbar sein.
Eines der gemeinsamen Projekte, die Putin erwähnt, ist ein Teilchenbeschleuniger, der in Dubna bereits gebaut wurde. In Dubna, etwa 120 Kilometer von Moskau entfernt, befindet sich das Vereinigte Institut für Kernforschung, an dem seit dem Ende der 1950er-Jahre bereits zahlreiche chemische Elemente entdeckt wurden. "Die Experimente, die an diesem Teilchenbeschleuniger durchgeführt werden, werden bahnbrechenden Mega-Wissenschaftsprojekten den Weg ebnen, die die Möglichkeiten jedes einzelnen Landes der Welt übersteigen."
Diese Begründung ist vollkommen mit jener identisch, die einst zur Gründung des CERN geführt hat, das 1957 den ersten Teilchenbeschleuniger in Betrieb nahm und heute mit der großen Anlage unter den Alpen sogar in der Populärliteratur berühmt ist. Die Möglichkeiten eines einzelnen Staates würden überschritten – wenn Russland und China jetzt anfangen, ihre Forschungskapazitäten (nicht nur) auf diesem Gebiet zu bündeln, dann heißt das ja nicht notwendigerweise, dass andere Staaten davon ausgeschlossen sind.
Es wundert nicht, dass das in Europa und den Vereinigten Staaten Schauer über den Rücken jagt. Das hat aber mehr mit einem Wirtschaftsmodell zu tun, das zunehmend auf der Bildung von Monopolen bezogen auf jeden noch so kleinen Fortschritt beruht, als mit den Vorstellungen Russlands und Chinas für die Entwicklung der globalen Wissenschaften, die bei Weitem nicht so exklusiv (im Wortsinne von ausschließend) ist wie die des Westens.
Natürlich kann man auch zur Nordostpassage sagen, es gehe dabei darum, die "strategische Eindämmung" Chinas aufzubrechen. Schließlich sind die Möglichkeiten einer US-Kontrolle dieses bisher wenig genutzten Seewegs minimal, da er weitgehend entlang der russischen Küste verläuft. Aber an anderer Stelle wird sichtbar, dass dahinter auch rein ökonomische Motive stehen könnten – auf die Frage nach dem Projekt "Power of Siberia 2" und dessen Umsetzungsstand antwortete Putin nicht klar, was in den westlichen Medien sofort als Krise zwischen den beiden Partnern gewertet wurde – was aber in Wirklichkeit darauf beruhen dürfte, dass angesichts der Tatsache, dass Russland ohnehin in atomare Eisbrecher investiert, die für die Nordostpassage nutzbar sind, und dem Potenzial dieser Strecke noch einmal nachgerechnet werden muss, ob der Transport auf diesem Weg nicht langfristig nützlicher ist als eine klassische Pipeline.
Auch in der Erklärung wird die Nordostpassage als eines der großen Projekte erwähnt, nun mit administrativen Details:
Es ist interessant und lehrreich, bei diesen Projekten auf die Details zu achten. Schließlich erklärte Xi Jinping bei dem gemeinsamen Presseauftritt:
Was geradezu zur Voraussetzung hat, dass bei grenzüberschreitenden Projekten nicht schlicht die Gewinnerzielung im Vordergrund steht, sondern der Nutzen, den zwei souveräne Entitäten davon haben. Die Verwunderung über die Überlegungen zu "Power of Siberia 2" hat auch mit der selbstverständlichen Erwartung westlicher Beobachter zu tun, dass die bekannte Technologie der Pipeline genutzt wird – weil das Ziel die Realisierung maximalen Gewinns aus dem Gasverkauf für das Gasunternehmen ist – während das Ziel, das Russland und China teilen, die Verbindung des Rohstoffhandels mit einem Maximum an Nutzen für die Infrastruktur ist. Das ist es, was "eine Herangehensweise des beidseitigen Gewinns bei der Gestaltung einer neuen Struktur einer Zusammenarbeit zur beidseitigen Wohlfahrt" bedeutet.
Ein kultureller Austausch auf allen Ebenen ist übrigens selbstverständlicher Teil davon, weil Nähe immer Verständnis erfordert – ein Punkt, den man innerhalb der Zwangsstruktur EU schlicht durch die Deklaration ersetzt hat, wir wären doch ohnehin alle "Europäer", als gebe es nichts mehr, dass der Portugiese über den Polen wissen wollen könnte und umgekehrt. Das war noch etwas anders in den Anfangsjahren der EWG, als es noch als wichtig galt, in Deutschland Französisch und in Frankreich Deutsch zu lernen. Spätestens die große Erweiterung nach 1989 ließ davon nichts mehr übrig, und die letzten Reste von Souveränität verschwanden unter einer amerikanisierten Werte-Pampe.
Das ist der Punkt, auf dem die Charakterisierung als "erklärte Feinde des Westens" beruht. Ein gestärkter Globaler Süden, das bedeutet unter anderem höhere Rohstoffpreise. Das zeigen etwa langfristige Daten ihrer Entwicklung, die in der ersten Phase der Dekolonisierung, zu Beginn der 1960er, eine deutliche Steigerung erfahren haben, nur um mit der Stabilisierung des neuen kolonialen Schemas über Weltbank und IWF wieder zu fallen. Sicher, das verändert die Verteilung der Erträge. Aber da die normale Bevölkerung des Westens in den letzten Jahrzehnten ohnehin weniger eine Verbesserung, sondern häufiger eine Verschlechterung des Lebensstandards erfahren hat, könnte es ihr egal sein, wenn die Gewinne beispielsweise der Investmentfirmen fallen.
Es ist eine kleine Minderheit in den westlichen Nationen, die durch eine stabile multipolare Weltordnung tatsächlich verlieren würde. Und es ist mitnichten so, dass die Staaten des Westens dauerhaft ausgeschlossen würden. Putin dazu: "Du sagtest, dass die Zukunft von Russland und China abhängt, aber das ist nur teilweise wahr. Die Zukunft der Menschheit hängt von der ganzen Menschheit ab […] es gibt absolut keinen Zweifel, dass vor unseren Augen eine neue Welt Gestalt annimmt und multipolar wird. Ich glaube, darüber sind sich alle im Klaren. Es ist wichtig, dass jene, die versuchen, ihr Monopol zu halten, weltweit über alle Fragen zu entscheiden, das realisieren (ich glaube, dass sie das vollständig realisieren). Wenn sie das verstehen, sollten sie alles tun, um diesen natürlichen Prozess zu erleichtern. Ich wiederhole, dieser Prozess sollte friedlich und konfliktfrei sein, und die Meinungen aller Parteien des internationalen Prozesses sollten gänzlich berücksichtigt werden. Alle von uns sollten nach Kompromissen suchen, wenn wir die schwierigen Entscheidungen treffen, die vor uns liegen."
Es wäre politisch möglich, diesen Übergang ohne größere Auseinandersetzungen ablaufen zu lassen, sagte er damit. Aber die Regierungen des Westens sind nicht imstande, im langfristigen Interesse ihrer Länder zu handeln. Sie handeln unmittelbar im Interesse jener sehr begrenzten Gruppe von Konzernen, die durch die entstehende neue Ordnung am meisten zu verlieren haben, weshalb sie sich mit aller Kraft einer Entwicklung widersetzen, die im Grunde nicht mehr aufzuhalten ist. So wird dieser Punkt in der gemeinsamen Erklärung formuliert:
"Die beiden Seiten wiesen darauf hin, dass sich größere Veränderungen in der Welt beschleunigen, der Status und die Stärke der Länder und Regionen des "Globalen Südens" kontinuierlich wächst und sich die Multipolarisierung der Welt beschleunigt. Diese objektiven Faktoren beschleunigen die Umverteilung von Entwicklungspotenzial, Ressourcen, Gelegenheiten etc. in eine Richtung, die für Schwellen- und Entwicklungsländer günstig ist, und fördert die Demokratisierung internationaler Beziehungen und internationale Fairness und Gerechtigkeit der Länder, die an Hegemonie und Machtpolitik festhalten und versuchen, die anerkannte, auf dem Völkerrecht beruhende internationale Ordnung durch eine "regelbasierte Ordnung" zu ersetzen."
Interessant ist hier die Bezeichnung als "objektive Faktoren". Hierin zeigt sich einer der deutlichsten Brüche, wobei China und Russland auf der einen Seite stehen und der Westen auf der anderen. Dabei geht es um den schlichten Punkt, ob die größeren Entwicklungstendenzen ein Gegenstand des Willens sind oder eben nicht. Objektive Faktoren, das sind Einflüsse, die sich durch Willensentscheidungen, gleich mit welchen Mitteln man diese unterfüttert, nicht aufhalten oder gar beseitigen lassen. In dem Moment, in dem man sich auf das Eingeständnis einlässt, dass es derartige objektive Prozesse gibt, findet sich auch eine Grundlage für Kompromisse.
Ein derartiger Kompromiss würde natürlich voraussetzen, die internationalen Gremien wieder funktionsfähig zu machen – hier ausgedrückt von Putin, aber mehrfach in Variationen zu finden:
"Darum fordern unsere Länder eine Erneuerung der globalen wirtschaftlichen Führung, eine Reform und Entpolitisierung multilateraler Einrichtungen, wie der Welthandelsorganisation, G20, dem Asien-Pazifik Forum für wirtschaftliche Zusammenarbeit, und sie an die modernen Realitäten anzupassen."
Ist das jetzt die unerbittliche Kampfansage an den Westen? Nicht wirklich. Der konnte über Jahrzehnte hinweg mit internationalen Institutionen leben, die ihm nicht völlig unterworfen waren. Aber seit ungefähr zehn Jahren werden sie so gut wie alle auf die Position des Westens verpflichtet. Was vorübergehend hilft, im Westen selbst den Eindruck zu untermauern, dass "die ganze Welt" diese teile, aber zu einem enormen Preis – dem Verlust aller niedrigschwelligen, informellen Kontakte.
Nicht umsonst erwähnt die gemeinsame Erklärung Sport, Kultur, Studentenaustausch, Förderung des Tourismus. Die Zusammenarbeit von Behörden und die Tätigkeit der Diplomatie sollten die oberste Spitze sein. Vertrauen aufzubauen, ist ein vielschichtiger und langwieriger Prozess. Es zu zerstören, kann vergleichsweise schnell gehen, wie in den letzten Jahren zu erleben war.
Aber je rigider und hierarchischer die westliche Ordnung wurde, desto geringer ist auch die Erfahrung in all dem, was der Diplomatie vorausgeht. Eine Struktur der Unterordnung benötigt keine Sensibilität. Die Art der zwischenstaatlichen Beziehungen, wie sie sich in der Begegnung Putin – Xi darstellte, setzt aber Wahrnehmung für die Unterschiede und deren Akzeptanz voraus.
Übrigens, relativ verborgen, findet sich in der gemeinsamen Erklärung noch ein Detail: Trotz dessen, dass im Grunde auch in Richtung Westen das Angebot gemacht wird, an der sich ändernden Welt mitzuwirken, vergeben und vergessen sind die westlichen Sünden nicht. Das deutet sich an in einem kurzen Abschnitt zu Afghanistan:
"Die beiden Seiten betonten, dass die Vereinigten Staaten und die NATO, als die Parteien, die für die zwanzigjährige Invasion und Besetzung Afghanistans verantwortlich sind, nicht abermals versuchen sollten, militärische Einrichtungen nach Afghanistan und in die umgebenden Gebiete zu senden. Stattdessen sollten sie die Hauptverantwortung für Afghanistans gegenwärtige Schwierigkeiten bei Wirtschaft und Lebensstandard tragen und die Hauptkosten für den Wiederaufbau Afghanistans übernehmen, und alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um das Einfrieren des afghanischen Nationalvermögens zu beenden."
Das ist ein erstes Anzeichen dafür, dass Russland und China bereits an Plänen für den Zeitpunkt arbeiten, an dem der ganze Konflikt vorüber ist, so oder so.
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Video-Interview Nima R. Alkhorshid mit Pepe Escobar, 21. Mai 2024
23. Mai 2024
Das Transkript und die Übersetzung für seioniora.org besorgte Andreas Mylaeus
Nima R. Alkhorshid:
Der jüngste Besuch Putins in China war so anders und so erstaunlich, als wir gesehen haben, dass sie sich gegenseitig umarmen – Xi und Putin. Fanden Sie das anders als das, was wir bisher gesehen haben, oder sehen Sie eine Reihe von sich entwickelnden und besser werdenden und tieferen Beziehungen zwischen Russland und China?
Pepe Escobar:
Nein, da ist absolut nichts anders, Nima. Ich habe... Die letzte Woche war total verrückt, weil ich die ganze Zeit in Italien unterwegs war. Ich hatte also keine Zeit, mich auch nur 10 Minuten hinzusetzen, um eine richtige Kolumne darüber zu schreiben. Das tue ich jetzt, und natürlich bin ich draußen... Ich bin jetzt in Doha. Ich bin also schon wieder in Eurasien und habe natürlich die ganze Raisi-Geschichte vor Augen. Es ist also absolut verrückt, buchstäblich. Aber ich werde versuchen, heute Abend, nachdem ich mit Ihnen und Ihren Zuhörern gesprochen habe – mitten in der Nacht – hier in der Stille des Suk in Doha eine Kolumne zu schreiben, die genau das verbindet, was Sie gerade erwähnt haben, nämlich tatsächlich eines der wichtigsten Treffen des 21. Jahrhunderts. Wir können ihn Präsident Märtyrer Raisi nennen, denn die drei wichtigsten Akteure in unserem Streben nach Multipolarität bleiben dieselben. Das sind Russland, China und der Iran. Die beiden wichtigsten sind natürlich Russland und China und die beiden... Und der relativ neue, aber auch extrem wichtige Akteur in Westasien, in den Ländern des Islam und als einer der Anführer der globalen Mehrheit ist der Iran.
Die Tragödie, die sich mit Raisi und seinem exzellenten Außenminister Hossein Amir-Abdollahian ereignet hat, macht uns natürlich alle sehr traurig, vor allem, weil sie nur wenige Tage nach diesem absolut außergewöhnlichen Treffen in Peking stattfindet, das viele von uns natürlich erwartet haben – sagen wir mal – als Höhepunkt der persönlichen Beziehung zwischen Putin und Xi in den letzten Jahren und mit einer köstlichen Symmetrie. Nach seiner Amtseinführung – XI Jinpings Amtseinführung in China – traf Putin ihn genau 10 Tage danach und nun trifft er Xi Jinping genau 10 Tage nach Putins Amtseinführung in Moskau. Selbst diese kleinen, äußerst bedeutsamen Details haben es also in sich. Natürlich entgeht das den niederen Intellektuellen im Beltway – oder? Aber das war vorhersehbar.
Das Wichtigste ist – würde ich sagen – nicht nur die 12.000 Wörter umfassende – sagen wir es so – gemeinsame Erklärung, die gemeinsame Erklärung Russlands und Chinas. Die Tatsache, dass sie zusammenarbeiten und ihre Kooperationspartnerschaft in praktisch allen Bereichen ausbauen, aber natürlich auch die persönliche Wärme zwischen beiden. Das ist eine wunderbare... Wie wir in Italien „passeggiata“ sagen, dieser kleine gemeinsame Spaziergang, den sie nur mit den beiden Übersetzern gemacht haben und bei dem sie wie Freunde miteinander gesprochen haben, das war absolut außergewöhnlich. Es zeigt nicht nur der internen öffentlichen Meinung Russlands und Chinas, sondern ganz Eurasien, dem ganzen Planeten, dass wir uns auf einer ganz neuen Ebene befinden und sie sehr ernst nehmen. Das ist etwas, was natürlich – das, was ich als NATOstan bezeichne – nicht ernst nimmt und, okay – auf seine eigene Gefahr hin – lernt oder in der unmittelbaren Zukunft weiterhin nicht lernen wird.
Aber nicht nur in Bezug auf die geopolitische und geoökonomische Agenda und ihre internen Agenden, sondern auch in Bezug auf die Verschmelzung und den zunehmenden Handel und all das, was sie sehr, sehr vorsichtig in Richtung Entdollarisierung tun. Dies war natürlich ein Treffen für die Ewigkeit. Und deshalb wird es im Westen auch weiterhin missverstanden oder vernachlässigt werden, oder beides. Aber das kümmert niemanden. Die Russen interessieren sich nicht dafür. Die Chinesen interessieren sich nicht dafür. Und die Partnerschaft kümmert sich auch nicht mehr darum.
Nima R. Alkhorshid:
Ja, das stimmt. Vor diesem Besuch von Putin hatten wir neue Zölle, die Biden den Chinesen auferlegt hat, und zwar von 25 % auf 100 %. Das war ein Geschenk, denke ich, für dieses Treffen zwischen Xi und Putin. Es ist unglaublich, wie sie in Washington alles managen. Es scheint, dass dort niemand mehr das Sagen hat...
Pepe Escobar:
Denn, Nima, es geht nicht nur um ihre Ministerien. Es ist natürlich etwas Persönliches. Wir wissen, dass sie zum Telefon greifen und miteinander sprechen, auch wenn sie sich nicht jedes Jahr persönlich treffen. Und wenn sie sich auf verschiedenen Gipfeltreffen treffen. Sie werden sich auf dem Gipfeltreffen der SCO (Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit) im Laufe dieses Jahres wiedersehen. Sie werden sich auf dem BRICS-Gipfel wiedersehen. Und vielleicht treffen sie sich auch auf dem G20-Gipfel in Rio im November. Sie treffen sich also ständig. Offensichtlich fließen die Entscheidungen wie folgt [Pepe zeigt mit seinen Händen eine Pyramide]. Einige dieser Entscheidungen sind natürlich horizontal. Aber manche sind wie eine Pyramide und kommen von den beiden Führern an der Spitze.
Und natürlich blicken die beiden Systeme mit einer Mischung aus tiefem Respekt und sogar Ehrfurcht zu Xi und Putin auf. Sie werden als Führer von Zivilisationsstaaten respektiert. Und die Mechanismen auf beiden Seiten, in Moskau und in Peking, verstehen, dass dies eine zivilisatorische Staatspartnerschaft ist. Es geht nicht nur um zwei Nationalstaaten. Es geht weit darüber hinaus.
Und das an einem entscheidenden Scheideweg der Geschichte, an dem die untergehende Macht ein Stadium des inneren Zerfalls, der Paranoia und des Gefühls, in die Enge getrieben zu werden, erreicht hat und den Eliten, die den Hegemon und die Vasallen kontrollieren, alles entgleitet, dass die Welt, die sie in den letzten 75 Jahren aufgebaut haben, nicht mehr existiert. All das, diese Peer-Relation, diese Partnerschaft, jagt ihnen eine Heidenangst ein. Nicht nur dem Beltway, nicht nur Washington, Virginia, Maryland und den Finanzeliten in New York, sondern vor allem den Vasallen auf der anderen Seite des Atlantiks – Europa.
Ich bin gerade heute Morgen aus NATOstan zurückgekommen, und einige der Dinge, die ich in Italien gehört habe, wo wir immer noch kritische Geister in den Knotenpunkten finden – natürlich nicht in Bezug auf die Führung in Rom, die eine absolute Katastrophe ist, aber in der akademischen Welt und das intellektuelle Leben in Italien ist immer noch sehr, sehr stark, mit einer fabelhaften Tradition von Jahrhunderten, wenn nicht sogar zweieinhalb Jahrtausenden des Denkens – und was sie mir über die Art und Weise erzählt haben, wie Italien völlig in die Enge getrieben und von der NATO unterjocht wird, insbesondere von der NATO, die die EU unterjocht und natürlich auch Rom unterjocht, ist absolut verblüffend, einschließlich geheimer NATO-Stützpunkte überall in Italien. Ich war übrigens Anfang letzter Woche ganz in der Nähe von einigen von diesen... Die Korruption in Rom ist jetzt – vor allem nach der gescheiterten Fünf-Sterne-Erfahrung – noch schlimmer als vor einem oder zwei oder drei Jahrzehnten. Es ist also schade zu sehen, dass eine Zivilisation... Italien ist ein Zivilisationsstaat, das wissen wir alle. Die westliche Kultur, die westliche Zivilisation verdankt Italien fast alles, was es an Außergewöhnlichem im Sinne der Ästhetik und sogar der politischen Philosophie zu bieten hat, und jetzt sind sie das, was amerikanische Generäle ihren italienischen Kollegen die ganze Zeit ins Gesicht sagen: GOT – American Government Occupied Territory. Das wird mit diesen dreien niemals passieren: Russland, China und Iran.
Nima R. Alkhorshid:
Ja. Es scheint, dass das Niveau der Freundschaft und Partnerschaft, das wir jetzt erleben, vor dem Beginn des Konflikts in der Ukraine nicht auf diesem Niveau und in dieser Tiefe vorstellbar war. Es scheint, dass sie auf dem Weg zu einer tieferen Beziehung waren. Aber dieser Konflikt in der Ukraine hat den Prozess der Annäherung und der Schaffung einer lebenswichtigen Partnerschaft zwischen Russland, China und dem Iran erheblich beschleunigt, das wissen wir jetzt. Wenn Xi Putin einfach nur umarmt, bedeutet das eine Menge, denn sie haben gemeinsame Sicherheitsinteressen, sie haben gemeinsame wirtschaftliche Interessen, sie haben gemeinsame militärische Interessen... Ihre militärischen Interessen sind im Moment so eng miteinander verbunden, weil sie einander brauchen, und man sieht, dass Wirtschaft, Sicherheit, Militär und all das zusammengehört. Welchen Grund gibt es, sich nicht so nahe zu sein? Was wäre der Grund dafür, nicht so freundlich zueinander zu sein?
Pepe Escobar:
Genau, Nima, denn beide Staatsoberhäupter haben den Ernst der Lage erkannt und verstanden, dass beide zivilisatorischen Staatsapparate auf beiden Seiten bereit sind, die Herausforderung anzunehmen, die eine absolut intergalaktische Herausforderung ist, wenn wir es so ausdrücken können. Es geht darum, das System der internationalen Beziehungen zu verändern. Es geht um nichts Geringeres als das: das System der internationalen Beziehungen zu ändern, ein neues System zu schaffen, das gleichwertig und offen für alle ist, in dem jeder einen wirklichen Platz am Tisch hat, eine gleichberechtigte Partnerschaft in allen verschiedenen Bereichen des Planeten, ein neues internationales Finanzsystem und ein geoökonomisches System. Die Herausforderung ist also gewaltig. Aber sie vermitteln uns den Eindruck, dass sie den Druck nicht spüren, und wenn sie sich treffen und miteinander reden, sprechen sie natürlich über all diese enormen Themen. Das erste Treffen in Peking dauerte mindestens zweieinhalb Stunden. Aber dann gab es in der Nacht ein zusätzliches Treffen, nur die beiden mit den Dolmetschern, bei dem sie im Wesentlichen über die Ukraine, die NATO und die USA sprachen. Das war's. Ausschließlich. Denn sie wissen, dass dies das Hauptthema ist. Aber von außen hat jeder den Eindruck, dass sie die Sache im Griff haben, was im Vergleich zu den – ich würde sagen – kopflosen Hühnern, die im Westen die politischen Führer zu sein scheinen, das genaue Gegenteil ist. Sie sind die wahren Erwachsenen im Raum, die enorme Probleme in Angriff nehmen, und sie haben Zeit, höflich zueinander zu sein. Sie finden Zeit, dies immer wieder zu diskutieren. Sie strahlen vor allem eine Atmosphäre der Kompetenz aus. Der Kontrast zum Westen könnte also nicht schärfer sein.
Nima R. Alkhorshid:
Glauben Sie, dass die Hoffnung der Vereinigten Staaten, China von Russland zu trennen, schwindet?
Pepe Escobar:
Ja. Absolut. Nun, diese Option hat nie existiert, Nima, denn als sie mit dieser absolut brillanten Idee aufkamen, die übrigens vom Römischen Reich vor über 2.000 Jahren erfunden wurde: „divide et impera“ auf Lateinisch, „teile und herrsche“, und dann vom Britischen Empire in den 1900er Jahren und den Amerikanern übernommen wurde, die nie mit wirklich originellen Formulierungen aufwarten konnten, haben sie sie von den Briten übernommen. Der Iran befand sich bereits mehr oder weniger auf dem Weg zu dem, was unter Raisi als Look-East-Policy bezeichnet wurde, und Russland war bereits tief in seiner Pivot-to-Asia-Policy. Dies wurde nicht nur als Reaktion auf die Amerikaner provoziert. Die Führung in Moskau und die Führung in Teheran haben sich in Eurasien umgesehen und erkannt, dass die Zukunft in der Integration Eurasiens als Ganzes liegt. Die Zukunft ist das Kernland und alles drumherum, auch das Randgebiet [rimland – Küstenland]. Was geschieht nun aus amerikanischer Sicht? Sie laufen Gefahr, das Randgebiet zu verlieren, das sie vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg bereits erobert zu haben glaubten. Sie alle greifen auf die gleichen Dinge zurück, die sie immer wieder theoretisch wiederkäuen: Mackinder, Mahan, Spykman*. Das sind die drei, die sie beibehalten: Man kann das Randgebiet nicht verlieren, man kann das Randgebiet benutzen, um gegen das Kernland zu kämpfen. Man kann das Kernland auf keinen Fall verlieren. Jetzt verlieren sie also alle gleichzeitig, vor allem wegen der Aktionen und der koordinierten Aktionen dieser strategischen Partnerschaft Russland-China. Aber ganz wichtig: Die ineinander greifenden strategischen Partnerschaften, denn die strategische Partnerschaft Russland-China spiegelt sich in der Partnerschaft Iran-China und Iran-Russland wider. Diese drei Partnerschaften sind so komplex, weil sie miteinander verflochten sind. Es ist im Grunde derselbe Mechanismus. Und das deutlichste Beispiel, das wir in den letzten 24 Stunden geben können – wir sprechen nachts in Doha – wissen Sie, was gestern Abend um 22 Uhr in Moskau geschah, hören Sie alle zu? Putin hat eine Sondersitzung seiner Crème de la Crème im Verteidigungsbereich einberufen, im Wesentlichen seinen Verteidigungsrat, mit einigen Mitgliedern des Sicherheitsrates. Sonntagabend, 22.00 Uhr. Normalerweise passiert sonntagabends um 22.00 Uhr in Russland oder irgendwo anders nichts, und wen haben sie angerufen? Den iranischen Botschafter in Moskau! Sehen Sie sich also das Ausmaß der Sache an! Sie waren sich sofort bewusst, dass die Raisi-Situation äußerst heikel war, unabhängig davon, ob es ein Unfall war oder nicht. Wir wissen es immer noch nicht. Was ich vor wenigen Minuten von Leuten in Teheran gehört habe, ist Folgendes: Alle in Teheran, alle an der Spitze, sagen: „Es war ein Unfall.“ Aber wir wissen nicht, was das genau bedeutet. Vielleicht war es kein Unfall, vielleicht wollen sie nicht ins Detail gehen, vielleicht warten sie die Ermittlungen ab. Wahrscheinlich ist das der Punkt: Sie werden die Ermittlungen abwarten. Sie wollen keine zusätzlichen Spannungen erzeugen. Die Russen wussten das wahrscheinlich schon 10 Minuten, nachdem sie vom Verschwinden des Hubschraubers und der Tatsache erfahren hatten, dass die beiden anderen Hubschrauber nicht verschwunden waren und genau dieselbe Route geflogen sind. Da haben wir also an einem Tisch – Achtung – den neuen russischen Verteidigungsminister, wir haben den Chef der Streitkräfte, den Generalstabschef Gerassimow, wir haben Schoigu, den ehemaligen Verteidigungsminister, der jetzt Sekretär des Sicherheitsrates ist, wir haben einen von Putins Top-Beratern, wir haben die Minister, die für Hilfe zuständig sind, intern und extern, alle Arten von Infrastrukturhilfe und für den Fall, dass der Iran Entsprechendes sagt, was Russland sofort schicken könnte, um dem Iran bei der Suche nach Raisis Hubschrauber zu helfen, und wir haben den iranischen Botschafter in Moskau. Das ist extrem wichtig, vor allem aus einem Grund: Das war Putins Botschaft direkt an die gesamte Führung in Teheran, die im Wesentlichen lautete – und ich werde mich hier sehr kurz fassen –, dass wir euch den Rücken freihalten, was auch immer passiert. Ihr könnt auf uns zählen! Das ist ein Teil unserer strategischen Partnerschaft. Wir wissen, dass dies ein sehr, sehr, sehr ernster Moment für Sie ist. Wir wissen, dass es viele der üblichen Verdächtigen gibt, die davon profitieren könnten, den Iran ab heute Abend zu destabilisieren. Wir sind also an Ihrer Seite und Sie können auf uns zählen! Dies ist äußerst wichtig. Es beweist Ihnen allen, wie tief diese strategische Partnerschaft ist. Dies ist ein Treffen, das normalerweise nie stattfindet. Aber es hat stattgefunden, und die Botschaft dieses Treffens könnte nicht klarer sein, vor allem für die andere Seite, die vielleicht anfängt, Ideen zu haben... Tatsächlich haben viele von ihnen bereits Ideen. „Der Iran wird jetzt ins Chaos stürzen!“ – Nein: Die Kontinuität und die Stärke des iranischen Systems bleiben bestehen. Das ist in der iranischen Verfassung verankert. Der Iran hängt nicht von einer Person oder zwei oder drei Personen ab – nein. Es hängt davon ab, wie das System funktioniert. Ich werde Ihnen allen ein weiteres Beispiel geben: Diesen Dienstag findet in Astana, Kasachstan, das Treffen der Außenminister der SOZ statt. Raten Sie mal, wen der Iran schicken wird? Den Interims-Außenminister Bagheri. Er war die Nummer zwei von Amir-Abdollahian. Was also Abdullahian in Astana getan hätte, Bagheri wird genau dasselbe tun. Das ist Kontinuität, und er wird von allen SOZ-Gesprächspartnern genauso respektiert werden wie Abdullahian. Diese Beispiele sind also äußerst wichtig. Die westliche öffentliche Meinung hat natürlich keine Ahnung, wie das funktioniert. Aber die Russen wissen, wie es funktioniert. Die Iraner wissen, wie es funktioniert, und viele Menschen hier in der Gegend wissen, wie es funktioniert, so wie ich jetzt in Doha bin, wo es dasselbe ist. Ich werde mich mit jemandem treffen, der sich mit westasiatischen Geheimdienstinformationen bestens auskennt, und ich werde viel von ihm lernen. Aber diese Leute verfolgen bis ins Detail alles, was in Russland, im Iran und in ganz Westasien passiert.
Nima R. Alkhorshid:
Der Besuch von Xi in Europa war sehr wichtig. Er hat Frankreich, Serbien und Ungarn besucht, und wenn wir uns Ungarn und Serbien ansehen – was meiner Meinung nach der Hauptgrund für diesen Besuch war –, dann sind das zwei Binnenländer, und die Europäische Union kann sie leicht manipulieren und einfach bezwingen. Wenn wir jedoch die Partnerschaft mit China und den Zugang zum Schwarzen Meer, den Russland ihnen bieten kann, in Betracht ziehen, dann wäre das für diese beiden Länder in Zukunft von großem Nutzen. Können Sie sich vorstellen, dass eines dieser Länder oder vielleicht sogar beide in Zukunft den BRICS beitreten? Wie sehen Sie diese Veränderungen, die im östlichen Teil Europas stattfinden?
Pepe Escobar:
Das könnte durchaus passieren, Nima. Sagen wir mal so: Auf mittlere bis lange Sicht. Denn das erste, was passieren sollte, wenn man bedenkt, was die NATO auf den Schlachtfeldern von Nova Rossia erwartet – wieder einmal: Die kosmische Demütigung des gesamten NATO-Systems. Das wird zum Zerfall der NATO führen und in vielen anderen Aspekten auch zum Zerfall der Europäischen Union. Nehmen wir an, beide befinden sich praktisch in einer Sackgasse und vor ihnen steht eine riesige Mauer. Sie fahren schnell und der Absturz wird unvermeidlich sein. Das bedeutet, dass beide Fahrzeuge, die in vielen Fällen nur ein Fahrzeug sind, zerschellen werden. Die Tatsache, dass Ungarn mit praktisch allem, was aus Brüssel kommt, überhaupt nicht einverstanden ist, liegt daran, dass sie genau wissen, wie es funktioniert: Die Befehle kommen aus Washington, sie gehen an die NATO und von der NATO gehen sie an die Europäische Kommission und Orban und die Ungarn sagen: „Schaut, das hat nichts mit uns zu tun und das ist praktisch eine ausländische Einmischung in Ungarn!“ Er ist einer der wenigen Politiker in ganz Europa, die verstehen, wie der Mechanismus funktioniert, und sich sogar lautstark dagegen aussprechen. Der Fall Serbien ist sogar noch komplizierter, weil das Land klein ist und von der NATO völlig umzingelt ist. Wenn China nun den Westen betrachtet, sieht es Europa als eine Reihe von Knotenpunkten an, an denen es seine... Es ist wie bei einem Go-Spiel. Wenn man Go spielt: Diese kleinen schwarzen Kugeln, man bekommt einen Knotenpunkt – man umzingelt den Knotenpunkt und kann – sagen wir es mal so – diesen Knotenpunkt für sich erobern. Wir sprechen hier nicht davon, dass China Knotenpunkte in Europa erobert. Aber China erobert definitiv Soft Power, indem es in wichtige Knotenpunkte in Europa investiert, und diese Knotenpunkte werden nicht nur für die eigene interne Entwicklung, sondern auch für den grenzüberschreitenden und kontinentübergreifenden Handel mit China von großem Nutzen sein. Und Ungarn und Serbien, zwei dieser Knotenpunkte, sind sehr, sehr wichtig. Griechenland ist ein weiterer. In Italien gab es einige sehr wichtige Knotenpunkte in den Häfen. Sie bestehen noch immer. Ich war zum Beispiel erst vor einer Woche im Hafen von Triest, der sich selbst als Freihafen betrachtet, und das ist eine sehr, sehr lange Geschichte. Es ist eine fantastische Geschichte. Man hat mir viele Dokumente vorgelegt, die belegen, dass Triest praktisch eine unabhängige Republik ist, die dann, sagen wir mal, vom italienischen Staat übernommen wurde, und die Chinesen sind im Hafen von Triest sehr präsent und werden nicht verschwinden. Sie werden versuchen, ihre Beteiligung am Betrieb des Hafens von Triest zu erhöhen, der für den Handel Chinas mit dem Mittelmeerraum und Teilen Osteuropas ein wichtiger Adriahafen ist. Das ist es also, was die Chinesen am besten können: Sie bauen ihre offizielle Seidenstraße und ihre inoffiziellen Seidenstraßen-Knotenpunkte in der ganzen Welt aus. Was sie in Afrika tun, was sie in Teilen Lateinamerikas tun, was sie in ganz Zentralasien tun, und was sie auch in Osteuropa tun.
Nima R. Alkhorshid:
Was China und Russland tun unterscheidet sich grundlegend von dem, was wir bisher jahrzehntelang vom Westen gesehen haben. Es scheint, dass China verstanden hat, dass diese Länder, Afrikaner, Osteuropäer, im Nahen Osten, wenn sie in Bezug auf ihre Infrastruktur und ihre Wirtschaft wachsen, dies letztlich ein Vorteil für China und Russland sein würde. Es scheint sich um eine langfristige Strategie zu handeln, aber sie tun dies Schritt für Schritt.
Pepe Escobar:
Natürlich ist es eine langfristige Strategie. Wie organisieren Sie das System der internationalen Beziehungen und den internationalen Handel geoökonomisch? Es ist eine geoökonomische Strategie. Die Chinesen haben die Belt and Road Initiative bereits vor 11 Jahren ins Leben gerufen. Das war im Jahr 2013. Die ursprüngliche Idee kam aus Russland. Die ursprüngliche Idee, Jahre zuvor... Und Putin hat es ausdrücklich gesagt: „Lasst uns eine riesige Freihandelszone von Lissabon bis Wladiwostok einrichten!“ Das war die Keimzelle dessen, was die Chinesen später als die neue Seidenstraße entwickelt haben, die, wenn wir nur Eurasien betrachten, eine Freihandelszone zwischen Shangai und [Xiamen?] bis nach Madrid wäre. Das ist genau das Gleiche. Und natürlich aus chinesischer Sicht, weil sie die geoökonomische Feuerkraft und diese enormen Mittel haben. Afrika-Eurasien, und auch Lateinamerika-Eurasien. Es ist also fast global. Die neuen Seidenstraßen umfassen mindestens 80 % des Planeten, und die Russen haben einige Jahre später, nach 2013, das Konzept der „Greater Eurasia“ Partnerschaft entwickelt, das ein offizielles Konzept in Russland ist, und einer der Ideengeber war Sergei Karaganow. Ich hatte das Vergnügen, mit Karaganow Ende 2018 in seinem Büro in Moskau zu sprechen, und dies war der letzte Schliff der Greater Eurasia Partnerschaft, die kurz davor stand, offiziell grünes Licht zu bekommen... Nicht grünes Licht... Aber der Kreml fing an, sie direkt als offizielle russische Politik zu bezeichnen. Es ist also im Wesentlichen dasselbe. Die Eurasische Partnerschaft und die Seidenstraßen sind eine geoökonomische Integration von Handel und Gewerbe, die auch geopolitisch ist, weil sie das System verändert, das immer auf die Kommunikationslinien und die Kommunikationskanäle und die maritimen Kommunikationskanäle ausgerichtet ist, die von der Hegemonialmacht kontrolliert werden. Zum Beispiel: Wenn wir einen internationalen Nord-Süd-Transportkorridor haben: Russland, Iran, Indien... von Russland, den ganzen Weg nach Astrachan, über das Kaspische Meer und dann hinunter zum Persischen Golf und dann hinunter nach Mumbai. Was überspringt man dabei? Den Suez-Kanal, der im Wesentlichen von den Amerikanern kontrolliert wird. Dies ist ein anschauliches Beispiel dafür, wie sich das gesamte Muster der internationalen Handels- und Wirtschaftsbeziehungen nach und nach verändert. Und das wird uns später zu der Möglichkeit der Einführung des Petro-Yuan führen – mittel- bis langfristig. Einer der Hauptgründe, Saudi-Arabien an den BRICS-Tisch zu bringen, ist die Tatsache, dass Russland, China, Iran und Indien mit Saudi-Arabien diskutieren: „Okay, lasst uns versuchen, ein anderes Muster von Handelsbeziehungen zu etablieren.“ Und früher oder später wird man sich vom US-Dollar verabschieden müssen. Und MBS ist kein Narr. Er mag ein sehr komplizierter Charakter sein. Aber er ist kein Narr. Er weiß, was auf dem Spiel steht. So wird also die ganze Sache, das ganze Schachbrett in Echtzeit ständig verändert, insbesondere durch diese beiden Hauptakteure. Der Beginn unseres Gesprächs, wie Sie unser Gespräch begonnen haben: Es geht darum, was Russland und China gemeinsam tun, was sie gemeinsam überlegen und was sie dann versuchen, ihren wichtigsten Partnern überall zu erklären. Sie werden dies morgen in Astana auf dem SCO-Treffen, dem Treffen für Außenbeziehungen, erörtern. Sie werden in den nächsten Monaten in Moskau auf dem BRICS-Ministertreffen diskutieren, das für den Fahrplan zum Gipfel in Kasan im Oktober und sogar für 2025 äußerst wichtig sein wird. Wenn man also diese Stärke und Tiefe der Planung sieht, der langfristigen Planung, dann geht es Schritt für Schritt weiter: Das ist in jedem einzelnen Dossier extrem kompliziert. Aber sie haben bereits damit begonnen, und die Partner sind eifrig dabei, neue Ideen zu entwickeln usw. Die Afrikaner: Jedes Mal, wenn die Afrikaner nach Moskau kommen, sind sie voller Ehrfurcht, weil sie sagen: „Seht mal, wir bauen gemeinsam etwas Neues auf, und ihr helft uns dabei!“ Mit den Chinesen ist es das Gleiche. Seit fast zwei Jahrzehnten investiert China in über 30 bis 35 verschiedene afrikanische Länder: Es ist das Gleiche. Und bald wird dies auch bei einigen Projekten in Lateinamerika der Fall sein, die zwar nicht offiziell Teil von Belt and Road, der neuen Seidenstraße, sind, aber sie werden durchgeführt. Ende dieses Jahres wird ein neuer Hafen in Peru eingeweiht, der ein... Wir können ihn als einen bestimmten Seidenstraßenhafen bezeichnen, weil er Exporte aus Brasilien nach Peru und aus anderen lateinamerikanischen Ländern umfasst, die von diesem Hafen aus bis nach Shanghai gehen. Und raten Sie mal: Der Hauptverwalter des Hafens ist Chinese. Wenn man das also alles zusammennimmt, ist es fantastisch. Es ist, als würde man ein 3D-4K-Go-Spiel auf einem Bildschirm von der Größe des Planeten vor sich sehen, und das macht es für uns alle so spannend. Und natürlich wissen wir um die Gefahren, die dazwischen lauern.
Nima R. Alkhorshid:
Ihrer Meinung nach hat Putin mit seiner neuen Regierung einen Wirtschaftswissenschaftler an die Spitze des russischen Verteidigungsministeriums gestellt und Schoigu wurde in seine neue Position befördert... Aber wenn es um Putin geht: Ein Wirtschaftswissenschaftler an der Spitze... Wie sehen Sie das? Welche Bedeutung hat dieser Schritt Putins und warum tut er dies Ihrer Meinung nach?
Pepe Escobar:
Das ist brillant. Es ist ein absolut brillanter strategischer Schachzug, denn er zeigt, dass das russische Verteidigungsministerium und die Art und Weise, wie Russland eine halbmilitarisierte Gesellschaft ist, weil es sich mitten in einem heißen Krieg gegen den gesamten Westen befindet. Einen heißeren Krieg kann man nicht haben. Sie haben einen heißen Krieg an Ihrer westlichen Grenze gegen den gesamten kollektiven Westen, der alles gegen Sie wirft, und die werden weiterhin Monat für Monat mehr Wunderwaffen (sic!) und Geld und was auch immer werfen, Monat für Monat für Monat. Sie brauchen eine halbmilitarisierte Wirtschaft, die von einem Ökonomen geführt wird. Einfacher geht es nicht. Schoigu ist kein Wirtschaftswissenschaftler. Schoigu ist nicht gerade ein brillanter Manager. Okay, viele von Ihnen werden mir da nicht zustimmen. Das ist in Ordnung. Aber wir sollten uns alle darüber einig sein, dass ein Top-Wirtschaftswissenschaftler, der eine halbmilitarisierte Wirtschaft reorganisiert, jetzt die solidesten und kompetentesten Streitkräfte auf dem Planeten hat, die von niemandem konkurrenziert werden. Und wenn wir in den Bereich der Hyperschalltechnologie kommen: Die Russen sind allen anderen weit voraus. Also muss man das alles rationalisieren. Sie brauchen eine Menge Kosten-Nutzen-Analysen. Man muss Sektoren identifizieren, von denen man weiß, dass sie mehr Investitionen oder noch mehr Rationalisierung brauchen, und es gibt nichts Besseres als einen Top-Wirtschaftswissenschaftler, um das zu tun. Das ist absolut sinnvoll, absolut sinnvoll. Die Chinesen haben das klar verstanden, und ich bin sicher, die Iraner auch. Sie haben es nicht öffentlich geäußert, zumindest noch nicht. Aber ich bin sicher, dass sie verstehen, was das bedeutet, auch im Hinblick auf die militärische Zusammenarbeit zwischen Russland und dem Iran.
Nima R. Alkhorshid:
Ja. In der Schweiz gibt es eine neue Diskussion, einen neuen Gipfel über die Ukraine und die Vorgänge in der Ukraine und Russland. Die haben Russland nicht eingeladen. Hier in Brasilien hat Lula gesagt, er werde nicht teilnehmen. Er wird nicht dabei sein, weil Russland nicht dabei ist. Und der südafrikanische Staatschef hat dasselbe gesagt. Wir wissen immer noch nicht, ob die Chinesen einen Vertreter zu diesem Gipfel schicken werden oder nicht. Aber es ist unglaublich, die Ignoranz des Westens und warum sie Russland das antun, denn bisher haben sie von dieser Feindseligkeit gegenüber Russland nicht profitiert. Aber es scheint, als würden sie noch einen draufsetzen. Wie können sie ohne Russland irgendeine Art von Ergebnis aus diesem Gipfel herausholen?
Pepe Escobar:
Es wird kein Ergebnis geben, Nima. Dies ist eine PR-Aktion. Sie können die Menschen täuschen, die bereits in dem, was ich NATOstan nenne, getäuscht wurden – der gesamte Raum: Nordamerika bis Westeuropa und Osteuropa – sie können Einfaltspinsel täuschen. Sie können Menschen täuschen, die ihre Informationen aus den Mainstream-Medien beziehen. Aber diese Menschen sind bereits verloren, weil sie wie Zombies leben. Die Menschen, auf die es wirklich ankommt, sind Menschen, die Entscheidungen treffen. Die lassen sich nicht täuschen: der globale Süden, die globale Mehrheit lässt sich nicht täuschen. Jeder weiß, dass es sich bei der Regierung in Kiew seit dem 20. Mai um eine illegitime Regierung handelt, die rechtlich durch nichts gestützt wird und illegal ist. Sie sind an der Macht, weil sie beschlossen haben, dass sie an der Macht bleiben werden. Nichts – es gibt kein einziges Stück Papier, das diese ganze Versammlung von Gangstern ab dem heutigen 20. Mai stützt. Was Medwedew also heute Morgen in einem seiner Beiträge gesagt hat, wenn ich mich nicht irre, ist sehr, sehr lustig: „Okay, wer auch immer die Bande von Gangstern ist, die dort drüben sitzt, für uns ist das irrelevant.“ Und das ist es auch. Ob es nächste Woche oder in zwei Wochen eine andere Gangsterbande geben wird oder ob sie Zelensky unter den Bus werfen oder nicht: Aus russischer Sicht spielt das keine Rolle. Und für den Westen wird es noch schlimmer, denn es ist etwas passiert, das es vorher nicht gegeben hat: Das System in Russland, der Sicherheitsrat, Präsident Putin, Lawrow als Außenminister, sie haben alles versucht und jetzt haben sie endgültig die Geduld verloren. Es ist ihnen egal. Die Botschaft, die jetzt kommt, ist eigentlich keine Botschaft mehr, sondern sie sagt dem Westen ganz offen: „Seht her, es ist uns egal! Was immer ihr auch tut, es ist uns egal. Wenn ihr über die Ukraine diskutieren wollt, müsst ihr euch an unsere Bedingungen halten. Der Krieg in der Ukraine endet, wenn wir es sagen, und das Einzige, was noch zu besprechen ist, ist die Art und Weise der Aufteilung des Terrains, was nicht nur die Überstellung der Gangsterbande in Kiew, sondern der gesamten NATO sein wird. Das war's.“ Und das ist der unaufhaltsame Hochgeschwindigkeitszug – sagen wir es auf Russisch – und es gibt nichts, was diesen Zug anhalten kann. Man kann diesen Zug nicht mehr entgleisen lassen. Es wird ernsthafte Versuche geben, eine wirklich harte russische Reaktion zu provozieren, oder in den Gedanken des kollektiven Westens dazu zu bringen, Unruhe in Russland zu stiften. Und ich würde sagen, dass die größte Sorge für uns alle ein möglicher Angriff auf die Brücke von Kertsch in diesem Sommer ist, der bereits angekündigt wurde, im Voraus angekündigt. Es wird also zwischen Juni und Juli einen ernsthaften Angriff auf die Brücke von Kertsch geben, und was wir von einigen unserer sehr guten Quellen gehört haben, die sehr lakonisch in ihrer Weisheit sind, aber manchmal in ein oder zwei Worten sagen... Wissen Sie, Ozeane sind in diesen Worten enthalten: Die Reaktion, wenn Kiew und die NATO oder beide etwas gegen die Russische Föderation und speziell gegen Kertsch unternehmen, wird das sein, was viele schon seit einer ganzen Weile erwartet haben. Denn das ist eine rote Linie für den Bären, und die Russen haben es die ganze Zeit gesagt: „Seht her! Überlegt euch sehr genau, ob ihr strategische Ziele, im Wesentlichen zivile Ziele, innerhalb der Russischen Föderation angreift!“ Sie hören nicht zu. Sie verdoppeln den Druck. Also, okay, die Antwort wird diesmal sein... Ich habe das am Wochenende von einer wirklich guten Quelle gehört: Erwarten Sie, dass dies die verheerende Antwort sein wird, die viele Menschen, nicht nur in Russland, sondern in ganz Eurasien, die bereits die Nase voll haben, gefordert haben. Und die Provokation wird kommen. Das ist sicher. Es könnte eine Operation unter falscher Flagge sein. Es könnte ein direkter Angriff mit einer Menge SCALP- und Storm Shadow-Raketen sein, mit maritimen Drohnen, mit der neuen Wunderwaffe (sic!) F16, wie auch immer die Konfiguration aussieht. Wenn es einen solchen Angriff gibt, machen Sie sich bereit! Und danach sind natürlich alle Wetten ungültig. Ja, niemand von uns kann sagen, was als Nächstes passieren könnte, was etwas Unvorstellbares sein könnte. Wir stehen also immer kurz davor, dass etwas sehr, sehr Ernstes passiert, zumindest bis zum Ende dieses Jahres und natürlich im nächsten Jahr, je nachdem, wer im Weißen Haus sitzen wird. Die würden das Narrativ ein wenig ändern, denn China wird zur existenziellen Bedrohung Nummer eins. Aber natürlich wird die Ukraine nicht von einem Tag auf den anderen verschwinden. Für die Führung in Moskau ist es also schwierig, genau abzuwägen, wie sie auf dem Schlachtfeld vorgehen will, wo sie hingeht, wo sie sagen kann: „Okay, das war's.“ Wann ist zu entscheiden: „Okay, wir hören auf und warten natürlich weiter auf eine Art Okay.“ Ich würde sagen, Fragmente von Dialogen aus den anderen Teilen, die nicht kommen werden. Man muss also all diese Dinge gleichzeitig und nonstop managen. Das ist äußerst komplex, ebenso komplex wie die Bewältigung unseres Übergangs zu einer multipolaren geoökonomischen und geopolitischen Welt.
Nima R. Alkhorshid:
Ja. Ich denke, wie Sie schon sagten, ist die Situation so gefährlich und ernst, weil Russland zum ersten Mal über nicht-strategische Atomwaffen und eine Beteiligung der Marine spricht. Das sind wirklich ernste Anzeichen, die aus Russland kommen, von denen sie früher nicht gesprochen haben. Das zeigt, wie ernst die Lage im Moment ist. Gleichzeitig haben wir gehört, dass ein Mitglied des deutschen Bundestages davon gesprochen hat, dass Polen und Rumänien das NATO-Luftverteidigungssystem einsetzen und alles im westlichen Teil der Ukraine beschießen sollten, und wir wissen, dass die letzten Tage des Krieges gegen Nazi-Deutschland die blutigsten Tage waren und glauben Sie, dass wir das im Fall der Ukraine auch erleben werden?
Pepe Escobar:
Könnte sein. Und genau das ist das Problem, Nima. Das ist das Worst-Case-Szenario, das, so würde ich sagen, immer zu den drei wichtigsten möglichen Szenarien gehört, sogar in diesem Jahr und von diesem Jahr bis 2025. Denn aus psychologischer Sicht und aus der Psychologie der Psychopathen, mit denen wir es bei den führenden politischen Eliten in der gesamten NATO zu tun haben, ist es absolut unmöglich zuzugeben, dass sie bei jedem Projekt gescheitert sind, dass sie bei allem gescheitert sind, was sie geplant haben. Sie haben über 10 Jahre lang geplant und sind auch auf dem Schlachtfeld gescheitert. Sie haben geoökonomisch versagt. Jetzt werden sie von der ganzen Welt als Paria angesehen, buchstäblich. So wie die globale Mehrheit die NATO-Staaten als Ganzes als Paria-Staaten betrachtet. Kanada ist ein Pariastaat. Frankreich und Großbritannien sind Pariastaaten und selbst der Hegemon ist in den Augen von 87%, 88%, 89% der Weltbevölkerung ein Pariastaat. Das ist eine Tatsache, und davon werden sie sich nie wieder erholen, zumal sie die Bewaffnung und Rechtfertigung eines Völkermordes in Gaza ermöglichen. Mit all dem: Das war's! Wissen Sie, die Linien könnten eigentlich nicht klarer sein. Was bleibt ihnen also übrig? Einen heißen Krieg zu provozieren, einen riesigen heißen Krieg, in dem sie natürlich die ersten sein werden, die aufhören zu existieren, wenn sie das tun. In ihren Köpfen haben sie aber: „Nein! Wir sind geschützt!“ Was auch immer derselbe Mist ist, den... Sie versuchen die ganze Zeit, sich selbst von diesem Mist zu überzeugen. Der Schlüssel auf menschlicher Ebene, die Unmöglichkeit, dass sich vernünftige Menschen an einen Tisch setzen und diskutieren, was die Grundlage der Diplomatie, wie wir sie kennen, ist, existiert nicht mehr. Die kennen nur noch Drohungen, Sanktionen und organisierte Szenarien, mit denen sie ihrer Meinung nach ihre Feinde in die Schranken weisen oder ihre Feinde von außen oder noch besser von innen destabilisieren können. Eine der wichtigsten Lehren, die diese Leute aus dem Vorfall mit Raisis Hubschrauber ziehen, ist die, wie man das Ganze nutzen kann, um den Iran zu destabilisieren. Das ist das Einzige, was für sie zählt. Etwas anderes gibt es nicht. Wir könnten eine Liste dieser letzten Wochen mit einer Reihe von Zufällen und Zielen erstellen und sie als freiwillig, unfreiwillig, zufällig, nicht so zufällig, auf eine sehr fragwürdige Weise usw einteilen. Bei den Zielen handelt sich zufällig um Akteure, die genau wissen, was Russland und China tun, oder die Russland und China verteidigen, oder die im gleichen Lager wie Russland und China sind, oder die direkt/indirekt oder im Hintergrund von China geschützt werden. Das wird also nicht verschwinden. Ganz im Gegenteil. Es ist Teil des aktuellen hybriden Krieges, der jetzt ein heißer hybrider Krieg ist. Das Einzige, was diesen Eliten bleibt, ist: „Okay, lasst uns versuchen, jeden zu destabilisieren, jeden, überall!“ Das war‘s. Eine Reihe von Versuchen von Farbrevolutionen, Anschlägen auf politische Führer, um Mini-Hybridkriege und Mini-Farbrevolutionen zu provozieren, wo immer sie können, und um wichtige Leute, die gegen sie sind, im Gefängnis zu halten, wie zum Beispiel Imran Khan in Pakistan. An diesem Punkt sind wir also angelangt, und natürlich wissen Russland und China das ganz genau. Wir kommen zurück auf das Treffen, das Putin mit seinem Verteidigungsteam und dem iranischen Botschafter in Moskau hatte. Sie wissen genau, was vor sich geht. Zumindest wissen sie es also. Was sie natürlich nicht vorhersagen können, ist, wo das nächste Ereignis stattfinden wird und wer das nächste Ziel sein wird.
Nima R. Alkhorshid:
Es scheint, als wüssten wir zumindest, dass es in Georgien gerade ein solcher Zufall stattfindet und...
Pepe Escobar:
Ja, genau, in Georgien gibt es gerade einen Zufall.
Nima R. Alkhorshid:
Wir wissen, dass in Georgien ein Gesetz im Parlament verabschiedet wurde, ein Gesetz über ausländische Agenten. Das Parlament hat dieses Gesetz verabschiedet und die georgische Präsidentin hat ihr Veto dagegen eingelegt. Gleichzeitig gab es Proteste auf den Straßen, und es ist erstaunlich, dass die Außenminister von Lettland, Litauen und Estland an diesen Protesten in Georgien teilnehmen. Wie gefährlich ist das und warum tun sie das in einem fremden Land und als Außenminister... Es ist so erstaunlich. Warum tun sie das Ihrer Meinung nach? Das ist direkt vor unseren Augen! Sie machen eine Farbrevolution! Ich weiß nicht, wie wir das anders nennen können...
Pepe Escobar:
Nennen wir es die baltische Chihuahua-Farbrevolution, Nima, denn die baltischen Chihuahuas haben nichts Besseres mit ihrem Leben anzufangen. Das sind drei mega unbedeutende Stücke Land, nicht sehr weit von St. Petersburg entfernt. Also steigen sie in ein Flugzeug, fliegen nach Georgien und unterstützen eine Farbrevolution, die eindeutig von den Amerikanern angezettelt, organisiert und finanziert wird. Das ist das einzige, was sie zu tun wissen. Nun gut. Warum gehen Sie nicht über die Grenze? Warum gehst du nicht nach Russland? Warum versuchst du nicht, eine Farbrevolution in Russland anzuzetteln? Ihr verwandelt euch in fünf Minuten in Hühnchen-Kiew, ihr alle. Baltische Chihuahuas. Es ist also ein Scherz. Sie sollten nicht einmal als ernstzunehmende Spieler betrachtet werden, weil sie es nicht sind. Aber natürlich spielen sie eine Rolle in der Organisation der NATO, so wie die Amerikaner sie sich für die Zukunft vorstellen, und ich würde sagen, das ist sogar die parteiübergreifende Ansicht in Washington. Sie wollen eine NATO, die im Wesentlichen von ihnen kontrolliert wird, die sie natürlich auch weiterhin kontrollieren. Aber die Hauptakteure werden London, Warschau und die baltischen Chihuahuas sein... denn wenn das Projekt Ukraine zusammenbricht, ist die Ukraine nicht mehr im Spiel. Es bleiben ihnen also nur London, Warschau und die drei Chihuahuas. Natürlich haben sie die Chihuahuas benutzt, um Farbrevolutionen im postsowjetischen Raum anzuzetteln, was jetzt in Georgien geschieht, und da das Projekt Ukraine gescheitert ist, sind wir wieder beim Projekt Georgien, das natürlich nie von der Bildfläche verschwunden war. Es war nur im Hintergrund. Jetzt ist es also wieder da. Es ist so... Wir müssten müde alle sein, denn wir haben es immer mit demselben Haufen Idioten zu tun, die immer wieder dieselben Dummheiten machen. Das Problem ist natürlich, dass dies riesige Regionen, ganze Bevölkerungen, ernstzunehmende Regionen in mehreren Knotenpunkten des Planeten betrifft, und die Folgen von all dem sind schrecklich, und wir können dem nicht entkommen. Wir können es nicht einmal verhindern, was vor allem die Russen, mehr noch als die Chinesen, gerne tun würden. Aber es ist unmöglich. Man bräuchte 20 russische Verwaltungen mit 20 Verteidigungsteams, um das alles zu verhindern, und mit den Millionen von Informanten, die vor allem im postsowjetischen Raum verstreut sind, könnte man das.
Pepe Escobar
Journalist und geopolitischer Analyst – Pepe's Telegram: https://t.me/rocknrollgeopolitics / realpepeescobar Pepe's new book: https://a.co/d/270W352
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* Anmerkung des Transkribierers und Übersetzers:
Die Ideen dieser drei einflussreichen geopolitischen Denker:
Halford Mackinder: Halford Mackinder war ein britischer politischer Geograph, der für seine Arbeiten zur Geopolitik bekannt ist. Er vertrat die Auffassung, dass die Welt in zwei Schlüsselregionen unterteilt ist: Heartland (Kern- oder Herzland): Diese riesige Landmasse in der Mitte Eurasiens galt als das strategisch wichtigste Gebiet. Mackinder glaubte, dass derjenige, der das Kernland kontrolliert, die Welt beherrschen würde. Maritime Länder (Rimland): Dies waren die Küstengebiete, die das Kernland umgaben. Mackinder zufolge war das Rimland von entscheidender Bedeutung für die Kontrolle des Kernlandes und damit auch für die globale Machtdynamik. Sein berühmtes Zitat bringt diese Idee auf den Punkt: „Wer das Kernland kontrolliert, beherrscht Eurasien; wer Eurasien beherrscht, kontrolliert die Geschicke der Welt.“
Alfred Thayer Mahan: Mahan war ein amerikanischer Marineoffizier und Historiker. Er betonte die Bedeutung der Seemacht für die Gestaltung des Weltgeschehens. Im Mittelpunkt seiner Theorie stand das Konzept, dass die Kontrolle der Meere für die globale Vorherrschaft unerlässlich ist. Er war der Ansicht, dass eine starke Marine und die Kontrolle über die wichtigsten Seewege entscheidend für den Wohlstand und die Sicherheit einer Nation sind. Mahans Ideen beeinflussten die Marinestrategien und -politiken, insbesondere im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert.
Nicholas John Spykman: Spykman, Professor für internationale Beziehungen an der Yale University, vertrat das Konzept des Rimland. Er kritisierte Mackinders Konzentration auf das Kernland und vertrat die Ansicht, dass die dicht besiedelten Küstengebiete (Rimland) für die Kontrolle Eurasiens wichtiger seien. Wer das Rimland kontrolliert, kontrolliert Eurasien, und wer Eurasien kontrolliert, kontrolliert die Geschicke der Welt", so Spykman. Er glaubte, dass das Rimland, das Eurasien umgibt, strategisch wichtiger sei als das Heartland. Spykmans Vision beeinflusste die „Eindämmungspolitik“ der Vereinigten Staaten in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, insbesondere in ihren Beziehungen zur Sowjetunion.
Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=Uz5m3QTyRqs