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Analysen: 13.-20.8.23: Pierre Lévy: In der EU grassiert die Armut/ Schweiz: «Wer hier mitmacht, ist Kriegspartei»/ Thierry Meyssan: Afrika befreit sich/ Katastrophe in Libyen/ Niki Vogt/ Pepe Escobar: In Wladiwostok erhebt sich der russische Ferne Osten

 Verdorrter "Garten Europa" – In der EU grassiert die Armut
Immer mehr, immer mehr, immer mehr: Obdachlosenquartier in der Nähe des Berliner Hauptbahnhofs im April 2023
 

Eine Studie folgt der anderen. Sie ähneln sich alle und bestätigen den unaufhaltsamen Anstieg von Prekarität und Armut. Dies gilt für die Länder der Europäischen Union (die doch schon 1958 in den Römischen Verträgen versprachen, Wohlstand und Wohlergehen zu sichern ...). Die reichsten Mitgliedstaaten, darunter Frankreich, sind keineswegs verschont geblieben.

Dies hat eine Umfrage ergeben, die vom SPF, einer der größten französischen Wohltätigkeitsorganisationen, in Zusammenarbeit mit dem Meinungsforschungsinstitut Ipsos kürzlich in zehn europäischen Ländern (davon sieben in der EU) durchgeführt wurde.

Mehrere Zahlen veranschaulichen diese Feststellung auf erschreckende Weise. So geben 29 Prozent der Befragten an, dass sie sich dauerhaft in einer prekären Situation befinden. Und mehr als jeder Zweite (51 Prozent) musste in den letzten sechs Monaten in mindestens einem lebenswichtigen Bereich verzichten: Gesundheit, Ernährung, Heizung. Insbesondere gaben für alle zehn Länder zusammengenommen 37 Prozent der Befragten an, auf bestimmte medizinische Behandlungen verzichtet zu haben. Frankreich und Italien liegen genau auf diesem Niveau. Die gleiche Zahl (36 Prozent) entfällt auf Personen, die auf wesentliche Dinge für ihre Kinder verzichten, wie z. B. Arztbesuche, Schulgebühren, Kleidung oder sogar Mahlzeiten.

Wenig überraschend ist Griechenland eines der Länder, denen es am schlechtesten geht. Seit der Krise 2008 wurden dem Land von den europäischen Oberhäuptern erhebliche Opfer – bei Löhnen, Renten, im öffentlichen Dienst usw. – auferlegt. Die "Troika" – bestehend aus der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds – war damals für die Ausarbeitung der aufeinanderfolgenden Sparpläne und deren Umsetzung durch die nationale Regierung verantwortlich gewesen, die seinerzeit von Alexis Tsipras geführt worden war. Dieser, obwohl als "radikaler Linker" eingestuft, hatte es vorgezogen, sich dem Diktat zu unterwerfen – trotz eines massiven Neins im Referendum im Juli 2015 –, damit das Land in der Eurozone bleiben konnte. Auch heute noch, neben den Opfern in den wesentlichen Lebensbereichen, geben 60 Prozent der Befragten in Griechenland zu, dass sie sich an Verwandte wenden, um sich Geld zu leihen oder schenken zu lassen. Und 75 Prozent geben an, dass sie sich bei ihren Transportbedürfnissen einschränken.

Die Heimat von Sokrates war eines der ersten Länder, in denen die Mittelschicht von Entbehrungen betroffen war. Dieses Phänomen breitet sich mittlerweile in ganz Europa aus, heißt es in der SPF-Studie. Und auch Frankreich bleibt nicht verschont. So behaupten 58 Prozent der befragten Franzosen, dass sie befürchten, in absehbarer Zeit in prekäre Verhältnisse zu geraten. Und 45 Prozent sehen sich in Schwierigkeiten, medizinische Behandlungen zu bezahlen. Schließlich können sich 32 Prozent keine gesunden Lebensmittel in ausreichender Menge für drei Mahlzeiten am Tag leisten. Fleisch ist der größte Posten, der geopfert wird, aber auch der Kauf von frischem Obst und Gemüse ist schwer betroffen.

Und all diese Indikatoren haben sich seit der letzten Erhebung verschlechtert. Dies ist natürlich keine Überraschung angesichts der galoppierenden Inflation der letzten 18 Monate, einer Inflation, die alle Länder der Eurozone trifft. In ihrer Rede am 13. September versuchte die Präsidentin der Europäischen Kommission zu betonen, dass sich die Inflation seit dem Höhepunkt im Oktober 2022, als sie 10,6 Prozent erreicht hatte, verlangsamt habe. In Wirklichkeit betrug die Quote im August 2023 immer noch 5,3 Prozent und lag damit weit vor den Lohn- und Rentenerhöhungen.

In einigen Ländern sind es die Gesundheitsausgaben, die die privaten Haushaltsbudgets am stärksten belasteten, in anderen die Energiepreise. In Frankreich waren die Lebensmittelpreise 2022 im Vergleich zu 2021 um 22 Prozent in die Höhe geschnellt. Dieses jährliche Tempo dürfte sich laut Prognosen für diesen Sektor für 2023 auf plus 11,8 Prozent belaufen.

Natürlich hat die Europäische Union keine Ausschließlichkeit in Bezug auf Armut und prekäre Lebensverhältnisse. Diese richten auf allen Kontinenten verheerende Schäden an. Aber einerseits sollte die EU die Bürger vor der Härte der Globalisierung "schützen". "Vereint sind wir stärker und wohlhabender" bleibt einer der beliebtesten Slogans der Befürworter der europäischen Integration.

Andererseits und insbesondere tragen die Grundsätze und die Politik der EU, die ihre DNA ausmachen, massiv zur Verarmung der Völker bei, angefangen beim freien Kapitalverkehr und der Unterstützung des Prinzips des globalen Wettbewerbs.

Darüber hinaus besteht die Brüsseler Wirtschafts-"Governance" aus Regeln und Mechanismen, die darauf abzielen, Sparmaßnahmen zu erzwingen – und das nicht nur für die Griechen. Der Stabilitätspakt – dessen Zweck es ist, das Überleben des Euro zu sichern – ist das bekannteste Instrument. Er wurde nach dem Post-COVID-Wirtschaftsdebakel vorläufig ausgesetzt und soll in den nächsten Monaten wieder in Kraft treten. Die Diskussionen über eine Reform, die ihn theoretisch flexibler machen sollte, kommen nur schleppend voran. Selbst wenn sie zu einem Ergebnis führen, besteht keine Chance, dass dies in Richtung einer Belebung der Kaufkraft der Haushalte geht.

Die privaten Haushalte, angefangen bei denen am unteren Ende der Skala, sind also noch nicht am Ende ihrer Bemühungen angelangt. Sie können sich aber immer damit trösten, die Großzügigkeit der EU in einem bestimmten Bereich zu betrachten: der Unterstützung für die Ukraine.

Seit dem Ausbruch des Krieges haben die EU und ihre Mitgliedsstaaten insgesamt mehr als 77 Milliarden Euro an Hilfsgeldern gezahlt. Eine pharaonische Summe, die makroökonomische, humanitäre und militärische finanzielle Unterstützung umfasst. Für den ersten Posten hat die Kommission im Juni ein neues Manna von 50 Milliarden für den Zeitraum 2024–2027 vorgeschlagen.

Die militärische Unterstützung für Kiew hat sich seit Februar 2022 bereits auf 5,6 Milliarden Euro summiert. Hinzu kommen mindestens zehn Milliarden Euro an direkten Waffenlieferungen aus den einzelnen Mitgliedstaaten auf bilateraler Basis. Und hierbei handelt es sich nur um offizielle Zahlen.

Wer sagt, dass die EU nur Sparmaßnahmen durchführt?

Mehr zum Thema - Eurozone ist "sicher gelandet" – in der Rezession

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Von: Hans Bieri «Wer hier mitmacht, ist Kriegspartei»
Eine harte Kritik am Schweizer Bundesrat  
18. September 2023  - übernommen von globalbridge.ch 19. September 2023

Sie haben die Schweizer Neutralität massiv verletzt: Der Schweizer Bundesrat 2021, vlnr: Viola Amherd, Simonetta Sommaruga, Ignazio Cassis, Guy Parmelain, Ueli Maurer, Alain Berset, Karin Keller-Sutter, Stabschef Walter Thurnherr (Bundeskanzler). (Foto CH admin)

Red.) Am 8. März 2022 hat Christian Müller, Herausgeber der Plattform «Globalbridge.ch», den Schweizer Bundesrat   – die Schweizer Regierung – wegen seinem Entscheid, die EU-Sanktionen gegen Russland vollständig zu übernehmen und damit die Schweizer Neutralität massiv zu verletzen, hart kritisiert. (Sein Kommentar war zuvor schon am 3. März auf der deutschen Plattform «NachDenkSeiten» erschienen.) Leider gab es damals nur wenige ähnliche Stimmen in den Medien. Aber es gab sie – etwas versteckt zum Beispiel als Leserbrief im «Schweizer Bauer» vom 9. März 2022. Die Argumentation von Hans Bieri ist heute so richtig und so aktuell wie damals, weshalb sein damaliger Beitrag hier im vollen Wortlaut wiedergegeben sei. (cm).

Wer bei den Sanktionen gegen Russland mitmacht, ist Kriegspartei. Die Sanktionen beziehen sich auf den Einmarsch russischer Truppen in das Staatsgebiet der Ukraine. Wäre die Schweiz neutral, hätte sie zur Konfliktlösung etwas zu bieten. 

Der Konflikt begann ja nicht erst mit dem russischen Truppeneinmarsch im Februar 2022, sondern vor acht Jahren. Er begann mit dem Putsch in der Ukraine, wo im Ergebnis die historisch ansässige, russisch sprechende Bevölkerung von den demokratischen Rechten ausgeschlossen wurde.

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), damals unter schweizerischer Leitung, war daran, den gesetzlosen Putsch beim Namen zu nennen. Vor allem auch die verachtenswerte Asymmetrie, dass die ukrainische Armee die Wohngebiete der russisch sprechenden Ostprovinzen der Ukraine beschoss, wogegen die aufständischen Verbände der Ostprovinzen die Offensiven der ukrainischen Armee bekämpften. Diese Asymmetrie führte im Laufe von acht Jahren zu 14 000 Toten   – mitten in Europa. Es ist kaum zu bestreiten, dass es der Schweiz, als sie den Vorsitz der OSZE innehatte, auch wegen ihrer Neutralität gelungen ist, ein Abkommen in Minsk auf den Weg zu bringen, um das durch den Putsch ausgelöste Unrecht zu ordnen. Die aussenpolitische Kommission der Schweiz war in der Folge nicht in der Lage, diesen Erfolg weiterzutragen. Minsk II wurde von Frankreich, Deutschland (mit den USA im Hintergrund), von der Ukraine und von Russland unterzeichnet. Dabei ist die OSZE diesen Ländern übergeordnet und nicht deren Sekretariat.

Die Schweiz wäre durch den Neutralitätsstatus in aller Form legitimiert gewesen, diese friedensstiftende und ordnende Rolle nicht aus der Hand zu geben. Diese Aufgabe der Schweiz in Europa hat die aussenpolitische Kommission vertan. Sie ist mental geschwächt und zu wenig eigenständig, weil sie Russland wegen dem Kalten Krieg immer noch aus Europa ausgrenzt und dabei den USA folgt, welche sich massiv in die inneren Angelegenheiten der Ukraine eingemischt und den Putsch in Kiew mit seinen verbrecherischen Folgen zu verantworten haben.

Dieses politische Versagen der schweizerischen Aussenpolitik findet nun seine Fortsetzung in der Preisgabe der Neutralität. Und wie wenn das noch nicht genug der Fehlentscheide wäre, bekennt sich der Delegierte der Schweiz in der OSZE, Andreas Aebi, auf einer ganzen Seite im «Schweizer Bauer» als «Bewunderer» der Kiewer Kriegspartei, welche während acht Jahren die Wohngebiete im eigenen Land beschoss, was bisher vor den Augen der OSZE 14 000 Tote gefordert hat.


Hans Bieri
 
Geschäftsführer «Schweizerische Vereinigung Industrie und Landwirtschaft» (SVIL)

Achtung: Die skandalöse Missachtung der Neutralität durch den Schweizer Bundesrat hat zwischenzeitlich zu einer Neutralitätsinitiave geführt. Sie sollte von möglichst vielen stimmberechtigten Schweizern und Schweizerinnen unterschrieben werden! Zum Unterschriften-Formular hier anklicken.

Quelle: https://globalbridge.ch/wer-hier-mitmacht-ist-kriegspartei/"
Mit freundlicher Genehmigung von Globalbridge.ch

Thierry Meyssan: Die Zurückweisung von Frankreich durch das frankophone Afrika sanktioniert 12 Jahre Verrat

Nichts geschieht zufällig in der Politik. Die Franzosen verstehen nicht, warum französischsprachige Afrikaner sie plötzlich zurückweisen. Sie trösten sich, indem sie Russland finsterer Machenschaften bezichtigen. In Wirklichkeit ernten sie nur die Früchte dessen, was sie in den letzten 12 Jahren gesät haben. Das hat nichts mit Kolonialismus und Françafrique zu tun. Dies ist ausschließlich die Folge, die französische Armee der US-Strategie unterstellt zu haben.

 
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Angesichts der Flut von Regimewechsel im französischsprachigen Afrika sind die französischen Medien fassungslos. Sie können die Ablehnung Frankreichs nicht erklären.

Die alten Geschichten über koloniale Ausbeutung sind nicht überzeugend. Man bemerkt zum Beispiel, dass Paris in Niger Uran abbaut, aber nicht zum Marktpreis, sondern zu einem anderen, lächerlich niedrigen Preis. Die Putschisten haben dieses Argument jedoch nie vorgebracht. Sie reden über etwas ganz anderes. Die Vorwürfe über russische Manipulation sind auch nicht glaubwürdig. Erstens, weil Russland nicht hinter den Putschisten von Mali, Guinea, Burkina Faso, Niger oder Gabun zu stehen scheint, vor allem, weil es das Übel dort schon vor dessen Ankunft gab. Russland kam erst nach seinem Sieg in Syrien im Jahr 2016 nach Afrika, während das Problem mindestens auf das Jahr 2010, wenn nicht sogar auf das Jahr 2001 zurückgeht.

Was die Situation unverständlich macht, kommt wie immer vom Vergessen ihres Ursprungs.

Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 wiesen die Vereinigten Staaten ihrem Vasallen Frankreich eine Rolle in Afrika zu. Es ging darum, die alte Ordnung dort aufrechtzuerhalten, bis das US-AfriCom dort einzieht und das Pentagon die Zerstörung der politischen Institutionen, die es bereits im "Großen Nahen Osten" durchführte, auf den schwarzen Kontinent ausdehnen kann. [1] Allmählich wich dort die republikanische Politik der Stammespolitik. Von einem gewissen Standpunkt aus war es eine Emanzipation von der schwerwiegenden französischen Hilfe, von einem anderen aber, war es für Afrika ein gewaltiger Rückschritt.

Im Jahr 2010 ergriff der französische Präsident Nicolas Sarkozy, wahrscheinlich auf Anraten Washingtons, die Initiative zur Beilegung des ivorischen [Elfenbeinküste] Konflikts. Während sich das Land in einem Stammeskonflikt befand, versuchte eine Operation, die zuerst von der CEDEAO/ECOWAS und dann vom kenianischen Premierminister Raila Odinga, dem Cousin von Barack Obama [2], geleitet wurde, den Rücktritt des ivorischen Präsidenten Laurent Gbagbo zu erreichen. Ihr Problem war nicht Gbagbos autoritäres Regime, sondern die Tatsache, dass er sich von einem unterwürfigen CIA-Agenten in einen Verteidiger seiner Nation verwandelt hatte. Paris intervenierte nach den Präsidentschaftswahlen militärisch, um Gbagbo zu verhaften – angeblich, um einen Völkermord zu verhindern – und ihn durch Alassane Ouattara, einen langjährigen Freund der französischen herrschenden Klasse zu ersetzen. Anschließend wird Laurent Gbagbo vor den Internationalen Strafgerichtshof gestellt, der nach einem endlosen Prozess anerkennen wird, dass er nie Völkermord begangen hat und dass Frankreich daher nicht berechtigt war, militärisch zu intervenieren.

Im Jahr 2011 engagierte Präsident Nicolas Sarkozy auf Anraten Washingtons Frankreich in Libyen. Wieder einmal geht es offiziell darum, einen Völkermord zu stoppen, den ein Diktator an seinem eigenen Volk begangen hätte. Um diese Anschuldigung glaubhaft zu machen, organisiert die CIA, die hinter Frankreich steht, falsche Zeugenaussagen vor dem Menschenrechtsrat in Genf. In New York ermächtigt der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Großmächte zu intervenieren, um das Massaker zu stoppen, das es nicht gibt. Der russische Präsident Dmitri Medwedew schließt seine Augen. US-Präsident Barack Obama wollte, dass das AfriCom endlich seinen Einsatz in Afrika aufnimmt, wo es noch nicht ansässig ist, weil seine Soldaten noch immer in Deutschland stationiert sind.

Aber im letzten Moment weigerte sich der Kommandeur des AfriCom, an der Seite der Dschihadisten gegen Muammar al-Gaddafi zu kämpfen, die doch im Irak gegen seine Kameraden gekämpft hatten (das US-Militär hatte noch immer nicht das Doppelspiel der CIA verstanden, das die Dschihadisten gegen Russland unterstützt, oft zum Nachteil des Westens). Barack Obama appellierte daher an die NATO und vergaß, dass er zuvor versprochen hatte, sie nicht gegen ein Land des Südens zu mobilisieren. Dennoch wurde Muammar al-Gaddafi gefoltert und gelyncht, und Libyen zerstückelt. Die libysch-arabische Dschamahirija, die keineswegs eine Diktatur war, sondern ein Regime, das von den französischen Sozialisten des neunzehnten Jahrhunderts und der Pariser Kommune inspiriert war, war die einzige afrikanische Kraft, die darauf abzielte, Araber und Schwarze zu vereinen.

Gaddafi wollte den Kontinent befreien, so wie er seine Landsleute vom westlichen Kolonialismus befreit hatte. Er bereitete sich sogar darauf vor, mit dem Direktor des IWF, Dominique Strauss-Kahn, eine mehreren afrikanischen Staaten gemeinsame Währung zu testen. Gaddafis Sturz hat seine Feinde aufgeweckt. Wieder wurden Schwarze von Arabern massakriert und versklavt, selbst wenn sie libysche Staatsbürger waren, und zwar vor den unbarmherzigen Augen der westlichen Sieger. Die armen afrikanischen Staaten, die von Libyen wirtschaftlich unterstützt wurden, brachen zusammen, allen voran Mali [3]. Die arabischen Dschihadisten, die die NATO in Tripolis an die Macht gebracht hatte, unterstützten manche Tuaregvölker gegen die Schwarzen. Das Problem hat sich allmählich auf das gesamte Sahel-Afrika ausgeweitet.

Trotz allem, unfähig aus diesen Verbrechen zu lernen, inszenierte der französische Präsident François Hollande einen neuen Regimewechsel in Mali. Im März 2012, als die Amtszeit von Präsident Amadou Toumani Touré zu Ende ging und er nicht mehr zur Wiederwahl antrat, stürzte ihn eine Gruppe von in den Vereinigten Staaten ausgebildeten Offizieren, ohne ihre Tat erklären zu können. Sie unterbrach den laufenden Präsidentschaftswahlkampf und ernannte Dioncunda Traore zum "Übergangspräsidenten". Dieser Taschenspielertrick wurde von der ECOWAS gebilligt... die jetzt unter dem Vorsitz von Alassane Ouattara stand. Es überrascht nicht, dass Übergangspräsident Dioncunda Traore, im Kampf gegen die ihn angreifenden Dschihadisten, Frankreich um Hilfe bat. Die Idee von Paris war, Truppen in Mali zu stationieren, um Algerien, sein eigentliches Ziel, vom Süden her [„von hinten“] angreifen zu können. Das ist die "Operation Serval". Die algerischen Generäle waren sich jedoch wohl bewusst, dass sie die nächsten auf der Liste waren, und unterdrückten daher am 16. Januar 2013 eine Geiselnahme durch Dschihadisten im algerischen Gaskomplex nahe von In Amenas mit aller Härte. Auf diese Weise hielten sie die Franzosen davon ab, gegen ihr Volk zu intervenieren.

Also Frankreich reorganisiert dann sein System, es ist die "Operation Barkhane". Die französische Armee wird ihrem amerikanischen Oberherrn zur Verfügung gestellt. Organisiert wird nun alles durch AfriCom, das immer noch in Deutschland stationiert ist. Die französischen Truppen, die jetzt von Mitgliedern der Europäischen Union (Dänemark, Spanien, Estland, Großbritannien, Schweden und Tschechien) unterstützt werden, zerstören die Ziele, die ihnen von AfriCom angezeigt werden. In dieser ehemals französischen Region hat das französische Militär gute Kontakte zur Bevölkerung, während die Amerikaner mit der Sprachbarriere konfrontiert sind.

An dieser Stelle ist zu bemerken, dass die Operation Barkhane, unabhängig von ihren Ergebnissen, nicht legitim war. Sicherlich, offiziell ist die Sache für den Westen, die Dschihadisten einzudämmen, aber jeder Sahel-Bewohner versteht, dass es dieselben Westmächte sind, die durch die Zerstörung Libyens die Dschihadisten der Region geschaffen haben. Und das ist noch nicht alles.

Die Planungen für den Sahel-Krieg in Marokko am 11. Mai 2022 haben die aktuelle Putschwelle im französischsprachigen Afrika ausgelöst. Nur Marokko ist nicht direkt gefährdet, da es US-Truppen beherbergen soll.

Gehen wir zurück. Erinnern wir uns daran, dass all dies mit dem Wunsch des Pentagons begann, die politischen Strukturen Afrikas mit AfriCom zu zerstören, so wie es begonnen hatte, die des "Erweiterten Nahen Ostens" mit dem CentCom zu zerstören. Am 11. Mai 2022 versammelte die US-Unterstaatssekretärin für politische Angelegenheiten, Victoria Nuland, in Marokko die 85 Teilnehmerstaaten der Koalition gegen Daesch. Sie kündigte ihnen den Rest des Programms an: Die Dschihadisten bauen Daesch in der Sahelzone neu auf. Sie haben Waffen, die offiziell für die Ukraine bestimmt sind. Bald wird die ganze Region nur noch ein riesiges Inferno sein [4]. Im November bestätigte der nigerianische Präsident Muhammadu Buhari den massiven Zustrom von US-Waffen, die ursprünglich für die Ukraine bestimmt waren, in den Händen von Dschihadisten in der Sahelzone und im Tschadseebecken.

Angesichts dieser existenziellen Gefahr haben Soldaten aus Mali, Burkina Faso und Niger die Macht übernommen, um ihre Völker zu verteidigen.

Man muss gut verstehen, dass afrikanische Führer sich seit Jahren über Frankreichs Unterstützung der Dschihadisten beschweren, die es ja bekämpfen sollte. Es geht nicht darum, das französische Militär anzuprangern, sondern die Rolle seiner Geheimdienste, die für die Vereinigten Staaten arbeiten.

Seit Beginn der Operation Serval hatten sich die syrischen Dschihadisten darüber beschwert, von Frankreich zugunsten ihrer Kollegen in der Sahelzone im Stich gelassen worden zu sein. Und Präsident François Hollande musste seine Truppen zurückhalten, während die katarischen Ausbilder der malischen Dschihadisten sich zurückzogen. Der russische Außenminister Sergej Lawrow hatte darüber mit seinem französischen Amtskollegen Laurent Fabius gesprochen, der lachend antwortete: "Das ist unsere Realpolitik!"

Zwischen den Städten Ghat (nahe der algerischen Grenze) und Sabbah (in der Nähe des Niger) in der Fezzan-Wüste, im Süden von Libyen, wurde ein Zufluchtsort von Al-Qaida-Militärlagern gebildet. Laut dem sehr seriösen französischen Canard enchaîné wurden diese Akademien des Dschihadismus von den britischen und französischen Geheimdiensten organisiert.

Interview von Choguel Kokalla Maïga mit RIA-Novosti

Vor drei Jahren, am 8. Oktober 2021, gab der malische Premierminister Choguel Kokalla Maïga RIA Novosti [5] ein Interview, das in der gesamten Region aufgegriffen und kommentiert wurde, aber nicht in Frankreich, wo es niemand außer unseren Lesern kennt.

Yaou Sangaré Bakar, nigrischer Minister für auswärtige Angelegenheiten, Zusammenarbeit und Nigerier im Ausland, schrieb im vergangenen Monat an den Sicherheitsrat (Ref. S/2023/636), dass französische Agenten Terroristen freiließen, die sich in Gefangenschaft befanden. Sie versammelten sich in einem Tal des Dorfes Fitili (28 km nordwestlich von Yatakala), wo eine Planungssitzung mit dem Ziel abgehalten wurde, militärische Stellungen im Dreiländereck anzugreifen. Sechzehn Terroristenführer wurden bei drei Operationen festgenommen, zwei auf nigrischem und einer auf malischem Territorium.

Der Brief von Yaou Sangaré Bakar wirft übrigens wichtige Fragen über die Rolle der ECOWAS auf [6]; Fragen, die nicht neu sind und sich seit dem ivorischen Regimewechsel gestellt haben. Diese internationale Institution hat gerade Sanktionen gegen Niger verhängt und Truppen mobilisiert, um die verfassungsmäßige Ordnung wiederherzustellen. Aber die Statuten der ECOWAS ermächtigen sie nicht, diese Sanktionen zu verhängen, genauso wenig wie die UN-Charta sie ermächtigt, militärisch gegen eines ihrer Mitglieder vorzugehen.

Die Fälle von Guinea und Gabun sind ein wenig anders. Sie sind nicht Tschadseestaaten oder der Sahelzone. Sie sind noch nicht bedroht. Ihre Soldaten rebellierten zunächst gegen autoritäre Regime, das von Alpha Condé in Guinea und Ali Bongo in Gabun. Beide weigerten sich gegen den Willen ihres Volkes, die Macht abzugeben. Doch die Putschisten beider Länder haben die französische Militärpräsenz schnell in Frage gestellt. Ganz einfach, weil sie voraussehen können, ohne Gefahr zu laufen, sich zu irren, dass die französische Armee weder die Interessen der Gabuner noch die der Franzosen, sondern nur die von Washington verteidigen wird.

Ein Krieg wird Jahre im Voraus vorbereitet. Heute liefern die Vereinigten Staaten Waffen, im Schatten des Ukraine Konflikts. Morgen wird es zu spät sein.

In diesem Zusammenhang ist es, gelinde gesagt, überraschend, dass der französische Präsident Emmanuel Macron die Verteidigung der verfassungsmäßigen Ordnung predigt. Zum einen, weil alle diese Staaten in unmittelbarer Gefahr sind, und zum anderen, weil er, indem er die französische Armee in den Dienst der Ambitionen der US-Führung gestellt, selbst seine eigene Verfassung verraten hat.

 

[1Die Rumsfeld/Cebrowski Doktrin“, von Thierry Meyssan , Übersetzung Horst Frohlich , Korrekturlesen : Werner Leuthäusser, Voltaire Netzwerk, 25. Mai 2021.

[2Die afrikanische politische Erfahrung von Barack Obama“, von Thierry Meyssan , Übersetzung Horst Frohlich , Voltaire Netzwerk, 13. März 2013.

[3Der Krieg gegen Libyen ist eine wirtschaftliche Katastrophe für Afrika und Europa“, von Thierry Meyssan , Übersetzung Horst Frohlich , Voltaire Netzwerk, 6. Juli 2011.

[4Ein neuer Krieg bereitet sich für die kommende Niederlage gegen Russland vor“, von Thierry Meyssan , Übersetzung Horst Frohlich , Korrekturlesen : Werner Leuthäusser, Voltaire Netzwerk, 24. Mai 2022.

[6Voltaire, internationale Nachrichten - N°51



Treffen der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS in Abuja, Nigeria, 10. August 2023.

Die militärisch geführten Übergangsregierungen von Burkina Faso, Mali und Niger haben am Samstag in Bamako die Liptako-Gourma-Charta unterzeichnet, die eine gegenseitige Sicherheit und eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit vorsieht. Diese Entwicklung wird die militärisch-strategische Dynamik in der Region neu gestalten, da drei der vier Länder, deren Teilnahme an der ECOWAS in den letzten Jahren ausgesetzt wurde, nun einen Subblock innerhalb der ECOWAS bilden. Guinea ist nicht Teil dieser "Sahel-Allianz", könnte aber möglicherweise in der Zukunft beitreten.

Die unmittelbarste Auswirkung ist, dass die ECOWAS es sich nun zweimal überlegen wird, bevor sie eine von Frankreich unterstützte Invasion Nigers unter nigerianischer Führung startet, da dies sofort zu einem größeren Krieg mit der Sahel-Allianz führen würde. Sollte dieses Worst-Case-Szenario abgewendet werden, können sich die drei neu verbündeten Länder stärker darauf konzentrieren, sich gegenseitig bei der Bewältigung unkonventioneller Sicherheitsbedrohungen zu unterstützen. Sie kämpfen beide gegen Dschihadisten, während Mali auch mit einem erneuten Tuareg-Aufstand zu kämpfen hat.

Die Rebellen haben vor Kurzem eine Stadt im Norden des Landes eingenommen und sind drauf und dran, weitere Fortschritte zu machen, was gegen das Friedensabkommen von 2015 verstößt, dessen Verletzung beide Seiten der anderen Seite vorwerfen. Russland ist heute Malis bevorzugter Sicherheitspartner, daher wird von Moskau erwartet, dass es Bamako bei der Bewältigung dieser Krise unterstützt. Der burkinische Interimspräsident Ibrahim Traoré bestätigte letzten Monat, dass er mit einer russischen Delegation über eine militärische Zusammenarbeit gesprochen hat, sodass sich die strategische Allianz auch in diese Richtung ausweiten könnte.

USA: Geheimdienstmissionen in Niamey wieder aufgenommen

In diesem Fall würde der Kreml eine multinationale Rolle bei der Terrorismusbekämpfung in Westafrika spielen und damit de facto die traditionellen Aufgaben Frankreichs in der Region ersetzen, wenn auch als wirklich gleichberechtigter Partner dieser beiden Länder im Gegensatz zu der Hegemon-Proxy-Beziehung, die die Beziehungen zwischen Paris und diesen Ländern kennzeichnet. Zwei der Mitglieder der Sahel-Allianz würden somit zu militärischen Verbündeten Russlands werden, aber dieser Teilblock als Ganzes könnte aufgrund der anhaltenden Militärpräsenz der USA in Niger keine formelle Partnerschaft mit Moskau eingehen.

Der oberste Befehlshaber der US-Luftwaffe für Europa und Afrika hat letzte Woche, nur wenige Tage vor der Gründung dieser Gruppe, bekannt gegeben, dass sein Land seine Geheimdienst- und Überwachungsmissionen in Niamey wieder aufgenommen hat, nachdem er sie unmittelbar nach dem Militärputsch im Sommer dieses Jahres weitgehend eingestellt hatte. Es wurde hier argumentiert, dass dies mit ziemlicher Sicherheit das Ergebnis der Reise der amtierenden stellvertretenden Außenministerin Victoria Nuland nach Niamey Anfang August und der Verhandlungen war, die sie während dieser Zeit mit der Junta führte.

Das Ziel der USA ist es, eine weitere Ausdehnung des regionalen Einflusses Russlands zu verhindern, nachdem Moskau in Mali und Burkina Faso militärisch vorgedrungen ist, was durch die jüngsten Staatsstreiche in diesen beiden Ländern bewirkt wurde. Diese Regimewechsel erfolgten als Reaktion auf das gestiegene politische Bewusstsein der Bevölkerung dieser Länder, die sich für den vollständigen Abschluss ihrer Entkolonialisierung gegenüber Frankreich einsetzte. Während der französische Einfluss zurückging, wuchs der russische Einfluss, was eine Herausforderung für die amerikanischen Interessen darstellte.

Informelle Vereinbarung zwischen USA und Niger?

Die USA scheinen daher eine Vereinbarung mit den nigrischen Militärbehörden getroffen zu haben, wonach sie die angedrohte Invasion des Landes durch die ECOWAS im Gegenzug dafür absagen, dass sie ihre beiden Drohnenstützpunkte behalten und nicht in die Fußstapfen ihres Nachbarn treten, indem sie Russland um militärische Unterstützung bitten. Diese informelle Vereinbarung würde die Ankündigung von letzter Woche erklären und könnte auch dazu dienen, die Eingliederung Nigers in die Föderation zu verhindern, deren Gründung Burkina Faso und Mali ernsthaft in Erwägung ziehen.

Darüber hinaus könnten die USA ihre potenziell erfolgreiche Sicherheitshilfe gegen den Dschihadismus in Niger mit Russlands Bemühungen kontrastieren, Mali und möglicherweise bald auch Burkina Faso bei der Bekämpfung derselben Bedrohungen zu helfen, ganz zu schweigen von der erneuten Tuareg-Rebellion in Niger. Wenn sich die Lage im mit den USA verbündeten Niger verbessert, während sie sich im mit Russland verbündeten Mali und möglicherweise auch in Burkina Faso verschlechtert, wobei die Unruhen in den beiden letztgenannten Ländern wahrscheinlich auf die Einmischung der USA und/oder Frankreichs zurückzuführen sind, dann kann Washington die Sahel-Allianz spalten und regieren.

Darüber hinaus könnten die USA künstlich ein Narrativ der Informationskriegsführung fabrizieren, in dem behauptet wird, dass ihre gegensätzlichen Schicksale angeblich die Vorzüge eines Bündnisses mit Amerika und die Fallstricke eines Bündnisses mit Russland beweisen. Dies mag in Mali oder Burkina Faso keine greifbaren Auswirkungen haben, aber es könnte die Wahrnehmung in anderen Ländern manipulieren, indem es dort entstehende antiimperialistische Bewegungen in ein amerikanisches und ein russisches Lager spaltet, die sich darüber streiten, mit wem sie sich am besten verbünden sollten, um den französischen Einfluss zu ersetzen.

Wie in alten Zeiten: Konkurrenz um Herzen, Köpfe und Einfluss

Diejenigen, die bei einem bevorstehenden Militärputsch als Reaktion auf das wachsende politische Bewusstsein ihrer Bevölkerung und die damit verbundenen Proteste, die darauf abzielen, ihre Entkolonisierungsprozesse gegenüber Frankreich vollständig abzuschließen, die Macht übernehmen könnten, wären daher gezwungen, zwischen diesen beiden Rivalen des Neuen Kalten Krieges zu wählen. Russland wäre nicht automatisch ihr bevorzugter Sicherheitspartner, wenn die Verschwörer durch die oben erwähnte Informationskriegskampagne zu der Überzeugung gelangen, dass ein Bündnis mit Russland mit Risiken verbunden ist.

Russland arbeitet an visafreiem Reiseverkehr mit mehr afrikanischen Ländern
Russland arbeitet an visafreiem Reiseverkehr mit mehr afrikanischen Ländern

Um ehrlich zu sein, ist Amerikas Reaktion auf regionale multipolare Trends nicht neu, da es die erste Welle der Entkolonialisierung vor mehr als einem halben Jahrhundert aus demselben Grund unterstützt hat, nämlich um mit der ehemaligen Sowjetunion um Herzen, Köpfe und Einfluss zu konkurrieren. Damals wandten sich die USA gegen mehrere ihrer NATO-Verbündeten, indem sie die Unabhängigkeitsbewegungen ihrer ehemaligen Kolonien förderten, während sie sich dieses Mal nur gegen Frankreich wenden, da es das einzige Land ist, das in Teilen Afrikas noch eine Hegemonie ausübt.

Zu diesem Zweck wollen die USA die aufkommenden antiimperialistischen Bewegungen in Frankreichs "Einflusssphäre" spalten, bevor sie befreundete Gruppierungen in ihnen koordinieren. Danach können sie entweder den gewählten Aufstieg ihrer Vertreter zur nationalen Führung unterstützen (auch durch Farbrevolutionen, die sie zu diesem Zweck aushecken könnten) oder sich mit ihren neuen Militärführern verbünden, die nach einem Staatsstreich an die Macht kommen. Mit diesen Mitteln hoffen die USA, den russischen Einfluss zu verlangsamen, zu stoppen und möglicherweise sogar rückgängig zu machen.

Interimsbehörden stellen nationale Interessen sicher

Diese Erkenntnis ist für die neu gegründete Sahel-Allianz von Bedeutung, da sie darauf hindeutet, dass Niger das "schwächste Glied" einer umfassenden militärisch-wirtschaftlichen Integration bleiben wird, solange es weiterhin die beiden US-Drohnenbasen beherbergt. Die Interimsbehörden sind keine "trojanischen Pferde", wie manche wild spekulieren, sondern stellen einfach die nationalen Interessen ihres Landes sicher, wie sie sie angesichts der sehr schwierigen Umstände, in denen sie sich nach der Drohung der ECOWAS mit einer Invasion befanden, aufrichtig verstehen.

Diejenigen Beobachter, die die Multipolarität unterstützen, sollten die Junta daher nicht zu hart verurteilen, da sie buchstäblich unter der Drohung eines größeren Krieges gezwungen ist, die beiden amerikanischen Drohnenbasen offenzuhalten. Die Junta mag anfangs von großen antiimperialistischen Zielen angetrieben worden sein, um ihren Marionettenpräsidenten zu stürzen, aber jetzt wird sie zu einem Laboratorium für die USA, in dem sie mit ihrer Reaktion auf regionale Trends experimentieren. Das ist eine enttäuschende Wendung der Ereignisse, aber hoffentlich wird dadurch zumindest der Ausbruch eines größeren Krieges verhindert.

Aus dem Englischen

Andrew Korybko ist ein in Moskau ansässiger amerikanischer Politologe, der sich auf die US-Strategie in Afrika und Eurasien sowie auf Chinas Belt & Road-Initiative, Russlands geopolitischen Balanceakt und hybride Kriegsführung spezialisiert hat.

Mehr zum Thema – Beispiel Simbabwe: Wie Afrika seine Suche nach individuellen politischen Lösungen gestaltet

 

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.


 


Die libysche Stadt Darna nach der Flut (16. September 2023)
 
Die schreckliche Katastrophe in Libyen wird in der westlichen Presse gemeinhin als eine tragische Naturkatastrophe dargestellt. Niemand wird dort die Wahrheit schreiben, dass die größte menschengemachte Katastrophe unserer Zeit die aktuelle und die bisherigen Regierungen der Vereinigten Staaten von Amerika sind.
 

Von Oleg Jassinski

Die schreckliche Katastrophe nach den Dammbrüchen in Libyen, die offensichtlich etwa 30.000 Menschenleben gefordert hat, wird in der westlichen Presse gemeinhin als eine tragische Naturkatastrophe dargestellt. Dieselben Presseorgane nannten einst den Sturz der Gaddafi-Regierung in Libyen als damals Afrikas reichstem und wohlhabendstem Land einen angeblichen "Volksaufstand". Innerhalb nur weniger Jahre nach Gaddafis Ermordung fiel Libyen in seiner Entwicklung um Jahrhunderte zurück und wurde unter anderem zum wichtigsten regionalen Zentrum des heutigen "modernen" Sklavenhandels.

Die USA und die NATO zerstörten mutwillig den libyschen Staat als die einzige Kraft, die neben anderen Leistungen in der Lage war, die im Land gebauten Staudämme zu errichten, zu kontrollieren, die notwendigen Reparaturen rechtzeitig durchzuführen und die Infrastruktur und die technologischen Prozesse aufrechtzuerhalten. Die nachfolgenden Söldnerarmeen und Sklavenhändlerbanden interessieren sich nicht dafür und kennen sich auch mit Staudämmen gar nicht aus.

Man kann nur froh sein, dass sich vor der bewussten Zerstörung der staatlichen Ordnung im reichen Libyen keine Atomwaffen in diesem Land befanden. Oder war es vielleicht gerade dieser Verzicht Gaddafis, der Libyens Zerstörung ermöglichte?

Wie dem auch sei, niemand wird dort die Wahrheit schreiben, dass die größte menschengemachte Katastrophe unserer Zeit die aktuelle und die bisherigen Regierungen der Vereinigten Staaten von Amerika sind.

Oleg Jassinski (englische Transliteration: Yasinsky), ein aus der Ukraine stammender Journalist, lebt überwiegend in Chile und schreibt für RT Español sowie unabhängige lateinamerikanische Medien wie Pressenza.com, Desinformemonos.org. Er forscht über indigene und soziale Bewegungen in Lateinamerika, produziert politische Dokumentarfilme in Kolumbien, Bolivien, Mexiko und Chile. Außerdem ist er bekannt als Übersetzer von Texten der Autoren Eduardo Galeano, Luis Sepúlveda, José Saramago, Subcomandante Marcos und anderen ins Russische. Man kann ihm auch auf seinem Telegram-Kanal folgen.

Mehr zum Thema - Mindestens 5.300 Tote nach Flutkatastrophe in Libyen – Suche nach Zehntausenden Vermissten

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.


 

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Die „immer-noch-Kolonialmacht“ Frankreich hat zwar 1958 einen Unabhängigkeitsvertrag mit dem Niger unterzeichnet, sich dabei aber das Recht gesichert, das spaltbare Uran aus den Minen des Landes zum Spottpreis zu erhalten. Das dürfte jetzt deutlich teurer und rarer werden, denn es wird nun zu wesentlich höheren Preisen auf dem Weltmarkt angeboten. Damit wird auch der Atomstrom aus Frankreich, von dem wir abhängig sind, ebenfalls teurer. Und: Der Sieg des Niger zieht nicht nur dasselbe in Gabun nach sich. Auch andere, ehemalige französische Kolonien rundherum werden jetzt dem Beispiel folgen. Westafrikas Bodenschätze gehören jetzt den Afrikanern.

Der „Postkolonialismus“ Frankreichs im Niger ist zu Ende

Zigtausende Demonstranten im westafrikanischen Niger gingen auf die Straße, verbrannten französische Fahnen und forderten lautstark den Abzug der Truppen Frankreichs aus ihrem Land. Was bisher rigoros abgelehnt wurde, geschah jetzt doch: Präsident Macron verhandelte mit der Militärregierung seiner ehemaligen Kolonie über den Abzug seiner Truppen und kündigte an, die 1.500 dort stationierten Soldaten abzuziehen. Die Bevölkerung hatte tagelang vor dem französischen Militärstützpunkt in Niamey protestiert und gefordert, die alten Kolonialherren sollten endlich und endgültig verschwinden. Auch im Südwesten des Landes in Ouallam vor einem Stützpunkt französischer und nigrischer Militärs, versammelte sich eine große Menge aufgebrachter Menschen. Die neue Regierung des Niger forderte ebenfalls ein Ende der „eklatanten Einmischungen“ in die Politik und inneren Angelegenheiten des Landes. Man sehe Frankreichs Unterstützung für den abgesetzten Präsidenten Bazoum als eine „neokoloniale Operation gegen das nigrische Volk“.

Rückzug Frankreichs aus dem Niger beginnt

Die FAZ berichtete, dass das französische Verteidigungsministerium bereits kundgetan hat, seine Truppen schrittweise und geordnet aus dem Land abzuziehen. Man erkenne  die Militärregierung nicht als legitim an und fordere die Rückkehr des demokratisch gewählten Präsidenten Mohamed Bazoum. Und man betonte, die 1.500 Mann französischen Militärs seien immerhin „auf Ersuchen der nigrischen Behörden“ dort stationiert worden. Man habe gemeinsam dort einen Anti-Terror-Kampf im Land durchgeführt. Der nigrische Präsident Bazoum war von seiner eigenen Präsidentengarde durch einen Militärputsch abgesetzt worden. General Abdourahamane Tiani, der Kommandeur der Präsidentengarde, übernahm die Macht.

Und sofort darauf ist ein weiteres westafrikanisches Land von seinen Militärs übernommen worden: Nach Mali, Burkina Faso und dem Niger hat auch Gabuns Militärführer die frankreichfreundliche Regierung, den Familienclan der Bongos, per Putsch abgesetzt und den Abzug der Franzosen gefordert. Der Tschad machte dasselbe, allerdings weniger aufsehenerregend in den Medien berichtet. Schon 2021 hatte der Präsidentensohn Mahamat Idriss Déby Itno, ein General, im April 2021 die Nachfolge seines getöteten Vaters Idriss Déby angetreten.

Der von der nigrischen Militärregierung ernannte Ministerpräsident Ali Lamine Zeine hatte zuvor erklärt, die französischen Streitkräfte hielten sich fortan „illegal“ in Niger auf. Zuletzt entzog die neue Regierung in Niger dem französischen Botschafter in Niamey Sylvain Itté die diplomatische Immunität und wies die Polizei zur Ausweisung des Diplomaten an.

Die west- und frankreichfreundlichen Regierungen der 1973 gegründeten ECOWAS (Economic Community of West African States / Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten) demonstrieren derweil eine „harte Haltung“ gegen die Putschisten. Es wird sogar mit militärischen Maßnahmen gedroht. Letztendlich werden diese verbleibenden Regierungen (Benin, Burkina Faso, Elfenbeinküste, Mali, Mauretanien, Niger, Senegal, Elfenbeinküste, Guinea, Liberia, Sierra Leone und der Mano River Union) nicht die Kraft und Mittel haben, in den nun abtrünnigen Ländern die alten, dem „Westen“ verpflichteten Machthaber zu reinstallieren. Nicht nur, dass die Kräfte nicht reichen, sie würden damit in ihrem eigenen Land Unruhen und Aufstände entfachen und möglicherweise selbst gestürzt werden.

Der Westen hat fertig – kommt jetzt eine Wiederauferstehung Afrikas unter der Fahne der BRICS?

„Der Westen“ wird wahrscheinlich auf breiter Front den Rückzug aus Afrika antreten müssen. Allzu deutlich hat im letzten Jahrzehnt das strahlende Bild des Westens gelitten. Die um sich greifende Dekadenz des Wokismus, der immer schnellere wirtschaftliche Niedergang und die Anbetung von zu Schutzbedürftigen erklärten Minderheiten aller Art signalisieren eine bis ins Mark gehende Schwäche. Dazu kommt die aggressive, aber glücklose Kriegstreiberei der führenden USA an allen Ecken und Enden der Welt. Das skrupellose Opfern der Ukraine auf dem Altar US-amerikanischer Interessen ist eine Tragödie: Das sinnlose Massensterben der Männer an der Front gegen Russland, die Zerstörung der ukrainischen Infrastruktur und wahrscheinlich als Ergebnis sogar die Zerschlagung der Ukraine in ihrer jetzigen Form und der Niedergang Europas als Resultat.

Afrika sieht sehr wohl auch die korrupten, schwachen, inkompetenten, teilweise kriminellen, diversen, woken, senilen, oder dementen westlichen Politiker und den wachsenden Zorn der Bevölkerungen darüber. Warum sollten sie die Rolle der Untertanen Europas, die wiederum Untertanen der USA sind, weiter akzeptieren? Afrika nutzt die Schwäche und emanzipiert sich jetzt.

Im Gegensatz dazu stehen die BRICS, geleitet von „starken“ Persönlichkeiten, die sich nicht vom Westen einschüchtern lassen. Das „One Belt one Road“-Projekt Chinas mit Russland und Afrika verspricht eine wesentlich bessere Zukunft, auch für den schwarzen Kontinent. Die Afrikaner sehen hier eine Möglichkeit, ihre Infrastruktur aufzubauen, als eigenständige Nationen in Augenhöhe Handel zu treiben und an einem riesigen, prosperierenden Wirtschaftsraum vom Pazifik um die Welt bis zum Atlantik teilzunehmen. Es ist kein Geheimnis, dass das die Position der USA als Weltmacht Nummer Eins beenden würde. Dass das so wäre wird an einer bemerkenswerten Meldung deutlich: Laut russischer Geheimdienstinformationen, so meldet die „Hindustan Times“ sollen die USA überlegt haben, die nigrischen Anführer des Putsches zu ermorden:

Die Afrikaner verfügen über wertvolle Bodenschätze, die sie bisher zu Schleuderpreisen verkaufen mussten. Ihre Präsidenten wurden vom Westen aufgepäppelt, bestochen und an die Macht gebracht, um dann im Gegenzug die Möglichkeiten des Landes auszunutzen. So verfügt der Niger über die zweitgrößte Uranmine der Welt – und daneben noch weitere solcher Minen. Und – wie gesagt, der Niger wird fürderhin entweder gar kein oder teures Uran an Frankreich liefern. Das Land kann seinen Aufnahmewunsch in die Reihen der BRICS sicher gut mit seinen Uranminen unterstreichen. Es braucht Europa nicht mehr.

Europa (und Deutschland): Atomstrom bald viel teurer – Regierungen könnten destabilisiert werden

Frankreichs Atomstrom-Preis stieg schon in jüngster Vergangenheit stetig. Das, obwohl Frankreich bisher unschlagbar günstige Konditionen im Niger hatte. Die französische Firma Orano kontrolliert zu Dreiviertel die Uranvorkommen. Der Putsch gefährdet nun diese einseitig vorteilhaften Deals für den französischen Atomstrom. Das bedeutet, dass wegen der „grünen“ Schließung der letzten AKWs in Deutschland auch der importierte französische Atomstrom sehr viel teurer werden wird. Ausweichmöglichkeiten gibt es kaum, denn auch die alten, störanfälligen AKWs in Luxemburg und Tschechien kaufen erhebliche Anteile ihres Urans von Frankreich. Ein weiterer Lieferant wäre Russland, was aber aufgrund der von den USA vorgeschriebenen Sanktionen wegen des Ukrainekrieges unmöglich ist.

Die Uranpreise haben sich bereits in den letzten zwei Jahren verdoppelt, gibt der Straßburger Nuklearexperte Teva Meyer zu bedenken. In Frankreich brodelt es schon im Volk wegen der Strompreiserhöhungen um 15 Prozent, und die Preise werden noch deutlich weiter steigen:

„‘Die Kernenergie wird in Frankreich auf jeden Fall teurer werden‘, prophezeit daher auch Bruno Burger, Energieexperte am Freiburger Fraunhofer-Institut. Im Winter reichten die produzierten Mengen nicht einmal für den eigenen Konsum aus – dann müsse das Nachbarland teuer zukaufen. Schließlich heizt jeder zweite Franzose mit Strom aus Radiatoren, den liebevoll getauften ‚Wandtoastern‘. Die erhöhte Nachfrage aus Paris am europäischen Strommarkt werden allerdings auch deutsche Haushalte spüren: Strom wird knapper und damit unweigerlich teurer.“ 

… Was sich dann nicht nur in den Strompreisen, sondern auch praktisch in allen Produkten niederschlägt. Wieder ein Sargnagel in die Wirtschaft der EU, wieder eine weitere Schikane für die Bürger. Wie lange wird das alles noch gut gehen? 

Viele europäischen Völker stehen sowieso schon kurz vor der Revolte. Ausgerechnet die Franzosen sind da die ersten, die rabiat werden. Die Uhr tickt.


 

Pepe Escobar: In Wladiwostok erhebt sich der russische Ferne Osten

SEP 14, 2023 In Wladiwostok wurde diese Woche der "Russische Ferne Osten" in voller Pracht präsentiert. Russland, China, Indien und die Länder des globalen Südens trugen alle zu dieser Renaissance des Handels, der Investitionen, der Infrastruktur, des Verkehrs und der Institutionen bei.

Photo Credit: The Cradle

VLADIVOSTOK - Der russische Präsident Wladimir Putin eröffnete und schloss seine recht ausführliche Rede auf dem Östlichen Wirtschaftsforum in Wladiwostok mit einer durchschlagenden Botschaft: "Der Ferne Osten ist Russlands strategische Priorität für das gesamte 21. Jahrhundert."

Und genau dieses Gefühl hatte man vor der Ansprache, als man sich unter die Führungskräfte aus der Wirtschaft mischte, die sich auf dem atemberaubenden Gelände der erst vor 11 Jahren eröffneten Föderalen Universität des Fernen Ostens tummelten, vor dem Hintergrund der mehr als vier Kilometer langen Hängebrücke, die über die östliche Meerenge des Bosporus zur Insel Russki führt.

Die Entwicklungsmöglichkeiten dieser Region, die in Wirklichkeit Russisch-Asien und einer der wichtigsten Knotenpunkte des asiatisch-pazifischen Raums ist, sind buchstäblich überwältigend. Nach Angaben des Ministeriums für die Entwicklung des russischen Fernen Ostens und der Arktis - die von mehreren der auffälligsten Podiumsdiskussionen während des Forums bestätigt wurden - sind sage und schreibe 2.800 Investitionsprojekte im Gange, von denen 646 bereits in die Wege geleitet wurden, einschließlich der Einrichtung mehrerer internationaler fortschrittlicher Sonderwirtschaftszonen (ASEZ) und des Ausbaus des Freihafens von Wladiwostok, in dem mehrere hundert kleine und mittlere Unternehmen (KMU) angesiedelt sind.

All dies geht weit über die von Putin 2012, zwei Jahre vor den Ereignissen auf dem Maidan in Kiew, angekündigte "Ostorientierung" Russlands hinaus. Für den Rest des Planeten, ganz zu schweigen vom kollektiven Westen, ist es unmöglich, die Magie des russischen Fernen Ostens zu verstehen, ohne vor Ort gewesen zu sein - angefangen bei Wladiwostok, der charmanten, inoffiziellen Hauptstadt des Fernen Ostens, mit ihren herrlichen Hügeln, der beeindruckenden Architektur, den grünen Inseln, den sandigen Buchten und natürlich dem Endbahnhof der legendären Transsibirischen Eisenbahn.

Was die Besucher aus dem Globalen Süden erlebten - der kollektive Westen war auf dem Forum so gut wie nicht vertreten - war ein Beispiel für nachhaltige Entwicklung: ein souveräner Staat, der den Ton angibt, wenn es darum geht, große Teile seines Territoriums in das neue, aufkommende, polyzentrische geoökonomische Zeitalter zu integrieren. Die Delegationen der ASEAN-Staaten (Laos, Myanmar, Philippinen) und der arabischen Welt, ganz zu schweigen von Indien und China, waren sich dessen voll bewusst.


Willkommen in der "Entwestlichungsbewegung"

In seiner Rede betonte Putin, dass die Investitionsrate im Fernen Osten dreimal so hoch ist wie der Durchschnitt der russischen Region, dass der Ferne Osten nur zu 35 Prozent erforscht ist und ein unbegrenztes Potenzial für die Rohstoffindustrie bietet, dass die Gaspipelines Power of Siberia und Sachalin-Khabarowsk-Wladiwostok miteinander verbunden werden und dass sich die Produktion von Flüssigerdgas (LNG) in der russischen Arktis bis 2030 verdreifachen wird.

In einem breiteren Kontext machte Putin deutlich, dass "sich die Weltwirtschaft verändert hat und weiter verändert; der Westen zerstört mit seinen eigenen Händen das Handels- und Finanzsystem, das er selbst geschaffen hat". Kein Wunder also, dass Russlands Handelsumsatz mit dem asiatisch-pazifischen Raum im Jahr 2022 um 13,7 Prozent und allein im ersten Halbjahr 2023 um weitere 18,3 Prozent gestiegen ist.

Der Beauftragte des Präsidenten für Wirtschaftsrechte, Boris Titow, zeigt auf, dass diese Neuorientierung weg vom "statischen" Westen unvermeidlich ist. Obwohl die westlichen Volkswirtschaften gut entwickelt sind, sind sie bereits "zu stark investiert und zu träge", so Titov:

"Im Osten dagegen boomt alles, schreitet schnell voran, entwickelt sich schnell. Und das gilt nicht nur für China, Indien und Indonesien, sondern auch für viele andere Länder. Sie sind heute das Zentrum der Entwicklung, nicht Europa, unsere Hauptverbraucher von Energie sind schließlich dort."

Es ist schier unmöglich, dem enormen Umfang und den fesselnden Diskussionen gerecht zu werden, die in den großen Panels in Wladiwostok geführt wurden. Hier ist nur ein kleiner Vorgeschmack auf die wichtigsten Themen.

Eine Valdai-Sitzung konzentrierte sich auf die kumulierten positiven Auswirkungen von Russlands "Schwenk nach Osten", wobei der Ferne Osten als natürlicher Knotenpunkt für die Umstellung der gesamten russischen Wirtschaft auf die asiatische Geowirtschaft angesehen wurde.

Doch es gibt natürlich auch Probleme, wie Wang Wen vom Chongyang-Institut für Finanzstudien an der Renmin-Universität betonte. Wladiwostok hat nur 600.000 Einwohner. Die Chinesen würden sagen, dass die Infrastruktur für eine solche Stadt unzureichend ist, "also braucht sie so schnell wie möglich mehr Infrastruktur. Wladiwostok könnte das nächste Hongkong werden. Der Weg dazu ist die Einrichtung von Sonderwirtschaftszonen wie in Hongkong, Shenzhen und Pudong." Das ist nicht schwer, denn "die nicht-westliche Welt begrüßt Russland sehr".

Wang Wen konnte nicht umhin, den Durchbruch des Huawei Mate 60 Pro hervorzuheben: "Sanktionen sind keine so schlechte Sache. Sie stärken nur die "Entwestlichungsbewegung", wie sie in China informell genannt wird.

Bis Mitte 2022 war China aus Angst vor US-Sanktionen bei Investitionen in einen "stillen Modus" verfallen, wie Wang es nannte. Doch das ändert sich jetzt, und die Grenzregionen werden wieder als Schlüssel für die Handelsbeziehungen betrachtet. Im Freihafen von Wladiwostok ist China mit seinem Engagement von 11 Milliarden Dollar der wichtigste Investor.

Fesco ist das größte Seeverkehrsunternehmen in Russland - und erreicht China, Japan, Korea und Vietnam. In Zusammenarbeit mit den Russischen Eisenbahnen ist das Unternehmen aktiv an der Anbindung Südostasiens an die Nördliche Seeroute beteiligt. Der Schlüssel dazu ist der Aufbau eines Netzes logistischer Knotenpunkte. Fesco-Führungskräfte bezeichnen dies als "titanic shift in logistics".

Die Russischen Eisenbahnen sind an sich schon ein faszinierender Fall. Sie betreibt u. a. die Transbaikalstrecke, die verkehrsreichste Bahnlinie der Welt, die Russland vom Ural bis zum Fernen Osten verbindet. Tschita, direkt an der Transsibirischen Eisenbahn gelegen - ein bedeutendes Produktionszentrum 900 km östlich von Irkutsk - gilt als die Hauptstadt der Russischen Eisenbahnen.

Und dann ist da noch die Arktis. In der Arktis befinden sich 80 Prozent des russischen Gases, 20 Prozent des Öls, 30 Prozent des Territoriums und 15 Prozent des BIP, aber nur 2,5 Millionen Menschen. Der Ausbau des Nördlichen Seewegs erfordert Spitzentechnologie, wie z. B. eine sich ständig weiterentwickelnde Flotte von Eisbrechern.


Flüssig und stabil wie Wodka

Was in Wladiwostok geschah, steht in direktem Zusammenhang mit dem vielbeachteten Besuch von Nordkoreas Kim Jong-un. Das Timing war gut gewählt, schließlich ist die Region Primorski Krai im Fernen Osten ein unmittelbarer Nachbar der Demokratischen Volksrepublik Korea (DVRK).

Putin betonte, dass Russland und die DVRK mehrere gemeinsame Projekte in den Bereichen Verkehr, Kommunikation, Logistik und Marine entwickeln. Es geht also nicht nur um militärische und weltraumtechnische Fragen, die Putin und Kim freundschaftlich erörterten, sondern auch um geoökonomische Fragen: eine trilaterale Zusammenarbeit zwischen Russland, China und der DVRK mit dem eindeutigen Ergebnis, dass der Containerverkehr durch die DVRK zunehmen wird und die verlockende Möglichkeit besteht, dass die Eisenbahn der DVRK Wladiwostok erreicht und dann über die Transsibirische Eisenbahnlinie eine Verbindung zu den tieferen Regionen Eurasiens herstellt.

Und als ob das nicht schon bahnbrechend genug wäre, wurde in mehreren Gesprächsrunden viel über den Internationalen Nord-Süd-Transportkorridor (INTSC) diskutiert. Der Korridor Russland-Kasachstan-Turkmenistan-Iran wird im Jahr 2027 fertig gestellt sein - und er wird ein wichtiger Zweig des INTSC sein.

Parallel dazu drängen Neu-Delhi und Moskau darauf, den Östlichen Seekorridor (EMC) - so lautet die offizielle Bezeichnung für die Strecke Wladiwostok-Chennai - so bald wie möglich in Betrieb zu nehmen. Sarbananda Sonowal, der indische Minister für Häfen, Schifffahrt und Wasserstraßen, hat für den 30. Oktober einen indisch-russischen Workshop über den EMC in Chennai organisiert, um die "reibungslose und rasche Inbetriebnahme" des Korridors zu erörtern.

Ich hatte die Ehre, an einem der entscheidenden Panels teilzunehmen: Greater Eurasia: Drivers for the Formation of an Alternative International Monetary and Financial System" teilzunehmen. (Größeres Eurasien: Triebkräfte für die Bildung eines alternativen internationalen Währungs- und Finanzsystems")

Eine der wichtigsten Schlussfolgerungen ist, dass die Weichen für ein gemeinsames eurasisches Zahlungssystem - Teil des Entwurfs der Erklärung der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAEU) für 2030-2045 - vor dem Hintergrund des Hybriden Krieges und der "toxischen Währungen" (83 Prozent der EAEU-Transaktionen gehen bereits daran vorbei) gestellt sind.

Doch die Debatte über einen Korb nationaler Währungen, einen Warenkorb, Zahlungs- und Abwicklungsstrukturen, den Einsatz von Blockchain, ein neues Preissystem oder die Einrichtung einer gemeinsamen Börse bleibt heftig. Ist das alles technisch möglich? Ja, aber das würde 30 oder 40 Jahre dauern, bis es Gestalt annimmt, wie das Podium betonte.

Zum jetzigen Zeitpunkt reicht ein einziges Beispiel für die bevorstehenden Herausforderungen aus. Die Idee, einen Währungskorb für ein alternatives Zahlungssystem zu entwickeln, kam auf dem BRICS-Gipfel wegen der Position Indiens nicht zur Sprache.

Aleksandr Babakov, stellvertretender Vorsitzender der Duma, erinnerte an die Gespräche zwischen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) und dem Iran über die Finanzierung des Handels in Landeswährungen, einschließlich eines Fahrplans zur Suche nach den besten Wegen in der Gesetzgebung, um Investitionen anzuziehen. Das wird auch mit Privatunternehmen diskutiert. Vorbild ist der Erfolg des chinesisch-russischen Handelsumsatzes.

Andrej Klepach, Chefvolkswirt der VEB, witzelte, die beste Währung sei "flüssig und stabil. Wie Wodka". So weit sind wir also noch nicht. Zwei Drittel des Handels werden immer noch in Dollar und Euro abgewickelt; der chinesische Yuan macht nur drei Prozent aus. Indien weigert sich, den Yuan zu verwenden. Und es gibt ein riesiges Ungleichgewicht zwischen Russland und Indien: 40 Milliarden Rupien liegen auf den Konten russischer Exporteure und können nirgendwo hin. Eine Priorität ist die Stärkung des Vertrauens in den Rubel: Er sollte sowohl von Indien als auch von China akzeptiert werden. Und ein digitaler Rubel wird zu einer Notwendigkeit.

Wang Wen pflichtete dem bei und sagte, es gebe nicht genug Ehrgeiz. Indien sollte mehr nach Russland exportieren und Russland sollte mehr in Indien investieren.

Wie Sohail Khan, der stellvertretende Generalsekretär der SOZ, betonte, kontrolliert Indien inzwischen nicht weniger als 40 Prozent des weltweiten digitalen Zahlungsmarktes. Noch vor sieben Jahren lag der Anteil bei Null. Das erklärt den Erfolg seines einheitlichen Zahlungssystems (UPI).

Ein BRICS-EAEU-Gremium äußerte die Hoffnung, dass im nächsten Jahr ein gemeinsamer Gipfel dieser beiden wichtigen multilateralen Organisationen stattfinden wird. Einmal mehr geht es um die transeurasischen Verkehrskorridore, denn bald werden zwei Drittel des weltweiten Umsatzes über die Ostroute zwischen Russland und Asien abgewickelt.

Im Rahmen von BRICS-EAEU-SCO sind führende russische Unternehmen bereits in die BRICS-Geschäfte integriert, von der russischen Eisenbahn über Rostec bis hin zu großen Banken. Ein großes Problem bleibt, wie man Indien die EAEU erklären kann - auch wenn die EAEU-Struktur als Erfolg angesehen wird. Und man darf gespannt sein: Ein Freihandelsabkommen mit dem Iran steht kurz vor der Unterzeichnung.

Bei der letzten Podiumsdiskussion in Wladiwostok wies die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa - das zeitgenössische Gegenstück zu Hermes, dem Götterboten - darauf hin, wie die G20- und BRICS-Gipfel die Bühne für Putins Rede auf dem Östlichen Wirtschaftsforum bereiteten.

Das erforderte "fantastische strategische Geduld". Schließlich habe Russland "nie eine Isolation unterstützt" und sei "immer für Partnerschaft eingetreten". Die hektische Betriebsamkeit in Wladiwostok hat gerade gezeigt, dass es beim "Pivot to Asia" um verbesserte Konnektivität und Partnerschaft in einer neuen polyzentrischen Ära geht.
Die in diesem Artikel geäußerten Ansichten spiegeln nicht unbedingt die von The Cradle wider.

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