Russische und westliche Geheimdienste beobachteten die Verschlechterung der Beziehungen zwischen Jewgeni Prigoschin und dem russischen Verteidigungsminister Sergej Schoigu. Natürlich interpretierten sie sie unterschiedlich und machten daher unterschiedliche Vorhersagen.

Für die westlichen Dienste wurde dieser Konflikt vom Kremlchef gefördert. Es war eine Möglichkeit für ihn, beide Seiten dazu zu bringen, das Beste aus sich herauszuholen. Die Rivalität zwischen den Männern sollte jedoch zunehmen und letztendlich die russischen Streitkräfte spalten, anstatt sie zu stärken. Man sollte dann die Schwäche Moskaus ausnutzen, um das im Juli 2022 entwickelte Demontageprogramm Russlands zu starten, indem man sich auf verschiedene Minderheiten stützte [1]. Das ist der Sinn der Präsentation, die die CIA wenige Tage vor der Rebellion von Jewgeni Prigoschin vor US-Parlamentariern hielt.

Für die russischen Geheimdienste, die sich verbaten, sich in die Art und Weise einzumischen, wie Präsident Putin mit dieser Rivalität umging, würde der Konflikt unweigerlich eskalieren. Zu einem bestimmten Zeitpunkt positionierten sich die Offiziere und hohen Beamten, die gegen das Regime sind, nicht für eine Seite gegen die andere, sondern für einen möglichen Systemwechsel. Sie sollten sofort ausgemacht werden, um sie aus dem Staatsapparat zu entfernen.

Natürlich dachte niemand, dass Jewgeni Prigoschin auf die von ihm gewählte Weise handeln würde, wie er geplant hatte, noch wann er zur Aktion übergehen würde. Als er sich also auf den Weg zum Hauptquartier in Rostow am Don machte (02.30 Uhr), wusste noch niemand, ob dies Teil eines Überbietungswettbewerbs zwischen Wagner und dem Verteidigungsministerium war, oder ob gerade etwas Neues passiert war. Erst in der Nacht, als er Rostow am Don eingenommen hatte (07:30 Uhr) und seinen Marsch auf Moskau begann, haben alle verstanden, dass die Zeit zum Handeln gekommen war [2].

Die CIA, der MI6 und der Mossad haben daraufhin ihre Kontakte sowohl in Russland, als auch in den anderen, noch mit Moskau verbündeten Staaten der ehemaligen UdSSR geweckt; allen voran in Weißrussland, Kasachstan und Usbekistan, drei Staaten, in denen der Westen in den letzten zwei Jahren gescheitert war, "Farbrevolutionen" zu organisieren.

Die ukrainischen Führungskräfte haben die Tausend Belarussen, die unter ihrer Flagge im Kastous-Kalinowski-Bataillon kämpfen, gebeten, ihre Familien zum Sturz von Präsident Alexander Lukaschenko aufzurufen. Ähnliche Aufrufe wurden gegen den kasachischen Präsidenten Kassym-Schomart Tokajew und den usbekischen Präsidenten Shavkat Mirziyoyev gemacht. Westliche Kontakte in Tschetschenien scheinen dem Ruf nicht gefolgt zu sein.

Präsident Wladimir Putin telefonierte nach seiner Ansprache an die Nation (10 Uhr) mit seinen belarussischen, kasachischen und usbekischen Amtskollegen (13.30 Uhr). Er erinnerte alle daran, dass sie einen vom Westen angeheizten Aufstand hatten hinnehmen müssen, ihn aber überstanden haben. Er sagte ihnen, dass Russland nicht wanken werde, und forderte sie auf, bei sich zu Hause wachsam zu sein.

Die russische Exilopposition (d.h. die vom Westen unterstützte) hat einen Regimewechsel in Moskau gefordert. Der ehemalige Oligarch Michail Chodorkowski, der 2003 wegen Steuerhinterziehung verhaftet wurde, als er gerade einen Putsch startete [3], twitterte, dass der Prigoschin-Aufstand bewiesen habe, dass es möglich sei, Wladimir Putin zu stürzen, und dass sich alle auf diese Eventualität vorbereiten müssten. Schachweltmeister Garri Kasparow, ein ehemaliger Unterstützer von Boris Jelzin, tat dasselbe. Er hielt seine Revanche für möglich. Der Anwalt Alexej Nawalny ließ aus seinem sibirischen Gefängnis wissen, er unterstütze die Bewegung.

Diese drei Männer sind die Trumpfkarten des Westens in Russland. Im Gegensatz zu dem, was viele internationale Medien behaupten, sind sie in ihrem Land überhaupt nicht beliebt, ebenso wenig wie die pro-amerikanischen libyschen oder syrischen Oppositionsführer während der Militäroperationen gegen ihre Länder.

Alle drei verurteilen die russische Intervention in der Ukraine als eine imperialistische Einmischung. Sie fordern eine Einstellung der Feindseligkeiten und ein Verfahren gegen die russische Führung vor einem internationalen Strafgerichtshof. Zu Beginn der russischen militärischen Spezialoperation gründeten sie das Russische Aktionskomitee in Litauen, fanden aber kein Echo in ihrem Land.

Zur allgemeinen Überraschung endete der Aufstand am selben Abend (20:00 Uhr), ohne dass jemand wusste, welches Abkommen von Prigoschin unterzeichnet worden war. Der Aufstand hat nur 18 Stunden gedauert; Eine Zeitspanne, die für die westlichen und russischen Geheimdienste viel zu kurz war, um ihre jeweiligen Ziele zu erreichen.

Swetlana Tichanowskaja (in hellblauer Jacke) und ihre "belarussische Exilregierung" werden von Josep Borrell, dem Hohen Kommissar der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik (links stehend), empfangen.

Tatsache bleibt, dass die belarussischen westlichen Agenten geweckt wurden. Swetlana Tichanowskaja, die ehemalige Präsidentschaftskandidatin im litauischen Exil, hat die Exilregierung gebildet, die sie sich bereits am 24. Februar 2022 (Beginn der russischen Spezialoperation) vorgestellt hatte. Sie wurde von den europäischen Behörden empfangen, welche sich jedoch hüteten, diese Marionettenregierung anzuerkennen.

Die ukrainischen Dienste gaben auch bekannt, dass Prigoschin auf der Liste der zu tötenden Ziele des russischen FSB stehe. Das ist natürlich eine bewusste Falschmeldung, denn Wladimir Putin hatte versprochen, ihn nicht zu bestrafen. Die Moscow Times (pro-amerikanisch) versicherte, dass General Sergej Surowikin wegen Komplizenschaft mit den Rebellen verhaftet wurde. Tatsächlich wurde er vom FSB ausführlich verhört, da er seit seinem Dienst in Syrien Ehrenmitglied bei Wagner war.

 
 
Übersetzung
Horst Frohlich
Korrekturlesen : Werner Leuthäusser