Die Vereinigten Staaten drängen ihre Verbündeten der Europäischen Union, sich auf einen Dritten Weltkrieg vorzubereiten. Sie haben keine andere Wahl, als sich ihm zu stellen, wenn sie aus der "Thukydides-Falle" siegreich hervorgehen wollen. Es sei denn, dieses ganze Getue ist nur eine Inszenierung, um die Verbündeten in ihrem Lager zu "halten", während sich viele Staaten in Südamerika, Afrika und Asien für "neutral" erklären. Kriegsgerüchte erwecken zur selben Zeit japanische Militaristen, die wie die "radikalen Nationalisten" in der Ukraine jetzt zurückgekehrt sind.
Analysen: 22.-29.3.23: Alexander Dugin: Vielfalt der Zivilisationen/ Pepe Escobar: Xi + Putin begraben die Pax Americana/ Verfehlte Sanktionen: Russland blüht auf/ Thierry Meyssan: Vorbereitung auf einen neuen Weltkrieg. Frankreich blockiert
gute analyse - aber ohne spirituelle dimesion unvollständig
er beschreibt die hintergründe des krieges der USA in der ukraine sehr gut, aber er schliesst die spirituelle dimension aus.
- das kali yuga ist vorbei
- es ist der endkampf der dunkelmächte und ihren handlangern
- jetzt steuern die lichtkräfte das weltgeschehen
- die satanisten sind überall am verlieren
- alles läuft in zeitlupe, damit die schlafschafe aufwachen
- putin lässt den westen ausbluten
- traugott: putin kämpft auf sparflamme, bis trump wieder kommt
Von Guy Mettan
Bei einer Russlandreise im Dezember 2022 hatte ich die Gelegenheit, auf dem Rückflug von Sibieren nach Moskau mit Alexander Dugin zu sprechen. Vier Monate nach dem Mord an seiner Tochter Darja unterhielt ich mich mit dem bärtigen Philosophen, der oft als rechtsextremer Nationalist dargestellt und in westlichen Medien als "Putins Rasputin" und "Ideologe des Kreml" beschrieben wird, über sein Denken, seine radikale Kritik an der westlichen Moderne und den Krieg in der Ukraine. Das Gespräch wurde auf Französisch geführt – Dugin spricht ein Dutzend Sprachen.
Weltwoche: Herr Dugin, am 20. August kam Ihre Tochter Daria bei einem Mordanschlag, der offensichtlich auch Ihnen galt, ums Leben. Wer sollte einen Philosophen und dessen Tochter ermorden wollen?
Alexander Dugin: Der einzige Grund waren meine patriotische Haltung und meine Opposition gegen die Hegemonialpolitik des Westens. Vor diesem Attentat wurde ich als "gefährlichster Philosoph für den Westen" bezeichnet. Ich glaube, dass ich als Zielscheibe ausgewählt wurde, weil meine Ideen gegen die Herrschaft der Globalisten gerichtet sind und weil ich einen immer despotischer auftretenden Westen kritisiere. Der Übergang von Worten zu kriminellen Handlungen ist sehr ernst. Denn er bedeutet, dass niemand mehr sicher ist, wenn er die Globalisten kritisiert. Es ist ein Zeichen dafür, dass eine neue Diktatur kommt, die liberale Diktatur. Ich habe die totalitäre Natur des Liberalismus immer angeprangert.
Weltwoche: Warum machen Sie dem Westen so viel Angst?
Dugin: Ich vertrete die Theorie des Eurasianismus. Dieser schlägt eine alternative Struktur zu einer liberalen Weltordnung vor. Ich plädiere für eine multipolare Weltordnung, für eine Vielfalt der Zivilisationen, die untereinander einen Dialog führen und zu denen auch Eurasien gehört. Andere große Zivilisationsräume sind China, Indien, Afrika, Lateinamerika und die arabisch-muslimische Welt. Die eurasische Vision schmälert die Macht des Westens. Sie bekräftigt die Freiheit und das Recht anderer Zivilisationen, unabhängig zu existieren. Und das gilt nicht nur für Russland, sondern für die ganze Welt.
Weltwoche: Wie meinen Sie das genau?
Dugin: Jede Zivilisation hat das Recht, die menschliche Existenz, die Zeit, Gott, den Tod, das Gute und das Böse selber zu bestimmen. Russland kämpft für das Recht aller Zivilisationen, ihre eigenen Wertesysteme zu besitzen. Das Hauptproblem des Westens ist es zu akzeptieren, dass der Westen nur eine Provinz der Menschheit sein könnte, nicht der Mittelpunkt.
"Jede Zivilisation hat das Recht, die menschliche Existenz, das Gute und das Böse selber zu bestimmen."
Weltwoche: Was ist das Wesen der russischen Zivilisation? Woher kommt der Eurasianismus?
Dugin: Er ist die Fortsetzung der Theorie der Slawophilen, die der Ansicht waren, dass Russland kein europäisches Land sei, sondern eine besondere Zivilisation, die sowohl aus westlichen Elementen als auch aus östlichen, asiatischen Einflüssen resultiert. Dieser doppelte Einfluss bildete die Grundlage für ein eigenständiges Gebilde, das auf der Tradition von Byzanz und der Orthodoxie einerseits und der Mongolen andererseits aufbaute.
Weltwoche: Ist in dieser Perspektive der Mongolenherrscher Dschingis Khan ein Ahnherr Russlands?
Dugin: Das von ihm gegründete Reich vereinte Dutzende verschiedener Völker und Kulturen und diente als Vorbild für den Aufbau des übernationalen russischen Imperiums. Die Moskauer Fürsten ließen sich stark davon inspirieren. Das mongolische Großreich lieferte den Rahmen für eine politische und soziale Organisation, die es Völkern unterschiedlicher Herkunft, Sprache und Religion ermöglichte, harmonisch zusammenzuleben.
Weltwoche: Und der andere Einfluss?
Dugin: Er kam, insbesondere auf religiöser Ebene. Aus Byzanz und der Orthodoxie, die die Idee des Katechon, des christlichen "Aufhalters", des Kaisers, entwickelten. Er besaß eine eschatologische, metaphysische Dimension. Seine Aufgabe war es, den Antichristen daran zu hindern, die gesamte weltliche Macht auf der Erde an sich zu reißen. Dieses doppelte Erbe hat das geopolitische, historische und zivilisatorische Bewusstsein Russlands geformt. Ihm ist es zu verdanken, dass Russland nicht nur ein Land, sondern eine eigenständige Zivilisation ist.
Weltwoche: Die Russen als auserwähltes Herrenvolk? Können Sie westliche Kritiker verstehen, die in solchen Visionen Überheblichkeit erkennen?
Dugin: Das ist völlig falsch. Wenn ich ein Rassist, Faschist, Nationalist oder Suprematist wäre, würde ich das gerne gestehen. Aber die multipolare Welt, für die ich mich einsetze, ist das Gegenteil von Suprematismus, egal, wie er aussieht, ob amerikanisch, russisch oder sonst wie. Ich glaube, dass alle Zivilisationen, insbesondere die sogenannten archaischen, traditionellen oder auf vormodernen oder antimodernen Werten beruhenden Kulturen, genauso wertvoll sind wie die moderne westliche, technologisch entwickelte, säkulare, atheistische und materialistische Zivilisation. Ich verteidige das Recht jeder Zivilisation, sie selbst zu sein. Das gilt auch für den Westen und seine postmodernen, ultraliberalen oder wokistischen Werte. Es ist der mörderische globalistische Westen, der andere Zivilisationen daran hindert, sie selbst zu sein.
Weltwoche: Welche Rolle spielt die Nation in diesem Konzept?
Dugin: Ich bin ein Feind der Nationalisten. Die Nation ist eine westliche, moderne, bürgerliche Erfindung. Ich befürworte eine traditionelle Organisation der Gesellschaft mit verschiedenen und vielfältigen Staaten, eine Aristokratie des Geistes, die über der Herrschaft des Wirtschaftlichen steht. Ich bin antimaterialistisch, antibürgerlich, weil ich glaube, dass der Triumph der Bourgeoisie tödlich war.
Weltwoche: Das müssen Sie einer Schweizer Zeitung, die bürgerliche Werte hochhält, bitte erklären.
Dugin: Die Bourgeoisie hat historisch die anderen Stände und gesellschaftlichen Schichten entmachtet. Der größte Teil des Volkes bestand immer aus den Bauern und nicht aus den Bourgeois. Nun war es die kleine bürgerliche Minderheit, die die Macht auf Kosten der Mehrheit des Volkes an sich gerissen hat. Der Aufstieg der Bourgeoisie war eine Pathologie, ein Rückschritt und kein Fortschritt. Ich hasse die Bourgeoisie. Und ich bin antiliberal, weil der Liberalismus zur dritten Form der totalitären Ideologie in der modernen Geschichte geworden ist.
Weltwoche: Liberalismus steht für Freiheit, Selbstbestimmung. Wie kommen Sie darauf, dass liberale Vorstellungen totalitär werden können?
Dugin: Meine Kritik konzentriert sich auf die westliche Moderne, weil ich glaube, dass sich diese Moderne im diktatorischen Kommunismus und im Faschismus manifestiert hat. Beide entstanden im Westen. Auf eine stärker verschleierte Art gilt das auch für den Liberalismus. Er ist hegemonial und kolonial. Er betrachtet seine Werte als universell. Er duldet keine Vielfalt. Die Liberalen sind totalitär, weil sie ihre LGBT+- und Gender-Normen, die Ehe für alle, den Wokismus und den Ultrakapitalismus als einzig mögliche Werte durchsetzen wollen. Dieser Liberalismus hat faschistische Züge, indem er seine Normen um jeden Preis der gesamten Menschheit aufzwingen will. Damit führt er rassistische und koloniale Verhaltensweisen der Vergangenheit fort.
Weltwoche: Sie setzen dem die "Vierte Politische Theorie" entgegen. Was verstehen Sie darunter?
Dugin: Mit ihr will ich die westliche Auffassung überwinden, dass man nur zwischen drei Systemen wählen kann: Kommunismus, Faschismus oder Liberalismus. Wenn Sie keines der drei sind, haben Sie keinen Platz in dieser Welt. Die Vierte Politische Theorie will die Unabhängigkeit des Denkens bewahren. Sie ist das Gegenteil von Dogmatismus. Sie steht für Multipolarität und den Kampf gegen die schädlichen Dogmen der Moderne. Ich habe kein Problem damit, dass man kapitalistisch ist, aber nur, wenn man auch antikapitalistisch sein kann, wenn man das möchte.
Weltwoche: Wo steht da die liberale Demokratie?
Dugin: Die liberale Demokratie ist kein absoluter Wert. Der Westen verhält sich jedoch so, als seien Menschen, die sich seinen Ansichten widersetzen, Kriminelle und Terroristen. Wer sich nicht an diese Weltanschauung hält, wird eliminiert, wie man beim Mord an meiner Tochter gesehen hat.
Weltwoche: Ist der Westen überhaupt stark genug, seine Ansichten durchzusetzen? Viele sehen dem Westen im Niedergang.
"Wenn ich ein Rassist, Faschist, Nationalist oder Suprematist wäre, würde ich das gerne gestehen."
Dugin: Zu Trumps Zeiten dachte ich, der Westen werde die Multipolarität friedlich akzeptieren, sich auf den atlantischen Raum beschränken und so den dritten Weltkrieg vermeiden. Doch mit extremistischen Fanatikern wie Joe Biden, George Soros und den US-Demokraten steht die Welt am Rande des Abgrunds. Diese Globalisten sind bereit, die Menschheit für ihre Ideen zu opfern. Sie wollen nicht anerkennen, dass es auch einen Nicht-Westen, andere Zivilisationen gibt, die ihre Hegemonie ablehnen.
Weltwoche: Biden gilt als eher gemäßigter Demokrat, er ist doch kein Fanatiker.
Dugin: Mit ihm sind wir in ein Zeitalter der Katastrophe eingetreten, weil der Westen entschlossen ist, die Multipolarität um jeden Preis zu bekämpfen. Das ist sehr gefährlich, weil Russland Widerstand leisten und seine Zivilisation verteidigen will. China wird das nächste Ziel sein, und die anderen werden folgen. Wir möchten, dass der Westen unsere Einzigartigkeit akzeptiert. Wir möchten in einer multipolaren Welt in Frieden mit anderen leben, aber uns wird keine Chance dazu gegeben.
Weltwoche: Wie sehen Sie den Konflikt in der Ukraine?
Dugin: Der Krieg in der Ukraine ist schwieriger, als anfangs angenommen wurde. Man muss wissen, dass wir diesen Krieg nicht verlieren dürfen, da es um unsere Existenz geht. Wir stecken in der Klemme: Wir können nicht verlieren, aber es ist sehr schwer, zu siegen. Das macht die Situation dramatisch, vielleicht sogar katastrophal. Denn Russland wird bis zum Ende kämpfen, und dieses Ende kann die nukleare Apokalypse sein. Dieser Ausgang wird immer greifbarer.
Weltwoche: Der Westen wirft Russland vor, die Ukraine vernichten zu wollen.
Dugin: Es geht nicht um die Ukraine, sondern um das globale Sicherheitsgleichgewicht zwischen Russland und dem Westen. Es ist ein Krieg der Zivilisationen. Russland hatte nichts gegen die Ukraine als unabhängigen Nationalstaat. Eine solche Ukraine wäre eine Brücke zwischen uns und Europa gewesen, offen zu uns, weil die Hälfte der ukrainischen Bevölkerung ursprünglich russisch war – auch wenn das heute nicht mehr der Fall ist –, und offen zu Europa, weil die andere Hälfte der Ukraine prowestlich ist. Doch diese historische Chance wurde vertan, und der ukrainische Staat wurde faschistisch, ultranationalistisch und russophob. Er verwandelte sich in die Speerspitze des Kampfes gegen Russland, was wir nicht tatenlos hinnehmen konnten. Deshalb ist dieser Krieg ausgebrochen. Er war nicht von uns gewollt.
Weltwoche: Wie kann Russland dem westlichen Hegemonialstreben Einhalt gebieten?
Dugin: Der richtige Weg ist der Aufbau einer multipolaren Welt. Hegemonie ist per Definition unipolar in allen Bereichen, wirtschaftlich, kulturell, sozial, informationstechnisch, zivilisatorisch, ideologisch, spirituell, wissenschaftlich. Daher muss sie auf jeder Ebene bekämpft werden. Kapitalismus, nein! Liberale Demokratie, nein! Gender-Politik, nein! Kulturverzicht, nein! Weltregierung, nein!
Weltwoche: Betrachten wir andere Zivilisationen. Sie haben insbesondere Ihre Bewunderung für die chinesische und afrikanische Zivilisation zum Ausdruck gebracht. Was bewundern Sie an ihnen?
Dugin: Ich war Professor an der Fudan-Universität in Schanghai und habe China gut studiert. Die chinesische Zivilisation ist beispielhaft, weil sie Moderne und Tradition miteinander in Einklang bringt. Die große konfuzianische Zivilisation strukturiert zudem die Beziehungen zwischen dem Individuum und dem Staat. Es ist das verborgene Genie der chinesischen Kultur, ein Gleichgewicht zwischen dem Individuum und dem Kollektiv, zwischen der menschlichen Person und dem Staat, zu schaffen. Chinas Kapitalismus beruht auf Solidarität und nicht auf Konkurrenz. Man strebt danach, in Harmonie mit dem Anderen zu handeln. Der chinesische Kapitalismus ist nicht westlich. China hat es geschafft, die Prinzipien des Kapitalismus mit denen der östlichen Kultur zu vereinen.
Weltwoche: Und Afrika?
Dugin: Afrika verfügt über einen großen Reichtum an Kulturen, den es allzu oft ignoriert. Als die Entkolonialisierung begann, wollte man den Westen nachahmen und importierte den Kapitalismus, den Sozialismus, den Nationalismus und den Kommunismus, die in Wirklichkeit nur eine Fortsetzung der Kolonialisierung waren. Heute muss Afrika zu den Ursprüngen unabhängigen afrikanischen Bewusstseins zurückkehren. Afrika ist nicht homogen. Es hat unzählige Völker, Kulturen, Sprachen und Ethnien. Die postkolonialen Grenzen haben große Einheiten aufgebrochen und Ethnien und Kulturen geteilt, um künstliche Nationen zu schaffen, die sich bekämpften und die Entstehung eines panafrikanischen Bewusstseins verhinderten. Man sollte die afrikanischen Völker sich so entwickeln lassen, wie sie es wollen, auf ihrem eigenen Weg, mit ihren eigenen Werten, im Einklang mit ihren eigenen Kulturen.
Weltwoche: Wo steht der Islam?
Dugin: Die islamische Kultur ist eine weitere Inspirationsquelle, ebenso die Kultur Indiens oder Lateinamerikas, die weder europäisch noch liberal noch asiatisch sind. Man muss ihnen erlauben, sich unabhängig zu behaupten, und darf ihnen keine fertigen Gebote aufzwingen. Die Russen können übrigens dazu beitragen, aber ohne ihre eigenen Visionen aufzuzwingen.
Weltwoche: Ist das der Unterschied zum Westen?
"Tradition ist keine Rückkehr in die Vergangenheit, sondern eine Wiederentdeckung der Ewigkeit."
Dugin: Ja. Für uns Russen hat der Andere das Recht, ein Anderer zu sein. Für den Westler sind Afrikaner, Araber oder Lateinamerikaner erst respektabel, wenn sie nicht mehr Afrikaner, Araber oder Lateinamerikaner sind und sich verwestlicht haben, indem sie europäische Gepflogenheiten übernommen haben, von der Kleidung bis zu Gender-Theorien. Diese Unfähigkeit, die richtige Haltung gegenüber dem Anderen zu finden, ist die Todsünde des Westens.
Weltwoche: Eine letzte Frage. Warum diese radikale Antimoderne? Gibt es in der heutigen Moderne nichts mehr zu retten?
Dugin: Die Moderne ist ein Prozess. Folgt man ihm, wird es zur Überwindung des Menschen durch die Maschine, zum Aufkommen asexueller Persönlichkeiten und zur Reproduktion der menschlichen Gattung ohne menschliches Zutun kommen. Denn der Individualismus, die Triebfeder der Moderne, der Säkularismus, der Atheismus und die Verneinung der Tradition führen uns direkt in die Entmenschlichung. Wir sind uns dessen nicht bewusst, weil wir die Moderne anhand der Kriterien der Moderne selbst und der modernen Werte beurteilen. Wenn wir sie jedoch mit den Augen der Tradition beurteilen würden, könnten wir die zunehmende Entmenschlichung wahrnehmen und sehen, wie der Humanismus, wenn er bis zum Äußersten getrieben wird, zum Verschwinden des Menschen führt. Deshalb muss die gesamte Moderne abgelehnt werden, nicht nur dieser oder jener ihrer Aspekte.
Weltwoche: Stattdessen eine Flucht zurück, in die Tradition?
Dugin: Tradition ist keine Rückkehr in die Vergangenheit, sondern eine Wiederentdeckung der Ewigkeit. Die Moderne begann mit der Verneinung der Ewigkeit. Die Ewigkeit existiert nicht um ihrer selbst willen. Es ist von entscheidender Bedeutung, die ewige Dimension des Seins wiederzuentdecken. Die Ewigkeit ist auch keine unbestimmte Dauer, sondern eine andere Dimension des Seins, die senkrecht zur Zeitlinie steht und sowohl vertikal als auch transversal ist. Sie gehört nicht nur der Vergangenheit an, sondern auch der Gegenwart und der Zukunft.
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Die Weltwoche hat nach dem Interview mit Alexander Dugin noch nachstehenden Text zur Person des Philosophen angefügt, den wir hier unverändert wiedergeben.
WER IST ALEXANDER DUGIN?
Für die einen ist er "Putins Rasputin", der dem Kremlchef üble Ideen einflüstert. Für die anderen steht er in der Tradition großer russischer Denker wie Lew Tolstoi oder Alexander Solschenizyn. Sicher ist, dass sich an Alexander Dugin die Geister scheiden. Woher er kommt, was er früher getan hat – all dies ist von Geheimnissen umgeben, an denen der 61-Jährige Philosoph eifrig mitgewoben hat. So soll er entweder für den KGB oder als Straßenkehrer gearbeitet haben – die Bandbreite ist groß.
Heute ist Dugin der prominenteste Vertreter des Eurasismus, einer Ideologie, die im eurasischen Kontinent ein traditionelles Gegengewicht zum angeblich dekadenten atlantischen Westen sieht. Von 2010 bis 2014 war er Professor für Soziologie der internationalen Beziehungen an der Lomonossow-Universität Moskau. Dugin, der von Nietzsche und Carl Schmitt beeinflusst wurde, lehnt den Liberalismus ab. In seinem Denken finden sich auch rechtsextreme Elemente. Eine Zeit lang war er Co-Vorsitzender der 2005 verbotenen Nationalbolschewistischen Partei Russlands.
Ob er Einfluss auf Putin hat, ist ungewiss. Offenbar hat er ihn nie getroffen. Allerdings gilt sein Standardwerk "Grundlagen der Geopolitik" als wichtiges Lehrbuch für angehende russische Generalstabsoffiziere. In der Ukraine sieht man ihn offenbar als Bedrohung. Die Regierung in Kiew soll hinter dem Anschlag stehen, dem seine Tochter Darja im August 2022 zum Opfer fiel. Eigentliches Ziel soll Dugin gewesen sein. (ky)
__________________________________________
Guy Mettan ist ehemaliger Chefredaktor der Tribune de Genève und Großrat des Kantons Genf (früher CVP, heute parteilos).
Redaktionelle Anmerkung: Das vorstehende Interview erschien zuerst am 21. Januar 2023 in der Weltwoche Nr. 03/2023. RT DE dankt für die freundliche Genehmigung zur Wiederveröffentlichung.
Mehr zum Thema - Alle Masken abgeworfen: Der Westen bekennt sich offen zum Krieg gegen Russland
RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
In Moskau begraben Xi und Putin die Pax Americana
Bildnachweis: The Cradle
Was gerade in Moskau stattgefunden hat, ist nichts weniger als ein neues Jalta, das übrigens auf der Krim liegt. Aber im Gegensatz zu dem bedeutsamen Treffen von US-Präsident Franklin Roosevelt, dem sowjetischen Führer Joseph Stalin und dem britischen Premierminister Winston Churchill auf der von der UdSSR kontrollierten Krim im Jahr 1945 ist dies das erste Mal seit wohl fünf Jahrhunderten, dass kein politischer Führer aus dem Westen die Agenda der Welt bestimmt.
Es sind jetzt der chinesische Präsident Xi Jinping und der russische Präsident Wladimir Putin, die die multilaterale, multipolare Show leiten. Westliche Ausnahmekönner können ihre Heulsusen-Routinen so oft einsetzen, wie sie wollen: Nichts wird die spektakuläre Optik und die zugrunde liegende Substanz dieser sich entwickelnden Weltordnung ändern, insbesondere für den globalen Süden.
Was Xi und Putin vorhaben, wurde vor ihrem Gipfel ausführlich in zwei von den Präsidenten selbst verfassten Kommentaren erläutert. Wie ein hochsynchronisiertes russisches Ballett wurde Putins Vision in der People's Daily in China dargelegt und konzentrierte sich auf eine „zukunftsorientierte Partnerschaft“, während Xis Vision in der Russian Gazette und auf der RIA Novosti -Website veröffentlicht wurde und sich auf ein neues Kapitel in Zusammenarbeit und gemeinsamer Entwicklung konzentrierte.
Gleich zu Beginn des Gipfels trieben die Reden von Xi und Putin die Nato-Menge in eine hysterische Raserei aus Wut und Neid: Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Zakharova, traf die Stimmung perfekt, als sie bemerkte, dass der Westen „Schaum vor dem Mund habe“.
Die Titelseite der Russian Gazette am Montag war ikonisch: Putin tourt durch das Nazi-freie Mariupol, plaudert mit Einwohnern, Seite an Seite mit Xis Op-Ed. Das war, kurz gesagt, Moskaus knappe Antwort auf Washingtons MQ-9 Reaper-Stunt und den Känguru-Gericht-Scherz des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH). „Schaum vor dem Mund“ so viel sie wollen; die NATO wird in der Ukraine gründlich gedemütigt.
Bei ihrem ersten „informellen“ Treffen unterhielten sich Xi und Putin nicht weniger als viereinhalb Stunden. Am Ende eskortierte Putin Xi persönlich zu seiner Limousine. Dieses Gespräch war der eigentliche Deal: die Kartierung der Grundzüge der Multipolarität – die mit einer Lösung für die Ukraine beginnt.
Wie vorherzusehen war, gab es nur sehr wenige Lecks von den Sherpas, aber es gab ein ziemlich bedeutendes Leck bei ihrem „eingehenden Austausch“ über die Ukraine. Putin betonte höflich, dass er Chinas Position respektiere – ausgedrückt in Pekings 12-Punkte-Konfliktlösungsplan, der von Washington vollständig abgelehnt wurde. Aber die russische Position bleibt eisern: Entmilitarisierung, ukrainische Neutralität und Verankerung der neuen Tatsachen vor Ort.
Parallel dazu schloss das russische Außenministerium eine Rolle der USA, Großbritanniens, Frankreichs und Deutschlands in künftigen Ukraine-Verhandlungen vollständig aus: Sie gelten nicht als neutrale Vermittler.
Ein multipolarer Patchwork-Quilt
Der nächste Tag stand ganz im Zeichen des Business: von Energie über „militärisch-technische“ Zusammenarbeit bis hin zur Verbesserung der Effizienz von Handels- und Wirtschaftskorridoren durch Eurasien.
Russland steht bereits an erster Stelle als Erdgaslieferant für China – vor Turkmenistan und Katar – größtenteils über die 3.000 km lange Power of Siberia-Pipeline, die von Sibirien in die nordöstliche chinesische Provinz Heilongjiang führt und im Dezember 2019 in Betrieb genommen wurde. Verhandlungen über die Power of Siberia II Pipeline über die Mongolei schreiten schnell voran.
Die chinesisch-russische Zusammenarbeit im Hightech-Bereich wird durch die Decke gehen: 79 Projekte mit über 165 Milliarden Dollar. Alles von verflüssigtem Erdgas (LNG) über Flugzeugbau, Werkzeugmaschinenbau, Weltraumforschung, Agroindustrie bis hin zu modernisierten Wirtschaftskorridoren.
Der chinesische Präsident sagte ausdrücklich, er wolle die Projekte der Neuen Seidenstraße mit der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) verbinden. Diese BRI-EAEU-Interpolation ist eine natürliche Entwicklung. China hat bereits ein Abkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der EAWU unterzeichnet. Die Ideen des russischen makroökonomischen Superstrategen Sergey Glazyev tragen endlich Früchte.
Und nicht zuletzt wird es einen neuen Trend zu gegenseitigen Abrechnungen in nationalen Währungen geben – und zwischen Asien und Afrika und Lateinamerika. Aus allen praktischen Gründen befürwortete Putin die Rolle des chinesischen Yuan als neue Handelswährung der Wahl, während die komplexen Diskussionen über eine neue Reservewährung, die durch Gold und/oder Rohstoffe gedeckt ist, weitergehen.
Diese gemeinsame Wirtschafts- und Geschäftsoffensive knüpft an die konzertierte diplomatische Offensive zwischen Russland und China an, um weite Teile Westasiens und Afrikas neu zu gestalten.
Die chinesische Diplomatie funktioniert wie die Matroschka (russische Stapelpuppen), wenn es darum geht, subtile Botschaften zu übermitteln. Es ist alles andere als zufällig, dass Xis Reise nach Moskau genau mit dem 20. Jahrestag des amerikanischen „Shock and Awe“ und der illegalen Invasion, Besetzung und Zerstörung des Irak zusammenfällt.
Parallel dazu trafen über 40 Delegationen aus Afrika einen Tag vor Xi in Moskau ein, um an einer parlamentarischen Konferenz „Russland-Afrika in der multipolaren Welt“ teilzunehmen – im Vorfeld des zweiten Russland-Afrika-Gipfels im kommenden Juli.
Die Gegend um die Duma sah genauso aus wie zu Zeiten der Blockfreien Bewegung (NAM), als der größte Teil Afrikas sehr enge antiimperialistische Beziehungen zur UdSSR unterhielt.
Putin wählte genau diesen Moment, um mehr als 20 Milliarden Dollar an afrikanischen Schulden abzuschreiben.
In Westasien agieren Russland und China völlig synchron. Die saudisch-iranische Annäherung wurde eigentlich von Russland in Bagdad und Oman angekurbelt: Es waren diese Verhandlungen, die zur Unterzeichnung des Abkommens in Peking führten. Moskau koordiniert auch die Annäherungsgespräche zwischen Syrien und der Türkei. Die russische Diplomatie mit dem Iran – jetzt unter dem Status einer strategischen Partnerschaft – wird auf einer separaten Spur geführt.
Diplomatische Quellen bestätigen, dass sich der chinesische Geheimdienst durch seine eigenen Ermittlungen nun völlig sicher ist, dass Putin in ganz Russland und sogar innerhalb der politischen Eliten des Landes sehr beliebt ist. Das bedeutet, dass Verschwörungen in der Art eines Regimewechsels nicht in Frage kommen. Dies war grundlegend für die Entscheidung von Xi und Zhongnanhai (Chinas zentralem Hauptquartier für Partei- und Staatsbeamte), in den kommenden Jahren auf Putin als vertrauenswürdigen Partner zu „wetten“, wenn man bedenkt, dass er bei den nächsten Präsidentschaftswahlen antreten und gewinnen könnte. China geht es immer um Kontinuität.
So besiegelte der Xi-Putin-Gipfel China und Russland endgültig als umfassende strategische Partner auf lange Sicht, die sich verpflichtet haben, einen ernsthaften geopolitischen und geoökonomischen Wettbewerb mit dem Niedergang der westlichen Hegemonie zu entwickeln.
Dies ist die neue Welt, die diese Woche in Moskau geboren wurde. Putin hat es zuvor als neue antikoloniale Politik definiert. Es ist jetzt als multipolare Patchworkdecke angelegt. Bei der Zerstörung der Überreste der Pax Americana gibt es kein Zurück mehr.
„Veränderungen, die es seit 100 Jahren nicht gegeben hat“
In Before European Hegemony: The World System AD 1250-1350 baute Janet Abu-Lughod eine sorgfältig konstruierte Erzählung auf, die die vorherrschende multipolare Ordnung zeigt, als der Westen „hinter dem ‚Orient‘ zurückblieb“. Der ‚Orient‘ war vorübergehend in Unordnung.“
Wir werden vielleicht Zeugen der Entstehung einer ähnlich historischen Veränderung, die durch eine Wiederbelebung des Konfuzianismus (Respekt vor Autorität, Betonung sozialer Harmonie), das dem Tao innewohnende Gleichgewicht und die spirituelle Kraft der östlichen Orthodoxie überschritten wird. Dies ist in der Tat ein zivilisatorischer Kampf.
Moskau, das endlich die ersten sonnigen Frühlingstage begrüßte, lieferte diese Woche eine überlebensgroße Illustration von „Wochen, in denen Jahrzehnte passieren“ im Vergleich zu „Jahrzehnten, in denen nichts passiert“.
Die beiden Präsidenten nehmen auf ergreifende Weise Abschied.
Xi: „Jetzt gibt es Veränderungen, die es seit 100 Jahren nicht gegeben hat. Wenn wir zusammen sind, treiben wir diese Veränderungen voran.“
Putin: „Ich stimme zu.“
Xi: „Pass auf dich auf, lieber Freund.“
Putin: „Gute Reise“
Auf einen neuen Tag, der von den Ländern der aufgehenden Sonne bis zu den eurasischen Steppen anbricht.
Die in diesem Artikel geäußerten Ansichten spiegeln nicht unbedingt die von The Cradle wider.
*Pax Americana: https://de.wikipedia.org/wiki/Pax_Americana
Quelle: https://thecradle.co/article-view/22818/columns
Mit freundlicher Genehmigung von thecradle.co
Die Übersetzung für seniora.org besorgte Andreas Myläus
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Was ist dran an der "lahmgelegten Wirtschaft" Russlands?
https://freeassange.rtde.life/meinung/163058-verfehlte-sanktionen-was-ist-dran/
18.02.2023
Renten- und Leistungserhöhungen, Überfluss und Stabilität: Irgendetwas im Kalkül der USA
und der EU, die russische Wirtschaft mit Sanktionen zu ruinieren, ist eindeutig schief
gelaufen – man sollte nur durch russische Geschäfte bummeln oder mit Russen sprechen.
Von Dora Werner
Sanktionen? Na ja, alle Medien – im In- und Ausland – schreiben darüber, aber in Russland fühlt es
sich so an, als gäbe es sie gar nicht. Dafür gibt es einen wirtschaftlichen Aufschwung und eine
Renaissance der russischen Produzenten – dank des freigewordenen Marktes. Der Premierminister
Russlands Michail Mischustin erklärte kürzlich auf einer Regierungssitzung, die Arbeitslosigkeit im
Lande habe Ende des Jahres 2022 einen historischen Tiefstand erreicht und das BIP sei trotz aller
negativen Prognosen westlicher Experten und "noch nie dagewesener Sanktionen" um nur 2 Prozent
gesunken. Zwei Prozent statt einer zweistelligen Zahl. Das klingt nicht gerade nach einer
Wirtschaft, die durch westliche Sanktionen unaufhaltsam in Richtung Abgrund getrieben wird,
oder?
Fatale Fehlkalkulation
Man muss ehrlich zugeben: Die Beständigkeit der russischen Wirtschaft war nicht nur für
ausländische Politiker und Journalisten eine Überraschung. Auch die Russen hatten nicht damit
gerechnet, dass es so kommen würde.
Man hatte nicht damit gerechnet, dass die Wirtschaft anstelle eines Zusammenbruchs wie in den
neunziger Jahren nicht nur standhalten, sondern sich auf einen neuen Kurs begeben würde. Dass die
russischen Städte so komfortabel wie zuvor und die Preise nahezu unverändert bleiben. Dass im
Jahr der härtesten Sanktionen gegen Russland die Renten und Sozialleistungen erhöht, Filme und
einheimische Unternehmer gefördert, kinderreiche Familien und sozial schwache Bürger weiterhin
unterstützt werden.
Eduard Steiner schreibt enttäuscht in Die Welt:
"Es gehört zur Tradition, dass Russen am Ende eines Jahres noch einmal so richtig auf den
Putz hauen und keine Ausgaben scheuen. Zu wichtig sind ihnen die Feiertage, die mit dem
Weihnachtsbaum, Geschenken – und seit vielen Jahren auch mit teuren Restaurantbesuchen
– am 31. Dezember beginnen.
Und so ist es nicht weiter verwunderlich, dass auch dieses Jahr eifrig Tische gebucht
werden. Verwunderlich ist nur, dass die Nachfrage nach ihnen in Moskau plötzlich sogar
höher ist als im vergangenen Jahr. Im Premiumsegment war bereits zur Monatsmitte alles ausgebucht und in den anderen Segmenten zu 70 bis 90 Prozent, wie die Daten der
Moskauer Agentur Appetitmarketing zeigen. Kann das ins Bild eines Landes passen, das
sich in einer Wirtschaftskrise, einem Krieg und unter westlichen Sanktionen befindet?"
Freilich, lieber Herr Steiner – denn Russland befindet sich nicht in einer Wirtschaftskrise. Auch
wenn es Ihnen nicht so recht passt.
Ganz in der Nähe von meinem Wohnhaus in Moskau gibt es Kaufhäuser und ein großes
gastronomisches Zentrum. Dieses Konzept, das in den letzten Jahren in den großen russischen
Städten in Mode gekommen ist, hat nun auch die Außenbezirke von Moskau erreicht. Im Sommer
ist das Gebäude von Sommerterrassen umgeben, auf denen Steaks und gegrilltes Gemüse zubereitet
und Cocktails ausgeschenkt werden, und im Winter wird es fast 24 Stunden lang von Lichtern
umhüllt. Im Vergleich zu den Lebensmittelhallen, die in die riesigen historischen Märkte Moskaus
wie den Danilowski-Markt integriert sind, ist diese natürlich klein, aber auch hier kann man die
Vielfalt des zeitgenössischen russischen Gastro-Lebens genießen.
Bei jedem Wetter und zu jeder Tageszeit kann man über die Straße gehen, sich auf wundersame
Weise in Deutschland oder in der Türkei, in Vietnam oder Japan, in Frankreich oder Griechenland,
im Libanon oder in Georgien, in Amerika oder in Sibirien wiederfinden und köstliche hausgemachte
heiße Pelmeni, aromatische Moussaka, zarte georgische Chatschapuri, deutsche Weißwürste,
vietnamesische Pho-Bo-Suppe und Hühnchen nach Hongkong-Art probieren. Oder man nehme eine
schöne Schachtel bunter Eclairs zum Tee mit nach Hause, die genauso köstlich sind wie die auf den
Pariser Boulevards. Oder das sanfteste türkische Baklava. Oder einfach frisches, handwerklich
hergestelltes Brot aus der örtlichen Bäckerei.
Die runde Bar in der Mitte hat eine Barkarte, als gäbe es gar keine Sanktionen – Gewürztraminer
aus Deutschland, französischer Champagner von Moët & Chandon, italienischer Chianti,
amerikanischer Jim Beam-Whisky, Jägermeister, Becherovka und vieles mehr, was laut westlichen
Mainstream-Medien nicht in Moskau sein sollte.
"Wenn es das ist, was die Amerikaner, die Briten und die Deutschen im Sinn haben, wenn sie immer
wieder sagen, dass die Sanktionen gegen Russland funktionieren und sogar bald noch besser
funktionieren werden, dann sollten sie meiner Meinung nach funktionieren. Das ist nur gut für uns",
sagt mir mein Freund aus Moskau und bestellt beim Barkeeper einen Cocktail mit Limoncello,
Yuzu-Saft, Aloe-Honig, Prosecco, Mineralwasser und Thymian.
Brot und Spiele!
Die ersten Wochen nach der plötzlichen Verhängung westlicher Sanktionen schockierten:
Lebenswichtige Güter wie Zucker, Hygieneartikel und Papierservietten waren plötzlich
verschwunden, Säfte und Milch waren nicht mehr zu bekommen, weil die Tetrapak-Verpackungen
knapp wurden. Menschen deckten sich verzweifelt mit Medikamenten und ausländischen Waren
ein, die bald verschwinden sollten. Die Panik legte sich jedoch schnell – der Regierung und den
großen Wirtschaftsakteuren gelang es, die Bürger zu beruhigen und schnell zu reagieren, indem sie
in Rekordzeit neue Lieferketten aufbauten.
Seit diesen Wochen hat sich viel getan, und man kann sagen, dass die russische Wirtschaft seitdem
völlig neu aufgestellt wurde. Es sind neue Artikel hinzugekommen, etwa aus der Türkei,
Zentralasien und den Ländern des Ostens und Lateinamerikas. Einige Marken haben den Besitzer
gewechselt. Der finnische Weichkäse Viola zum Beispiel, der seit der Sowjetzeit bei den Russen
sehr beliebt ist, oder Kaffee Paulig – ihre Vermögenswerte, Fabriken und Marken wurden von
russischen Unternehmern mit einem hohen Preisnachlass aufgekauft. Nun produzieren die neuen Eigentümer weiterhin die gleichen Markenprodukte in Spitzenqualität.
Im letzten Jahr wurde klar: Ein Sanktionskrieg gegen Russland nach den Ereignissen auf der Krim
kam eindeutig der russischen Wirtschaft zugute. In den frühen 2000er Jahren waren die
Konsumgüter in den russischen Geschäften fast zu hundert Prozent importiert – selbst die
Kartoffeln kamen aus Israel. Schon nach der Krim und den Sanktionen war die Ernüchterung groß.
Das Land kam schließlich zu dem Schluss, dass alles Lebensnotwendige auf heimischem Boden
produziert und angebaut werden muss. Nun, in den letzten Monaten, haben die Russen gemerkt,
dass all dies nicht umsonst war: Es gab keinen Mangel an Obst und Gemüse und auch nicht an
irgendetwas, das Russland wieder selbst herzustellen gelernt hat.
Vor dem Jahr 2014 produzierte Russland zum Beispiel so gut wie keinen eigenen Käse. Und als
Mozzarella, Maasdam und Camembert aus den Regalen verschwanden, war dies für viele
schockierend. Doch dann entstanden private Käsefabriken, und die großen Molkereien begannen zu
lernen, wie man guten Käse herstellt. Auch manche europäische Unternehmer kamen nach Russland
und begannen hier mit der Herstellung von Milchprodukten. Zum Beispiel der Deutsche Stefan
Dürr, der in Russland eine Milchwirtschaft in einem solchen Umfang aufgebaut hat, dass seine
Milch, sein Hüttenkäse und seine Ekoniva-Joghurts nun in jedem Supermarkt des riesigen Landes
erhältlich sind. Das Unternehmen expandiert derzeit nach China, in die Vereinigten Arabischen
Emirate und in neue russische Regionen im Donbass.
Vielleicht gerade deshalb, weil Russland damals auf vieles aus dem Westen verzichten konnte, hat
es nun genug davon. Obwohl es anfangs so aussah, als ob alle ausländischen Hersteller weggingen,
stellte sich heraus, dass dies überhaupt nicht der Fall ist.
So zeigt eine Studie der Schweizer Universität St. Gallen zum Beispiel, dass nur 9 Prozent der
ausländischen Unternehmen Russland verlassen haben. Trotz der öffentlichen Behauptungen ist der
Rest noch im Geschäft. McDonald's, Apple, Sephora, Obi und L'Occitane – einige sind wieder da,
andere haben eine "Reinkarnation" durchgemacht und werden nun von neuen russischen
Eigentümern betrieben. Ohne Qualitätsverlust, wohlgemerkt. Ich mag den neuen McDonald's, der
jetzt "Wkusno – i totschka" heißt, übrigens viel mehr als den alten. Die neuen Besitzer haben das
Angebot deutlich erweitert und dem Geschmack der Russen angenähert.
Sanktionen, die nach Beginn der russischen Militäroperation verhängt wurden. Natürlich haben
einige Restaurantbesitzer geschlossen und das Land ganz verlassen – aber an ihrer Stelle haben
neue eröffnet. Im Laufe des Jahres entwickelten sich auch neue Trends in der Gastronomie.
Während früher die europäische Küche der Renner war, wird jetzt die Küche des Nahen Ostens und
der asiatischen Länder immer beliebter. Und anstelle europäischer Köche laden die Restaurants
Stars der Haute Cuisine aus dem Orient ein, zum Beispiel aus Istanbul.
Das ist die Sache mit dem Brot. Was wiederum die Unterhaltung betrifft, ist es etwas komplizierter.
Mit der Verhängung westlicher Sanktionen geriet beispielsweise der russische Filmverleih in eine
tiefe Krise, und es ist unklar, wann er sich daraus befreien wird: Westliche Filmkonzerne haben sich
aus dem russischen Markt zurückgezogen, und der Anteil des hochwertigen russischen
Filmmaterials ist immer noch gering. Das Land hat ein umfangreiches Subventionsprogramm für
neue russische Filmproduktionen – sowohl für Erwachsene als auch für Kinder – gestartet, dessen
Ergebnisse jedoch erst in der Zukunft zu sehen sein werden.
Allerdings hat man, wenn man heutzutage in Moskau ins Kino geht oder den Fernseher einschaltet,
das Gefühl, dass die russische Unterhaltungsbranche in den letzten zwei Jahren ihre Kräfte für einen
entscheidenden Vorstoß gebündelt hat. Derzeit bricht zum Beispiel der neue russische FilmTscheburaschka alle Besucher- und Gewinnrekorde. Er hat bereits die erfolgreichsten
amerikanischen Blockbuster in allen Zahlen übertroffen – weder Avatar noch Batman haben je so
viel in Russland eingespielt. Die Geschichte von einem kauzigen Wesen mit den riesigen Ohren
stammt aus der sowjetischen Literatur und Zeichentrickfilmen. Tscheburaschka ist eine Kultikone,
eine Legende, ein Liebling vieler Generationen von Russen und das Maskottchen der russischen
Olympiamannschaft. Nun ist er mithilfe von Computertechnik à la Hollywood zum Leben erweckt
worden, und um ihn herum wurde eine gute Geschichte mit russischen Filmstars gesponnen. Das ist
wahrscheinlich der Grund, warum der Film an vielen Wochenenden hintereinander an der Spitze der
russischen Kinokassen steht.
Selbstverständlich reicht ein einziger Film, selbst ein sehr erfolgreicher, nicht aus; man braucht eine
ganze Industrie – aber der Anfang ist eindeutig gemacht. Genauso sieht es in der Serienbranche aus.
Die zweite Staffel der russischen Kultserie "Vampire der Midlands" ist gerade zu Ende gegangen
und wurde wegen des großen Erfolgs um eine dritte Staffel verlängert.
"Ich bin schon seit tausend Jahren eine Kreatur. Aber manchmal möchte man einfach nur ein
Mensch sein", sagt Großvater Slawa in "Vampire der Midlands". Die Vampirfamilie aus Smolensk,
die gar keine Familie ist, sich aber für eine hält, wirkt sehr russisch und sehr modern.
"'Genosse Stalin und ich haben ein blutiges Geheimnis', sagt der Rentner Swjatoslaw
Wernidubowitsch, nimmt einen Band aus der Sammlung der Werke des Machthabers aus dem Regal
und holt daraus ein Fläschchen. In dem Fläschchen befindet sich Blut, das dem frisch bekehrten
Vampir Schenka helfen soll, eine Hungerattacke zu überstehen. Der junge Mann hat sich den
ganzen Tag mit einem Messer gestochen und versucht, sich zu erhängen, weil er sich über die
Regeneration freut, die er zusammen mit seinen Reißzähnen erhalten hat, aber er hat seine Kräfte
nicht richtig eingeschätzt. Swjatoslaw Wernidubowitsch (für die, die ihm nahe stehen Großvater
Slawa) scheint es immer wieder zu bereuen, dass er Schenka umgewandelt hat, aber er kann ihn
nicht aufgeben – jetzt ist er buchstäblich sein eigenes Blut. Großvater Slawa hat noch weitere
Schützlinge: Die Ermittlerin Anna und den Arzt Jean Iwanowitsch. Alle zusammen leben sie im
modernen Smolensk, aber belästigen niemanden – sie trinken ausschließlich Blut von
Blutspendern", schreibt das Magazin Moskvich.mag zu dem Inhalt der Serie.
"Vampire der Midlands" ist eindeutig ein Durchbruch und der Beginn der modernen
Kinematographie in Russland. Denn es ist ein kraftvoller Cocktail aus Krimi, Drama, Komödie und
Thriller, ein Verweis auf die große russische Literatur, von Dostojewski bis Bulgakow, und eine
ironische Entlarvung aller "Vampir"-Klischees. Der russische Filmkritiker Jaroslaw Sabalujew geht
in Moskvich.mag auf das Phänomen der "Vampire" ein:
"'Vampire der Midlands' ist natürlich eher wie 'The Addams Family' – in dem Sinne, dass
auch er in erster Linie ein Film über eine Familie ist. Dennoch vermeidet die Serie auf
charmante Art und Weise offensichtliche Genre-Wendungen. Natürlich gibt es auch hier
Witze über regierende Blutsauger und über Stars, die sich für das ewige Leben entschieden
haben, aber sie erklingen dezent, halblaut, irgendwo am Rande des Geschehens. Im Zentrum
steht ein schlaues Arrangement des provinziellen Vampirlebens, und die Erkenntnis, dass
das heruntergekommene Smolensk mit seiner tausendjährigen Geschichte bereits eine
hervorragende Kulisse für eine russische Version des Gothic-Genres ist. Sex gibt es hier
auch fast keinen. Für die erotische Linie scheint der ehemalige Arzt Napoleons, Jean
Iwanowitsch, zuständig zu sein, aber seine sinnlichen Pirouetten sind von einer charmanten
Absurdität geprägt. Statt um Sex geht es hier, so lächerlich das auch erscheinen mag, um
Fürsorge und Liebe."
Die Abwanderung westlicher Filmproduzenten war ein schwerer Schlag für die russischen Kinos und die gesamte Branche – wie von den Architekten der Sanktionen geplant. Aber im Ergebnis hat
dies den russischen Filmmarkt gezwungen, sich weiterzuentwickeln. Dies wäre wahrscheinlich
nicht geschehen, wenn Disney, Paramount und andere auf dem russischen Markt geblieben wären.
Viele in der Branche sehen darin eine einzigartige Chance, die russische Filmproduktion endlich in
Gang zu bringen. Anton Maslow, der Regisseur der ersten Staffel von "Vampire der Midlands",
prophezeite beispielsweise in einem Interview, dass es in den kommenden Jahren viele gute und
hochwertige Filmproduktionen in Russland geben werde. Alles in allem: Geben Sie dem russischen
Kino noch ein paar Jahre, dann wird es mit Hollywood gleichziehen. Oder es vielleicht sogar
überholen.
Das Leben "Made in Russia"
Die Aufnahmen zeigen atemberaubende Berglandschaften und gut ausgebaute Autobahnen,
Jugendstilvillen und gemütliche Hotels. Während ich das Abendessen koche, läuft im Fernsehen der
Sender "Mein Planet". Heute geht es um Kislowodsk und Pjatigorsk, die Thermen des russischen
Kaukasus, die von Puschkin, Lermontow, Tolstoi und anderen Stars der russischen Literatur geliebt
wurden. Ich schaue mir historische Steinbäder und modernste Thermalpools an und überlege schon,
wann ich dorthin fahren kann.
Vor der Pandemie war das Hauptthema von "Mein Planet" das Reisen ins Ausland – Europa,
Amerika, Asien, was auch immer. Russland war rar gesät. Die Pandemie, die endlosen Lockdowns
und Restriktionen änderten alles – Russen, denen die Möglichkeit genommen wurde, ins Ausland zu
reisen, stürmten das eigene Land. Damals war die Infrastruktur noch nicht überall ausreichend, aber
die ersten Schritte waren getan – ein Boom im Inlandstourismus begann.
Die 2022 vom Westen verhängten Sanktionen haben diesen Prozess vervollständigt. Jetzt erkunden
russische Touristen Teile des Landes, von denen sie nicht einmal wussten, dass es sie gibt, und in
den russischen Regionen entsteht eine Infrastruktur, die den Touristenströmen entspricht. Quasi aus
dem Nichts. Auch das Regierungsprogramm zur Förderung des Inlandstourismus hat seinen Teil
dazu beigetragen: Seit einem Jahr erhalten Inhaber der Karte Mir bei der Buchung von
Russlandreisen einen beachtlichen Cashback.
Und "Mein Planet" besteht inzwischen zu 80 Prozent aus Sendungen über Russland. Der Moderator
Andrei Ponkratow zum Beispiel stellt in seiner Sendung "Zu Hause lebt es sich besser" Orte in
Russland vor, die man leicht mit ihren ausländischen Pendants verwechseln kann, seien es die
Schweizer Alpen, die französische Riviera oder die amerikanischen Canyons.
Russland zu bereisen ist heute trendy und stylisch – so wie es früher trendy war, in österreichische
Skigebiete zu fahren und in italienischen Städten spazieren zu gehen. In den Glamour-Magazinen,
die noch vor einem Jahr voll von Paris, New York oder London waren, dominieren jetzt die
glamourösen Lieblingsorte russischer Touristen: Sankt Petersburg, Sotschi und Kasan.
Die Neujahrsferien haben bereits die Ergebnisse der Sanktionen gezeigt: Laut Delovoy Peterburg
übertrafen die Touristenströme in russische Regionen in diesem Jahr die des Vorjahres um
rekordverdächtige 15 Prozent. Einige Gebiete, wie das Gebiet Wologda, meldeten sogar einen
Anstieg der Touristenströme um 61 Prozent.
Dabei waren die Russen nicht nur in den Süden, sondern auch in den Norden des Landes unterwegs.
"Frost liegt wieder im Trend", stellt Delovoy Peterburg fest und nennt neben dem Gebiet Wologda
auch Karelien und Murmansk als weitere Renner unter den russischen Touristen.
Ähnlich sieht es in vielen anderen Branchen aus.
Vor einem Jahr dominierten ausländische Marken die Regale der Geschäfte, Apotheken und Online-
Marktplätze. Es schien unmöglich, ohne die Cremes und Shampoos europäischer Marken zu leben.
Ein Jahr ist vergangen, und das Bild hat sich völlig gewandelt: L’Oréal und Nivea schmachten jetzt
irgendwo am Rande, und der Markt wird zunehmend von russischen Marken erobert. Ich habe
beispielsweise mindestens 30 russische Projekte gezählt, die in diesem Segment derzeit schnell an
Popularität gewinnen.
Einige von ihnen beschäftigen sich mit "sauberer", organischer Kosmetik, andere führen moderne
wissenschaftliche Entwicklungen ein – und zwar nicht nur Peptide, die bereits überall beliebt
geworden sind. So wird beispielsweise das von MSU-Wissenschaftlern entwickelte Molekül SkQ1
in der Kosmetik verwendet. SkQ1 ist eine einzigartige Anti-Aging-Komponente und ein
Antioxidant. Es ist in der Lage, in die Zellen einzudringen und sich direkt am Ort der Bildung
reaktiver Sauerstoffspezies und freier Radikale – in den Mitochondrien – anzureichern, was es
tausendmal wirksamer macht als Coenzym Q10.
Der Boom guter russischer Kosmetika hat dazu geführt, dass sowohl Schönheitsexperten als auch
fortgeschrittene Anwender ausländische Produkte zunehmend durch einheimische ersetzen. Und die
ausländischen Firmen müssen enorme Anstrengungen unternehmen, um auf einem Markt zu
bleiben, der bis vor kurzem fast ausschließlich ihnen gehörte. So starteten L’Oréal und Nivea vor
dem Jahreswechsel eine groß angelegte Werbekampagne im russischen Fernsehen, wie man sie
schon lange nicht mehr gesehen hatte – in dem Versuch, die Verbraucher zurückzugewinnen.
Ähnlich sieht es in anderen Branchen aus, von Baumaterialien bis zu Haushaltsgeräten. In ihrem
Bestreben, Russland und die Russen zu bestrafen, hat die ausländische Wirtschaft sich selbst
bestraft, indem sie einen riesigen Markt verloren hat. Und sie tat den russischen Herstellern einen
Gefallen, indem sie dicht besetzte Marktnischen freimachte. Es stellte sich heraus, dass dies genau
das war, worauf die einheimischen Unternehmer gewartet hatten, und sie haben die sich bietende
Gelegenheit nicht verpasst. Und während die Russen früher lieber ausländische Artikel kauften, ist
es jetzt in Mode gekommen, Russisches zu erwerben – und einheimische Artikel mit der Aufschrift
"Hergestellt in Russland" genießen auf Internet-Marktplätzen wie Ozon (dem Pendant zu Amazon)
besonderes Vertrauen.
"Ich hab's begriffen: Alle, die Russland angreifen, werden bei Smolensk sterben", sagt der Vampir
Großvater Slawa in der russischen Erfolgsserie "Vampire des Midlands". Und er weiß, wovon er
spricht, denn er hatte in seinem tausendjährigen Vampirleben die Invasion der Tataren, der Litauer,
der Franzosen und der Hitlerarmee durchgemacht. Die westlichen Sanktionen sind irgendwo dort –
in der Nähe von Smolensk – offenbar gestorben, bevor das Land in Mitleidenschaft gezogen werden
konnte.
Die Geburt der multipolaren Welt (2)
Vorbereitung auf einen neuen Weltkrieg
Dieser Artikel ist eine Fortsetzung von: Multipolare Welt
1. "Der Nahe Osten befreit sich vom Westen", 14. März 2023.
Angesichts der Fortschritte der Befürworter einer multipolaren Welt haben die Verteidiger des "US-Imperialismus" schnell reagiert. Zwei Operationen werden hier analysiert: die Umwandlung des europäischen Gemeinsamen Marktes in eine militärische Struktur und die Neuformierung der Achse des Zweiten Weltkriegs. Dieser zweite Aspekt bringt einen neuen Akteur ins Spiel: Japan.
Die Transformation der Europäischen Union
1949 gründeten die Vereinigten Staaten und das Vereinigte Königreich die Nordatlantikpakt-Organisation (NATO). Sie fügten Kanada und die Staaten, die sie in Westeuropa befreiten, hinzu. Für sie ging es nicht darum, sich zu verteidigen, sondern um einen Angriff auf die Sowjetunion vorzubereiten. Letztere reagierte darauf mit der Gründung des Warschauer Paktes.
Im Jahr 1950, als der Koreakrieg begann, planten die Vereinigten Staaten, den Konflikt auf die Deutsche Demokratische Republik (bekannt als "Ostdeutschland") auszudehnen. Dazu mussten sie die Bundesrepublik Deutschland (sogenanntes "Westdeutschland") gegen den Widerstand Frankreichs, Belgiens und Luxemburgs wieder aufrüsten. Sie schlugen daher die Schaffung einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) vor, scheiterten jedoch am Widerstand der Gaullisten und der französischen Kommunisten.
Gleichzeitig halfen sie mit dem Marshallplan beim Wiederaufbau Westeuropas. Dieser enthielt viele geheime Klauseln, darunter der Aufbau eines europäischen Binnenmarktes. Washington beabsichtigte, Westeuropa sowohl wirtschaftlich zu beherrschen, als es auch politisch vor dem kommunistischen Einfluss und dem "sowjetischen Imperialismus" zu bewahren. Die Europäischen Wirtschaftsgemeinschaften – und später die Europäische Union – bilden die zivile Seite der US-Münze, deren militärisches Seite die NATO ist. Die Europäische Kommission ist keine Verwaltung der Staats- und Regierungschefs, die Mitglieder der Union sind, sondern die Schnittstelle zwischen ihnen und der Atlantischen Allianz. Die europäischen Normen nicht nur für Rüstung und Bauwesen, sondern auch für Ausrüstung, Kleidung, Lebensmittel usw. werden von den NATO-Dienststellen zunächst in Luxemburg und dann in Belgien bestimmt. Sie werden der Kommission zugeleitet und nun vom Europäischen Parlament gebilligt.
Als die Sowjetunion im Jahr 1989 zusammenbrach, dachten der französische Präsident François Mitterrand und der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl, Westeuropa von der Vormundschaft der USA zu befreien, um mit Washington konkurrieren zu können. Die Verhandlungen über diesen Vertrag fanden zeitgleich mit dem Ende des Viermächtestatus’ hinsichtlich der Besetzung Deutschlands (12. September 1990), der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten (3. Oktober 1990) und der Auflösung des Warschauer Paktes (1. Juli 1991) statt. Washington akzeptiert den Maastricht-Vertrag, solange er seine militärische Dominanz anerkennt. Die Westeuropäer akzeptieren dieses Prinzip.
Washington ist jedoch misstrauisch gegenüber dem „Paar“ Mitterrand-Kohl und fordert im letzten Moment, dass die Europäische Union alle ehemaligen Mitglieder des Warschauer Paktes oder sogar die Neuen Unabhängigen Staaten aus der ehemaligen Sowjetunion integriert. Diese Staaten teilen nicht die Bestrebungen der Maastrichter Verhandlungsführer. Sie bringen ihnen eher Misstrauen entgegen. Sie wollen sich sowohl vom deutschen als auch vom russischen Einfluss befreien. Sie verlassen sich für ihre Verteidigung allein auf den "amerikanischen Schirm".
Im Jahr 2003 nutzte Washington die spanische EU-Ratspräsidentschaft (den Sozialisten Felipe González) und den Hohen Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, Javier Solana, um die "Europäische Sicherheitsstrategie" nach dem Vorbild der Nationalen Sicherheitsstrategie von US-Präsident George W. Bush zu verabschieden. Dieses Dokument wurde 2016 von der Hohen Vertreterin Federica Mogherini überarbeitet.
Während des Krieges in der Ukraine im Jahr 2022 denken die Vereinigten Staaten wie einst im Koreakrieg, erneut, dass sie Deutschland gegen Russland (Nachfolger der UdSSR) aufrüsten müssen. Daher wandeln sie die EU um, diesmal aber mit Vorsicht. Während der Präsidentschaft des Franzosen Emmanuel Macron boten sie ihm einen "strategischen Kompass" an. Dieser wurde erst einen Monat nach der russischen Intervention in der Ukraine verabschiedet. Die Mitglieder der Europäischen Union sind umso mehr gelähmt, als sie immer noch nicht genau wissen, ob sie zusammenarbeiten oder sich integrieren sollen (die "konstruktive Zwiespältigkeit", wie Henry Kissinger es ausdrückte).
Im März 2023 veranstaltet der derzeitige Hohe Vertreter der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell, das erste "Robert-Schumann-Forum für Sicherheit und Verteidigung". Zahlreiche Verteidigungs- und Außenminister der Mitgliedstaaten der Union nehmen daran teil. Neben den europäischen, aber nicht der EU angehörenden Staaten, die aber den USA nahestehen, sind viele andere auf Ministerebene vertreten, darunter Angola, Ghana, Mosambik, Niger, Nigeria, Ruanda, Senegal, Somalia, Ägypten, Chile, Peru, Georgien, Indonesien und Japan. Neben der NATO sind auch ASEAN, der Golfkooperationsrat und die Afrikanische Union vertreten. Vor allem die Arabische Liga entsendet ihren Generalsekretär.
Das ausdrückliche Ziel dieses Forums ist, "den Multilateralismus und eine regelbasierte internationale Ordnung" zu verteidigen; eine elegante Art, das russisch-chinesische Projekt einer "multipolaren Welt auf der Grundlage des Völkerrechts" anzuprangern.
Dank der Covid-Epidemie hat sich die Europäische Union bereits mit Befugnissen im Gesundheitsbereich ausgestattet, die in den Verträgen nicht vorgesehen waren. Ich habe zu Beginn dieser Epidemie erklärt, dass die Lockdown-Maßnahmen für gesunde Menschen keinen Präzedenzfall in der Geschichte hatten. Sie wurde auf Wunsch des ehemaligen Direktors des Gilead Science-Labors und ehemaligen Verteidigungsministers, Donald Rumsfeld, von Dr. Richard Hatchett erdacht, der Direktor der CEPI (Coalition for Epidemic Preparedness Innovations) und als solcher Initiator dieser Maßnahme auf der ganzen Welt wurde [1]. Laut ihrem geheimen Bericht von 2005, den wir leider nur durch die Reaktionen kennen, die er hervorgerufen hat, sollte die Einsperrung gesunder Zivilisten in ihre Häuser verlegbare Arbeitsplätze bestimmen, die Konsumgüterindustrie im Westen schließen und die Arbeitskräfte in der Rüstungsindustrie konzentrieren. So weit sind wir zwar noch nicht, aber die Europäische Union, die in den Verträgen nicht vorgesehene Befugnisse im Bereich der öffentlichen Gesundheit an sich gerissen hat, ohne Empörung hervorzurufen, interpretiert die Texte nun so, dass sie zu einer Militärmacht wird.
In der vergangenen Woche hat Josep Borrell auf dem Schuman-Forum seinen ersten Bericht über die Umsetzung des "Strategischen Kompasses" vorgelegt. Es geht darum, die Bündelung der nationalen Armeen, einschließlich der Nachrichtendienste, im Geiste der Integration und nicht mehr der Zusammenarbeit zu koordinieren. Das Projekt von Emmanuel Macron trägt also jenes von Charles De Gaulle und den französischen Kommunisten zu Grabe. "Europäische Verteidigung" erscheint nun als Schlagwort, das nicht nur die Einsatzkräfte der EU-Mitgliedstaaten dem Obersten Alliierten Befehlshaber Europa (SACEUR), heute US-General Christopher G. Cavoli, unterstellen soll, sondern auch die Kontrolle über alle Finanzierungsentscheidungen übernehmen soll, für die bisher die nationalen Parlamente zuständig waren und sogar Entscheidungen über Bewaffnung und Organisation übernehmen soll, die in die Zuständigkeit der Exekutiven der Mitgliedstaaten fielen. So organisiert die Union nun eine gemeinsame Armee, ohne zu wissen, wer sie kommandieren wird.
Der Wiederaufbau der nationalsozialistisch-japanischen Achse
Wenn wir an den Zweiten Weltkrieg denken, denken wir in Europa an die Daten von 1939 und 1945. Das ist absolut falsch. Der Krieg begann im Jahre 1931, nachdem japanische Generäle chinesische Soldaten in der Mandschurei angegriffen hatten. Dies war die erste Überschreitung der zivilen Macht Japans durch die militaristische Fraktion, die einige Monate später mit der Ermordung des zivilen Premierministers durch eine Gruppe von Militärs eskalierte. Innerhalb weniger Jahre verwandelte sich Japan in eine militaristische und expansionistische Macht. Dieser Krieg endete nicht mit der Befreiung der Mandschurei durch die Rote Armee im Jahr 1945. Tatsächlich setzten die Vereinigten Staaten zwei Atombomben ein, um die Kapitulation Japans vor der UdSSR zu verhindern und sicherzustellen, dass sie nur vor ihren eigenen Generäle stattfinden würde. Sie setzten die Kämpfe bis 1946 fort, weil viele Japaner sich weigerten, sich den Amerikanern zu ergeben, die bis dahin im Pazifik kaum gekämpft hatten. Der Zweite Weltkrieg dauerte also von 1931 bis 1946. Wenn wir diese Fehler mit den Daten machen, dann deshalb, weil der Krieg der Achse Rom-Berlin-Tokio (dem "Dreimächtepakt") erst durch ihre Erweiterung durch Ungarn, der Slowakei, Bulgarien und Rumänien weltweit wurde.
Das Fundament der Achse sind nicht die unterschiedlichen Interessen ihrer Mitglieder, sondern ihr Kult der groben Gewalt. Um sie heute wieder zu schaffen, ist es notwendig, diejenigen zu vereinen, die denselben Kult teilen.
Als die Vereinigten Staaten 1946 Japan besetzten, dachten sie zunächst, alle militaristischen Elemente zu säubern. Aber als der Koreakrieg aufkam, beschlossen sie, sich auf Japan zu verlassen, um den Kommunismus zu bekämpfen. Sie beendeten die laufenden Prozesse und rehabilitierten 55 000 hochrangige Beamte. Sie setzten den Dodge-Plan ein, das Äquivalent zum Marshall-Plan in Europa. Zu den glücklichen Nutznießern dieses Politikwechsels gehörte Hayato Ikeda, der Premierminister wurde und die Wirtschaft des Landes wiederherstellte. Mit Hilfe der CIA gründete er die Liberaldemokratische Partei. Aus seiner Strömung sind Premierminister Shinzo Abe (2012-2020) und sein Nachfolger Fumio Kishida (2020-) hervorgegangen.
Letzterer hat gerade einen Überraschungsbesuch in der Ukraine gemacht. Er ist der erste asiatische Regierungschef, der das Land seit Beginn des Krieges besucht. Er besuchte ein Massengrab in Butscha und sprach den Familien der Opfer der "russischen Misshandlungen" sein Beileid aus. Die meisten Analysten interpretieren diese Reise als Vorbereitung auf den bevorstehenden G7-Gipfel in Japan. Es sei denn, es gehe viel weiter.
In ihrem Abschlusskommuniqué betonen Fumio Kishida und Wolodymyr Selenskyj "die Untrennbarkeit der euro-atlantischen und der indopazifischen Sicherheit" und "die Bedeutung von Frieden und Stabilität in der Straße von Taiwan". Für sie geht es nicht nur darum, die Ukraine gegen Russland zu verteidigen, sondern auch Japan gegen China. Dieses Kommuniqué legt den Grundstein für ein neues Bündnis zwischen den Nachfolgern der Nazis, den ukrainischen "integralen Nationalisten" [2] und den Nachfolgern des Shōwa-Nationalismus. Die heutige Ukraine ist der einzige Staat der Welt, der eine explizit rassistische Verfassung hat. Sie wurde 1996 verabschiedet und 2020 überarbeitet und legt in Artikel 16 fest, dass "die Erhaltung des genetischen Erbes des ukrainischen Volkes in der Verantwortung des Staates liegt". Dieser Artikel wurde von der Witwe des ukrainischen Nazi-Premierministers Jaroslaw Stezko geschrieben.
Die japanische Verfassung dagegen verzichtet in ihrem Artikel 9 auf Krieg. Aber Shinzo Abe und Fumio Kishida haben einen Kampf begonnen, um diese Bestimmung aufzuheben. Unter anderem macht sie es unmöglich, tödliche Verteidigungsausrüstung zu transferieren, so dass Kishida Kiew rund 7,1 Milliarden Dollar an humanitärer und finanzieller Hilfe angeboten hat. Was nicht-tödliche militärische Ausrüstung betrifft, konnte er diese Woche nur die Lieferung einer Sendung im Wert von 30 Millionen Dollar ankündigen.
Diese Remilitarisierung Japans wird von Washington unterstützt, das bereits mit der Unterstützung der Ukraine die Seiten gewechselt hat. Der US-Botschafter in Tokio, Rahm Emmanuel, twitterte: "Premierminister Kishida ist auf einem historischen Besuch in der Ukraine, um das ukrainische Volk zu schützen und die universellen Werte zu fördern, die in der Charta der Vereinten Nationen verankert sind. Etwa 900 Kilometer entfernt, nimmt in Moskau eine andere und schädlichere Partnerschaft Gestalt an" (in Anspielung auf den Putin-Xi-Gipfel).
Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Wang Weibin, sagte über die Reise des Premiers, er "hoffe, dass Japan auf eine Entspannung der Situation drängen wird, und nicht umgekehrt". Russland schickte seinerseits zwei strategische Bomber für etwa sieben Stunden über das Japanische Meer.
Frankreich für 4 Jahre blockiert
Die Krise, die Frankreich jetzt durchmacht, ist nicht noch eine zusätzliche Episode in einem ewig turbulenten Land. Es ist eine tiefe Krise des Regimes, die nur mit dem Beginn einer neuen Gesellschaft gelöst werden kann. Das Land wird mehrere Jahre lang eine Blockade durchlaufen, bevor es sich auf eine vollständige Transformation einlässt, eine Revolution, die mindestens eine Generation dauern wird.
Seit mehreren Wochen folgen Riesendemonstrationen in Frankreich aufeinander. An den Tankstellen vieler Departements gibt es keinen Treibstoff mehr und hunderte Tonnen Müll stapeln sich im Zentrum der Großstädte.
Präsident Emmanuel Macron ist es gelungen, eine Rentenreform durchzusetzen. Ihr Text löst kein einziges Problem und schafft viele Ungerechtigkeiten. So können beispielsweise Personen, die mit 16 Jahren eine Erwerbstätigkeit begonnen haben, nur mit einer höheren Anzahl von Arbeitsjahren in Rente gehen als Personen, die mit 18 Jahren begonnen haben zu arbeiten. In einem Land, das die Gleichheit vor dem Gesetz liebt, hätte dieser Text nicht verabschiedet werden dürfen.
Präsident Macron hat absichtlich eine Sackgasse geschaffen, aus der niemand einen Ausweg hat. Seine Regierung empfing alle Gewerkschaften während anderthalb Jahren, um alle ihre Vorschläge abzulehnen. Er hat Massendemonstrationen im ganzen Land miterlebt, vor allem in mittelgroßen Städten, ohne zu reagieren. Dann spielten er und die NUPES [Koalition der linken Parlamentsabgeordneten] mit dem Zeitplan, damit die Abgeordneten in erster Lesung nicht über diesen Text abstimmen konnten, und schließlich missbrauchte er eine Ausnahmebestimmung der Verfassung, um den Text in zweiter Lesung durchzusetzen.
Zu diesem Zweck bat er seine Premierministerin Elisabeth Borne, die Verantwortung ihrer Regierung vor der Nationalversammlung gemäß Artikel 49-3 der Verfassung zu übernehmen. Dieser Artikel wurde von seinen Verfassern für bestimmte Notsituationen konzipiert, die nichts mit der jetzigen Lage zu tun haben. Zweifellos hätten Charles De Gaulle und Michel Debré ihn unter solchen Umständen nie aktiviert.
Am Ende der Abstimmung fehlten dem Misstrauensantrag nur 9 von 577 Abgeordneten-Stimmen, um den Rücktritt der Regierung zu provozieren. Der Text, der der Versammlung nie zur Abstimmung vorgelegt worden war, galt automatisch als "angenommen".
Diese Anwendung von Gewalt ist Teil einer langen Reihe von Diktaten, die von den Maßnahmen zur Unterdrückung der "Gelbwesten"-Bewegung bis zur Einsperrung der gesunden Bevölkerung während der Covid-19-Epidemie durch eine Reihe von Verordnungen und dem missbräuchlichen Einsatz des 49-3 Artikels (11-mal in anderthalb Jahren) reichen. Selbst die Franzosen, die sich von Rechtfertigungen für die vorübergehende Einschränkung ihrer Freiheiten überzeugen ließen, finden nun, dass es wirklich genug ist.
Jetzt ist das Land in zwei Teile geteilt. Auf der einen Seite ein kleines Drittel der Bevölkerung, das kein Problem hat und wünscht, dass Emmanuel Macron das System weiterhin zu dessen Vorteil drehen lässt. Auf der anderen Seite, mehr als die restlichen zwei Drittel der Bevölkerung, nicht mehr nur feindlich eingestellt, sondern die sich in einem gemeinsamen Hassgefühl befinden. Diese Entwicklung der kollektiven Gefühle und die Einheit, die sie hervorruft, sind neu.
Aus seiner Sicht hat der Präsident gewonnen, weil sein Gesetz als "verabschiedet" gilt. Doch in der Praxis hat er verloren, weil er alle Gewerkschaften und das, was an populären politischen Parteien im Land zählt, gegen ihn zusammenbrachte. Nur Parlamentarier, die Mitglieder seiner Partei Renaissance (ehemals La République en Marche) sind, unterstützten ihn, wie auch einige wenige, die behaupteten, der ehemaligen gaullistischen Partei Les Républicains anzugehören. 8 bis 9 von 10 Franzosen sind gegen diesen Text und sind nun überzeugt, dass die Exekutive sich nicht um sie kümmert.
Die Republik ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Regime, das das Allgemeininteresse an die erste Stelle setzt. Mit einer solchen gravierenden Spaltung des Landes hat der Präsident nun die Republik verraten. Demokratie ist eine Form der Institution, die dem Volk die Stimme gibt. Auch sie hat er verraten. Die Situation ist jetzt vollkommen festgefahren und das Land ist unregierbar geworden. In den kommenden Monaten oder gar Jahren können keine wichtigen Entscheidungen mehr getroffen werden.
Nur der Rückgriff auf das Volk kann demokratische Institutionen wieder funktionsfähig machen. Die Verfassung der Fünften Republik sieht dafür mehrere Lösungen vor. Der Präsident könnte die Parlaments-Versammlung auflösen und Neuwahlen ausrufen. Aber seine Partei würde mit Sicherheit explodieren. Er könnte auch ein Referendum einberufen, aber er würde es zweifellos verlieren. Er wird also nichts tun und sich im Élysée-Palast einschließen, und ein Fest feiern.
Die Rentenreform markiert das Scheitern der Macron-Methode: Der Präsident versprach, sich über die Rechts/Links-Kluft zu stellen, aber er zeigte nur, dass er weder die einen noch die anderen zufrieden stellte.
Kommentatoren fragen sich, warum Emmanuel Macron freiwillig in diese Falle getappt ist? Welches Ziel verfolgte er? Auf diese Fragen gibt es keine politische Antwort. Vielleicht eine wirtschaftliche Antwort: Er will die kapitalgedeckte Rente vorantreiben, indem er die umlagefinanzierte Rente sabotiert. Vielleicht eine psychologische Antwort: Er ist dem Schicksal anderer gegenüber gleichgültig und liebt sie zu schockieren (während seiner ersten Wahl hatte ich schon sein soziopathisches Verhalten bemerkt). Wenn man diese Hypothese in Betracht zieht, wird er erst dann Ruhe finden, wenn er die Verfassung von 1958 völlig diskreditiert und die Gewissheit erlangt haben wird, der letzte Präsident der Fünften Republik zu sein.
Emmanuel Macrons politischer Selbstmord und sein Wille, das Land mit ihm zusammenbrechen zu lassen, verschleiern eine sehr tiefe Krise. Es ist kein Zufall, dass die Franzosen nacheinander einen US-Agenten an die Spitze des Landes gewählt haben: zuerst Nicolas Sarkozy, der die Unabhängigkeit Frankreichs zerstört und das Ergebnis des Referendums über die Europäische Verfassung verletzt hat, indem er denselben Text mit parlamentarischen Mitteln verabschieden ließ; dann einen „petit bourgeois“ [Kleinbürger], François Hollande, der die Präsidentschaft der Republik in eine Posse verwandelte; und endlich einen Investmentbanker, der den Élysée-Palast in einen Empfangsraum für Cocktails von US-Multimilliardären verwandelt hat. Viermal (sie haben Emmanuel Macron wiedergewählt) übernahmen die Franzosen die Verantwortung für diesen Abstieg in die Hölle. Sie waren überzeugt, dass ihr Land keine große Persönlichkeit brauchte, sondern nur kleine Reformen, um repariert zu werden.
Heute sind sie mit einer Nahrungsmittel- und Energieinflation von 20 bis 25 Prozent konfrontiert. In mehr als der Hälfte des Landes gibt es keine Ärzte mehr, und die Krankenhäuser schließen ihre Notdienste. Vor allem stellt jedermann fest, dass nichts mehr gut läuft: Das Schulniveau ist sehr gefährlich gesunken, die Polizei kann die Ordnung nicht mehr aufrechterhalten, das Justizsystem hat in den nächsten zwei Jahren keine Mittel, um korrekt zu funktionieren, die Armee ist unfähig, auf einen Krieg mit hoher Intensität zu reagieren. Die Probleme sind so zahlreich, dass man nicht weiß, wo man anfangen soll.
Die Franzosen beginnen zu begreifen, dass man die öffentlichen Dienste nicht reparieren kann, sondern sie den neuen Realitäten entsprechend, überdenken muss: Digitalisierung der Produktionsmittel und der Globalisierung des Handels. Manchen zufolge begann die Krise im Jahr 2007 mit der Abstimmung des Parlaments über einen Text, der per Referendum abgelehnt worden war. Andere sagen hingegen, sie begann im Jahr 2005 mit den Unruhen in den Pariser Vororten; vielleicht war es in 1990, mit der französischen Beteiligung am US-Krieg am Golf. Tatsache bleibt, dass sich das Land nicht in dem wiederfindet, was aus seiner politischen Klasse geworden ist, und noch weniger in der Politik, die sie führt.
Emmanuel Macron, der mit dem Versprechen gewählt wurde, das Land zu modernisieren, erscheint heute als derjenige, der seine Transformation blockiert, der die Entstehung einer neuen Gesellschaft verhindert.
Die Franzosen, die 1789 die Initiative ergriffen, um das Ancien Régime zu stürzen und eine moderne Gesellschaft zu schaffen, hoffen, eine weitere Initiative zu ergreifen, um eine neue Welt zu schaffen. Sie wissen undeutlich, dass sich Afrika zur gleichen Zeit von der Vorherrschaft der französischen Regierungen befreit hat und dass Russland und China die internationalen Beziehungen neu organisieren, aber sie sind sehr wenig über diese Themen informiert.
Es ist sehr überraschend, ihren Durst nach einem neuen Paradigma und ihre Angst vor dem Absturz in eine gewaltsame Revolution zu beobachten. Um diese Krise zu lösen, würde es ausreichen, wenn ihre politische Klasse auf sie hörte, wie es König Ludwig XVI. zu Beginn der Revolution tat. Aber wir erleben einen Dialog der „Gehörlosen“. Während der gesamten Verhandlungen über die Rentenreform hat die Regierung den Gewerkschaften keinerlei Zugeständnisse gemacht. Auf der anderen Seite hat sie die Änderungsanträge mit den Parlamentariern vervielfacht und den Dialog mit dem Volk in eine interne Debatte der politischen Klasse verwandelt. Diese Haltung hat alle Türen für friedliche Ausgänge verschlossen.
Die Franzosen haben bereits das Vakuum der "großen Debatten" und anderen "Bürgerversammlungen" festgestellt. Präsident Macron hat sie schon benutzt. Sie haben daran teilgenommen, aber ihre Vorschläge gingen in einem bürokratischen Labyrinth verloren. Es wird daher nicht möglich sein, diese charmante Inszenierung zu wiederholen.
In den kommenden Monaten und Jahren wird sich nichts mehr ändern können. Die Regierung wird keinen Text mehr durch das Parlament bringen, und ihre Beamten werden ihr ohnehin nicht mehr gehorchen. Sie werden die lästigen Akten unter den Akten-Stapel legen und sie warten lassen. Die Franzosen werden auch nicht mehr protestieren können, ohne dass brutale Repression auf sie einprasselt, wie es bereits bei den Gelbwesten der Fall war.
Die Europawahlen im Jahr 2024 und die Kommunalwahlen im Jahr 2026 werden eine Gelegenheit sein, den Gastgeber des Élysée-Palastes vor seiner Abreise im Jahr 2027 ein wenig mehr zu isolieren. Es sei denn, er gibt zu, dass der einzige Weg, das Land wieder funktionsfähig zu machen, darin besteht, dass er zurücktritt.
ein wichtiger meilenstein zum weltfrieden...
Geburt der multipolaren Welt (1)
Der Nahe Osten befreit sich vom Westen
Die Versöhnung zwischen Saudi-Arabien, dem Führer der sunnitisch-muslimischen Welt, und dem Iran, dem Führer der schiitisch-muslimischen Welt, macht endlich eine Ära des Friedens im Nahen Osten möglich. Sie wurde von Russland, einem Verbündeten der beiden feindlichen Brüder, ermöglicht und zuerst im Irak und im Oman verhandelt, bevor sie von China, einem tausend Jahre alten Verbündeten des Iran, abgeschlossen wurde, ohne aber parteiisch zu handeln. Dieses Abkommen beendet elf Jahre Krieg und westlichen Einfluss.
Es ist ein folgenschweres Ereignis, dessen Bedeutung außerhalb des Nahen Ostens nicht wahrgenommen wird: Saudi-Arabien und der Iran haben sich versöhnt... in China. Drei Unterschriften am unteren Rand eines Dokuments mischen nun alle Karten dieser Region neu.
Seit dem neunzehnten Jahrhundert wurde die arabische Welt zuerst vom Vereinigten Königreich und Frankreich auf den Ruinen des Osmanischen Reiches dominiert, dann von den Vereinigten Staaten. Diese Mächte brachten sowohl Freiheit als auch Unterdrückung. Das Vereinigte Königreich hat sich dadurch hervorgetan, die Akteure der Region zu spalten und gegenseitig zu manipulieren, um den Reichtum der Region mit möglichst wenig militärischer Beteiligung auszubeuten. Frankreich war sowohl Kolonialisierer der schlimmsten Art als auch aufklärender Dekolonialisierer. Die Vereinigten Staaten hatten immer eine imperiale Sicht auf die Region, mit Ausnahme einiger Jahre am Ende des Zweiten Weltkriegs, als sie die Nationalisten unterstützten.
Diese Periode ist mit der Ankunft Chinas gerade zu Ende gegangen. Wie immer beobachtete China sehr lange und handelte sehr langsam, mit unermüdlicher Ausdauer.
Diesen Abkommen gingen langwierige Verhandlungen voraus, zunächst im Irak und dann im Oman. Der Irak hat eine muslimische Bevölkerung, die zu einem Drittel sunnitisch und zu zwei Dritteln schiitisch ist. Während des Krieges gegen den Iran kämpften irakische Schiiten ungeniert gegen iranische Schiiten. Um seinen sunnitischen Landsleuten zu zeigen, dass er dem Iran nicht untergeordnet ist, musste der schiitische irakische Führer Muqtada al-Sadr heute nach Riad reisen. Der Irak braucht diesen Frieden mehr als jeder andere, um zu überleben. Oman hingegen ist strenggenommen weder schiitisch noch sunnitisch. Das Sultanat beruft sich auf eine dritte Strömung, den Ibadismus. Es kann daher legitimerweise eine Vermittlerposition zwischen Sunniten und Schiiten beanspruchen.
Während seiner Reise nach Riad im Dezember 2022 versuchte der chinesische Präsident Xi Jinping nicht, seinen Gesprächspartnern zu schmeicheln, um von ihnen bevorzugte Ölpreise zu erhalten. Im Gegenteil, er trat einfach ins Fettnäpfchen: Solange die Region Schauplatz unaufhörlicher Auseinandersetzungen sei, sei es nicht möglich, die Seidenstraßen zu bauen und den Handel zu entwickeln. Er hatte auch nicht versucht, die missverstandenen Interessen seiner iranischen Verbündeten zu verteidigen. Solange diese Inseln im Persischen Golf und in der Hormus-Straße, die Kleine und Große Tumb, sowie Abu Musa beanspruchten, nahm Präsident Xi seine Unterstützung der Vereinigten Arabischen Emirate in das gemeinsame Kommuniqué auf, das er mit dem Golfkooperationsrat unterzeichnete [1]. Es ist diese Autorität, die ihm erlaubte, sicherzustellen, dass der Iran niemals die Atombombe erwerben würde. Die Chinesen sind seit Jahrtausenden Verbündete des Iran. Chinesische Statuen sind in der antiken Stadt Persepolis sichtbar und auf der alten Seidenstraße wurde nicht Mandarin gesprochen, sondern Farsi (Persisch). Peking, das an den 4+1-Verhandlungen über das iranische Atomprogramm teilgenommen hat, weiß mit Sicherheit, dass die westlichen Anschuldigungen über iranische Ambitionen falsch sind.
Jeder konnte zu diesem Zeitpunkt sehen, dass sich Peking nicht gemäß seiner Interessen oder denjenigen seiner Verbündeten positionierte, sondern gemäß seinen Prinzipien. China hat sich zu einem verlässlichen Partner entwickelt, oder zumindest zuverlässiger als der Westen.
Es ist eher ein schneidiges Auftreten von China, Muslime miteinander zu versöhnen, während der Westen es beschuldigt, seine muslimische Minderheit in Xinjiang zu verfolgen, und sogar behauptet, dass China 1,5 Millionen Uiguren einsperrt. Dennoch konnten sich, wie Präsident Xi letzte Woche vor seinem Parlament in Erinnerung rief, 150 Millionen Touristen frei im Land bewegen und feststellen, dass der Islam dort eine Religion wie jede andere ist und dass es keine Infrastruktur gibt, um so viele Leute einzusperren.
Am Ende des Zweiten Weltkriegs unterzeichneten die Vereinigten Staaten den USS Quincy-Pakt mit König Ibn Saud, dem Gründer des Staates, der seinen Namen trägt, nämlich Saudi-Arabien. Dieses Dokument, dessen genauer Inhalt nie veröffentlicht wurde, garantierte Washington, saudisches Öl für seine Armeen (nicht für seine zivile Wirtschaft) zu erhalten, im Austausch für seine Verpflichtung, die Saud-Dynastie zu schützen. Dieser Pakt wurde 2005 von Präsident George W. Bush wieder verlängert.
Dann betrachtete der Westen, dem US-Präsidenten Jimmy Carter folgend, dass der Zugang zum Öl des Nahen Ostens nicht eine Angelegenheit der Souveränität der produzierenden Staaten sei, sondern eine seiner eigenen "nationalen Sicherheit" . D [2]ies bedeutete, dass sich die Araber und Perser einer ausländischen Militärpräsenz unterwerfen mussten. Zu diesem Zweck gründete Washington 1983 ein regionales Kommando, das CentCom, und eröffnete dort eine Reihe von Militärstützpunkten. Der regionale "Vizekönig", wie das Pentagon es ausdrückt, könnte jeden Staat zerstören, der sich weigert, seine Kohlenwasserstoffe an ihn zu verkaufen. Übrigens waren die Araber und Perser nicht dagegen, da die Vereinigten Staaten mehr zahlten als die Briten und Franzosen.
Diese Herrschaft bedeutete von Anfang an das Unglück der Bevölkerungen. Enttäuscht von der antiimperialistischen Hartnäckigkeit von Ayatollah Ruhollah Khomeini, dem Washington geholfen hatte, Schah Reza Pahlevi zu stürzen, drängte es einen seiner Agenten, Präsident Saddam Hussein, einen Krieg gegen den Iran zu beginnen. Indem er beide Seiten gleichzeitig unterstützte, förderte der Westen einen 8 Jahre andauernden Krieg (1980-88), der eine Million Menschenleben kostete.
1987 kam es in Mekka zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen iranischen Pilgern und der saudische Polizei. Der Iran brach zum ersten Mal die diplomatischen Beziehungen ab, und zwar bis 1991.
Damals ging es für Washington nicht darum, die Sunniten gegen Schiiten auszuspielen, sondern die Araber gegen die Perser. Nach dem Ende der UdSSR organisierte das Pentagon den Krieg in Bosnien und Herzegowina (1992-95), ein europäischer muslimischer Staat. Für die US-Strategen ging es darum, die Möglichkeit der Teilung eines Landes (Jugoslawien) zu testen und ihre Verbündeten gegen Bevölkerungsgruppen russischer Kultur (Serben, Montenegriner und Mazedonier) zu mobilisieren. Sie vertrauten die Organisation der muslimischen Truppen einem anderen ihrer Agenten an, Osama bin Laden, der Militärberater von Präsident Alija Izetbegović wurde. Er koordinierte auf dem Schlachtfeld die saudischen Projektionskräfte und die iranischen Revolutionsgarden [3].
Die Männer, die Geschichte schreiben, sind selten von theologischen Spitzfindigkeiten motiviert. Sie verteidigen, was sie für die Interessen ihres Volkes halten. Die Tatsache, dass die saudischen und iranischen Streitkräfte drei Jahre lang nicht gegeneinander, sondern nebeneinander gekämpft haben, verhinderte nicht, dass ihre Theologen sich immer gegenseitig beschimpft haben. Politik muss von der Rolle der Kleriker unterschieden werden. Ich spreche nicht von Religionen, sondern von Klerikern, und überschätze sie nicht.
Im Jahr 2011 startete das Foreign Office die Operation „Arabischer Frühling“ nach dem Vorbild der "Großen Arabischen Revolte" von 1916-1918 (von Lawrence von Arabien). Es geht für London darum, die Regierungen zu stürzen, auf die es keinen Einfluss hat, aber die Völker versuchen natürlich, sich zu befreien, und überall breiten sich Unruhen aus. Unter den Revolutionären nehmen sich viele ein Beispiel an Imam Khomeini. In Bahrain bricht eine Revolution aus, bei der die überwiegend schiitische Bevölkerung versucht, die sunnitische Herrscherfamilie zu stürzen. Aus Angst schickte Saudi-Arabien seine Panzer und schlug die Rebellion nieder. Der Iran unterstützt schiitische Revolutionäre gegen saudische Panzer. In diesem Moment und nicht zuvor, was die jüngere Geschichte betrifft, spaltet sich der Nahe Osten in Sunniten und Schiiten.
Diese Spaltung wird sich während des gesamten Syrienkrieges nur noch weiter vertiefen. Der Westen unterstützt die Muslimbruderschaft, das Pentagon versucht, alles zu zerstören und allgemeines Chaos zu verbreiten (Rumsfeld/Cebrowski-Doktrin), während die Widerstandsachse (um den Iran) widersteht.
Zwei Dinge sind jedoch falsch:
Einerseits hat das Bündnis zwischen Syrien und dem Iran nichts mit den Ereignissen zu tun. Es stammt aus der Zeit, als sich der Schah von Iran als Polizist der Region verstand. Die Vereinigten Staaten baten ihn, sich mit Syrien (das noch nicht von der Baath-Partei geführt war) zu verbünden, um ein Gegengewicht zu Israel zu bilden.
Andererseits intervenierte Russland 2015 militärisch, als Syrien schwächer wurde und der Iran kaum noch über Mittel zur Hilfe verfügte, um die Arabische Republik Syrien gegen die Dschihadisten zu unterstützen.
Die Ereignisse beschleunigen sich. 2015 kommt es während der Pilgerfahrt in Mekka zu einer weiteren Massenpanik, bei der unter anderem Iraner getötet wurden, ohne dass die saudische Polizei eingreift. Im Jemen unterstützt der Iran die Partisanen Gottes (Ansarallah) gegen die Saudis, die versuchen, das Land mit Israel zu kontrollieren, um dessen Ölreichtum auszubeuten [4].
Schließlich hat Riad 2016 den Führer seiner internen Opposition, den schiitischen Scheich Nimr al-Nimr, und zugleich die Dschihadisten hingerichtet [5]. Der Iran reagierte auf diese Provokation und beendete die diplomatischen Beziehungen zu Saudi-Arabien.
Seit 7 Jahren ist der Nahe Osten gelähmt. Kein Konflikt kann gelöst werden, weil sich immer die beiden Seiten des Islam gegenüberstehen. Das ist genau das, was der Westen wollte und was Israel förderte. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die einzigen Persönlichkeiten, die sich über den saudisch-iranischen Frieden empören, Israelis sind.
Das soeben unterzeichnete Abkommen wurde von China auf der Grundlage der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten ausgehandelt. Die Iraner hätten vielleicht befürchten können, dass die saudischen Schiiten draufzahlen würden, wie Scheich Nimr al-Nimr vor sechs Jahren. Aber Teheran hat verstanden, dass sich die Zeiten geändert haben. Riad wird seine schiitische Minderheit respektieren, weil auch Riad Interesse an Frieden hat. Das verhindert nicht, dass die diskriminierenden Vorurteile der saudischen Sunniten noch lange Zeit in ihrem Verhalten verwurzelt bleiben.
Die internationalen Beziehungen, die Peking und Moskau vorantreiben, basieren auf gegenseitigem Respekt und nicht mehr auf Konfrontation. Der Spaltung und den westlichen Kriegen setzten sie den Austausch, den Handel und die Zusammenarbeit entgegen.
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