- Das Pariser Friedensforum: Wie immer eine hervorragende Inszenierung und Leistung von Präsident Emmanuel Macron, aber für welchen Inhalt stand es?
Frankreich hat gerade in Paris das "Zweite Pariser Forum für Frieden" organisiert [1]. Laut Präsident Emmanuel Macron geht es darum, den Multilateralismus zu fördern, den sein US-Amtskollege, Präsident Donald Trump, gerade dabei wäre zu zerstören.
Ist das wahr? Ist das das Problem?
Im Gegenteil, die Fakten deuten darauf hin, dass der Westen, einschließlich Frankreichs, seit dem Zerfall der UdSSR substanzielle Maßnahmen gegen das Völkerrecht und die Vereinten Nationen ergriffen hat; Dieses Forum ist nur eine Gelegenheit, die Macht zu retten, die der Westen vier Jahrhunderte lang über den Rest der Welt ausgeübt haben.
Um zu verstehen, was vor sich geht, gehen wir zurück:
Präsident Bill Clinton und seine Außenministerin Madeleine Albright haben alle möglichen UN-Verträge nacheinander geduldig umgeschrieben, indem sie die Sprache des Völkerrechts durch die Sprache des angelsächsischen Rechts ersetzt haben. Diese "Modernisierung" war keine einfache Übersetzung. Es ist in Wirklichkeit die Umsetzung der "Korbel-Doktrin", die darauf abzielt, jede Rechtsprechung zugunsten der Angelsachsen zu ändern. Diese Strategie wurde von Präsident George Bush Jr. und seiner Außenministerin Condoleezza Rice, Adoptivtochter von Professor Korbel und daher Schwester von Madeleine Albright, verfolgt. [2].
Derselbe Bill Clinton akzeptierte einen Kompromiss zugunsten Israels und ließ ihn vom Sicherheitsrat bestätigen. Man spricht nicht mehr von einem einzigen Staat in Palästina, mit dem egalitären Prinzip "Ein Mann, Eine Stimme", sondern von zwei Staaten, nach dem Vorbild der Bantustans der südafrikanischen Apartheid.
Noch unter der Führung von US-Präsident Bill Clinton und auch dem britischen Premierminister Tony Blair hat sich die Atlantische Allianz zum "Verteidiger der Verfolgten" erklärt, das böse Serbien verurteilt und einen "humanitären Krieg" (sic) gegen das Land geführt. Die Moral wurde an die Stelle des Gesetzes gesetzt, die dann der NATO erlaubte, es zu verletzen.
Es ist dieselbe Argumentation, die seither gegen Afghanistan, gegen den Irak, gegen Libyen und gegen Syrien verwendet wurde. Laura Bush versicherte, dass Afghanistan angegriffen werden müsse, weil kleine Mädchen keinen Nagellack tragen durften; Colin Powell, dass Präsident Saddam Hussein gestürzt werden müsse, weil er an den Anschlägen vom 11. September 2001 beteiligt war; Nicolas Sarkozy, dass er Muamer Gaddafi stürzen müsse, weil er sein eigenes Volk töten wollte; und Laurent Fabius, dass Präsident Baschar al-Assad vertrieben werden müsse, weil er nicht "das Recht hatte, auf Erden zu leben".
Das humanitäre Argument oder der Einsatz von Menschenrechten verschleiern nur schlecht die tiefe westliche Verachtung für die Menschheit und die Menschenrechte. Es sei daran erinnert, dass die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte eine Hierarchie zwischen ihnen anerkennt [3]. Darin heißt es, dass die drei Hauptrechte "Leben, Freiheit und Sicherheit der Person" seien (Artikel 3). Daher setzt sie als erste konkrete Anwendung den Kampf gegen die Sklaverei (Artikel 4) und erst dann den Kampf gegen Folter (Artikel 5). Allerdings hat der Westen die Sklaverei in Libyen wiederhergestellt und unterstützt Staaten mit Sklaven wie Saudi-Arabien. Er hat auch die schlechteste Bilanz in Sachen Folter, wenn man an die 80.000 Leute denkt, die zu Beginn des 21. Jahrhunderts von der US-Marine auf Schiffen, die in internationalen Gewässern stationiert waren, entführt und gefoltert wurden [4].
Die humanitäre Rhetorik, das “Gerede über Menschenrechte“, erinnert durchaus daran, wie das Vereinigte Königreich das Osmanische Reich angriff, angeblich um die Griechen vor ihrer Unterdrückung zu retten, in Wirklichkeit aber um ihr Land zu kontrollieren: London lud St. Petersburg und Paris ein, die Unabhängigkeit Griechenlands im Jahre 1827 anzuerkennen, und organisierte dann, auf der Grundlage dieser Anerkennung und unter Verletzung der Regeln des Wiener Kongresses, einen dadurch „legitim“ gewordenen Krieg gegen Konstantinopel, um diese "Unabhängigkeit" zu verwirklichen: immer den Anschein der Achtung des Gesetzes wahren, wenn man es verletzt!
Seit dem Krieg der NATO gegen Jugoslawien hat sich die UNO allmählich zurückgezogen. Die NATO hat nichts mehr mit dem zu tun, was der Sicherheitsrat und die UN-Generalversammlung denken. Innerhalb weniger Jahre wurden die UN-"Interpositionstruppen" unter Verstoß gegen die Charta zu "Friedenstruppen". Es geht nicht mehr darum, die Umsetzung eines Waffenstillstands zwischen den Kriegführenden zu überwachen, sondern darum, den Kriegführenden eine Lösung aufzuzwingen – schlimmer noch, manchmal zwischen politischen Parteien desselben Landes. Und bis heute ist die NATO das einzige Militärbündnis, das aufgefordert wurde, "den Frieden zu bewahren".
Die Verwaltung der UNO selbst ist vom Dienst für ihre Mitglieder zu jenem für die NATO übergegangen. So konnte man den UN-Direktor für politische Angelegenheiten, Jeffrey Feltman, dabei beobachten, einen Plan für die bedingungslose Kapitulation der Arabischen Republik Syrien zu fördern, anstatt für den Frieden zu arbeiten [5].
Die westlichen Mitglieder des Sicherheitsrats bezeichnen sich selbst als Beschützer des Völkerrechts, aber weit davon entfernt, mit gutem Beispiel voranzugehen, bringen sie schamlos ihre Verachtung für dieses Recht zum Ausdruck, wenn es für sie nachteilig ist. So hat das Vereinigte Königreich soeben seine Souveränität über die Chagos-Inseln, einschließlich der Basis von Diego Garcia, erklärt, trotz des Rückgriffs der rechtmäßigen Einwohner, der Stellungnahme des Internationalen Gerichtshofs und der Verfügung der Generalversammlung [6].
Das heutige Völkerrecht entstand in der Haager Konferenz von 1899. Unter der Einberufung von Zar Nikolaus II. brachte sie verschiedene damalige Mächte zusammen, um einen Abrüstungsvertrag in Erwägung zu ziehen. Aber der Franzose Léon Bourgeois schlug dort vor, die Meinungsverschiedenheiten zwischen Staaten durch die Einrichtung einer Schiedskammer zu regeln; der einzige Weg, Kriege zu verhindern, besteht darin, Vereinbarungen zu finden, die die Interessen der Parteien respektieren, wie dies zwischen zivilisierten Individuen geschieht. Im Gegensatz zu einem Gericht ist eine Schiedskammer kein Zwang. Sie ist nur dann zuständig, wenn beide Parteien sie zuvor als solche anerkennen.
Diese Schiedskammer wurde in den Völkerbund (SDN) und dann in die UNO eingegliedert. Sie existiert immer noch und funktioniert gut, wie das derzeitige Verfahren zur Lösung des Konflikts im Asowschen Meer zwischen der Ukraine und Russland zeigt.
Nach und nach wurden der Völkerbund und dann die UNO gegründet. Entgegen der landläufigen Meinung war das Scheitern des Völkerbundes nicht auf das japanische kaiserliche Regime, die italienischen Faschisten und die deutschen Nazis zurückzuführen, sondern auf die Weigerung der Vereinigten Staaten, daran teilzunehmen, und auf die Weigerung des britischen Imperiums, die Gleichheit der Völker anzuerkennen (trotz des japanischen Vorschlags, der von Leon Bourgeois unterstützt wurde).
So wurde beispielsweise mit der von Frankreich vorgeschlagenen Reform der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) der Ausstieg aus dem Völkerrecht weiter befördert [7]. Von nun an werden, aus scheinbarer " Sorge um Effizienz", Entscheidungen schon mit einfacher Mehrheit getroffen werden, und die Organisation wird in der Lage sein, die Schuldigen nach ihren technischen Untersuchungen zu identifizieren.
Die OPCW war jedoch ursprünglich eine technische Agentur, die für die Überprüfung der OPCW-Unterzeichner hinsichtlich der Einhaltung des Vertrags über das Verbot chemischer Waffen zuständig war. Sie hat die Befugnis, nach sehr strengen Verfahren zu ermitteln, die von allen Unterzeichnern genehmigt wurden, und die Fakten festzustellen, damit die Versammlung der Unterzeichner sie beurteilt. Im Strafrecht akzeptiert kein Land der Welt, dass Polizisten sich als Richter und Henker aufspielen, und dass sie allein ermitteln, die Täter bezeichnen und sie bestrafen. Doch genau das ist die abwegige Macht, die die französische Reform der OPCW verleiht. Und da dieselbe Reform die Beschlüsse mit einfacher Mehrheit der Unterzeichner des Vertrags bestätigt, wird diese Agentur zu einem Instrument der westlichen Politik.
Schon seit einigen Jahren hat der Westen alle Verweise auf das Völkerrecht von seinen Erklärungen und Kommuniqués zurückgezogen. Im Gegenteil, er ist für einen "regelbasierten Multilateralismus". Welche Regeln? Die der Stärksten.
Darüber hinaus hat dieses zweite Forum über Frieden (nicht für den Frieden) keinen Erfolg gehabt. Es nahmen nur halb so viele Staats- und Regierungschefs teil, wie beim der ersten Forum [8].