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Analysen: 16.-23.8.23: Pepe Escobar: Zentralasien - das wichtigste Schlachtfeld im neuen Great Game. Von Buchara bis BRICS/ Dagmar Henn: Politik + Moral1/ EU im Ausverkauf/ Niederlande: Bauernenteignung + Migrationspolitik/ Niger: 2 Analysen/ Jacques Baud

Pepe Escobar: Von Buchara bis BRICS, die Suche nach dem Licht in der Dunkelheit des Wahnsinns In der SOZ sitzen Russland, China, Indien, Iran und Pakistan an einem Tisch  16. August 2023 - übernommen von strategic-culture.org  17. August 2023

Pepe Escobar For theCradle.co
Pepe Escobar*

Buchara Die Noble, der "Dom des Islam", mit seiner 2.500 Jahre alten Geschichte birgt zu viele Wunder, um sie alle zu erwähnen: von der zwei Jahrtausende alten Arche, einer Festung, um die herum sich die Stadt entwickelte, bis zum 48 Meter hohen Kalon-Minarett, das 1127 erbaut wurde und Dschingis Khan so beeindruckte, dass er befahl, es nicht abzureißen.

Das elegante, einzelne türkisfarbene Band an der Spitze des Minaretts ist das früheste Beispiel für glasierte Fliesen im gesamten Kernland.

Laut dem persischen Epos Shanameh gründete der Held Siyavush die Stadt, nachdem er die Tochter des benachbarten Afrasiab geheiratet hatte. Noch bevor die alten Seidenstraßen in Betrieb waren, florierte Buchara als Karawanenkreuzung   – seine Stadttore wiesen nach Merv (im heutigen Turkmenistan), Herat (im westlichen Afghanistan), Chiwa und Samarkand.

Seine Blütezeit erlebte Buchara im 9. bis 10. Jahrhundert unter der Samaniden-Dynastie, als es sich zu einem Mekka der persischen Kultur und Wissenschaft entwickelte. Dies war die Zeit von al-Biruni, dem Dichter Rudaki und natürlich Avicenna: Sie alle hatten Zugang zum legendären Schatz der Weisheit, einer Bibliothek, die in der islamischen Welt nur vom Haus der Weisheit in Bagdad übertroffen wurde.

Buchara wurde 1220 von Dschingis Khan und den Mongolen weitgehend zerstört (ja: nur das Minarett blieb verschont). Als der große marokkanische Reisende Ibn Battuta die Stadt 1333 besuchte, lag der größte Teil der Stadt noch in Trümmern.

Doch dann, im Jahr 1318, wurde in Kasri Orifon, einem Dorf außerhalb von Buchara, ein ganz besonderer Mensch geboren. Zunächst nannte man ihn einfach Muhammad, nach seinem Vater und Großvater, deren Herkunft bis zu Hazrat Ali reichte. Doch die Geschichte sah vor, dass Muhammad schließlich als der Sufi-Heilige Bahauddin Naqshbandi in allen Ländern des Islam berühmt werden würde.

Was steckt in einem Namen? Alles. Bahauddin bedeutet "das Licht der Religion" und Naqshbandi bedeutet "Verfolger". Er wuchs bei mehreren Pirs ("Heiligen") und Scheichs auf, die in und um Buchara lebten. Er verbrachte fast sein ganzes Leben in diesen Oasen, sehr arm und immer auf seine eigene Handarbeit angewiesen, ohne Sklaven oder Diener.

Bahauddin Naqshbandi gründete schließlich eine äußerst einflussreiche Tariqa   – eine islamische Schule   –, die auf einem sehr einfachen Konzept basiert: "Beschäftige dein Herz mit Allah und deine Hände mit der Arbeit." Das Konzept wurde in weiteren 11 Regeln, den Rashas ("Tropfen"), weiterentwickelt.

Was kommt aus diesen "fünf Fingern"?

Ein Besuch des Bahauddin-Naqshbandi-Komplexes außerhalb von Buchara, in dessen Mittelpunkt das Grab des Sufi-Heiligen aus dem 14. Jahrhundert steht, der eigentlich der spirituelle Beschützer der Stadt ist, ist eine erhellende Erfahrung: eine sehr friedliche Atmosphäre, die ein beruhigendes Netz von heiligen Steinen, "Wunschbäumen" und die eine oder andere Opfergabe umgibt.

Dies ist die Essenz dessen, was man als einen parallelen Islam bezeichnen könnte, der so viele Gegenden im Herzland durchdringt und eine animistische Vergangenheit mit formalen islamischen Lehren verbindet.

In der Anlage treffen wir auf zahlreiche hübsche, farbenfroh gekleidete usbekische Frauen aus allen Regionen und Pilger aus ganz Zentralasien, aber auch aus West- und Südasien. Der äußerst beliebte usbekische Präsident Mirzoyoyev war Ende letzter Woche hier, und er kam direkt vom nahe gelegenen, nagelneuen Flughafen.

Diese Oase des Friedens und der Meditation bietet nicht nur einen scharfen Kontrast zu den giftigen Turbulenzen der Zeit, sondern inspiriert uns auch dazu, inmitten des Wahnsinns nach Vernunft zu suchen. Schließlich heißt es in einem der Rashas von Naqshbandi:

"Unser Weg ist das Gespräch, gute Taten findet man nur in der gegenseitigen Kommunikation, aber nicht in der Abgeschiedenheit."

Wenden wir also die Sufi-Weisheit auf den bevorstehenden, möglicherweise bahnbrechenden Moment an, der den Weg der globalen Mehrheit in Richtung eines gerechteren, weniger gestörten Musters internationaler Beziehungen festigen sollte: den 15. BRICS-Gipfel nächste Woche in Südafrika.

Der chinesische Außenminister Wang Yi hat eine prägnante Definition formuliert, die eine faszinierende Mischung aus Konfuzianismus und Sufismus verkörpert: "Die BRICS-Länder sind wie fünf Finger: kurz und lang, wenn sie ausgestreckt sind, aber eine mächtige Faust, wenn sie zusammengeballt sind."

Wie diese Finger zu einer mächtigen Faust geballt werden können, damit haben sich im Vorfeld des Gipfels schon einige Sherpas beschäftigt. Doch schon bald wird es nicht mehr nur um eine Faust gehen, sondern um Fäuste, Arme, Beine und sogar um den ganzen Körper. Und genau da kommt BRICS+ ins Spiel.

Unter den neuen multilateralen Organisationen, die an der Vorbereitung und Umsetzung eines neuen Systems der internationalen Beziehungen beteiligt sind, gelten die BRICS heute als die wichtigste Plattform für den globalen Süden, die globale Mehrheit oder den "Globus" (Copyright: Lukaschenko).

Vom Übergang zu einem neuen "Weltsystem"   – um Wallerstein zu zitieren   – sind wir noch weit entfernt, aber ohne BRICS wären selbst kleine Schritte unmöglich.

Südafrika wird die ersten Koordinaten für die BRICS+-Erweiterung besiegeln   – und das kann noch ewig so weitergehen. Schließlich haben große Teile des "Global Globe" bereits formell (23 Nationen) und informell (zahllose "Interessenbekundungen", so das südafrikanische Außenministerium) erklärt, dass sie dabei sein wollen.

Die offizielle Liste der Länder, die so schnell wie möglich Teil von BRICS+ werden wollen, ist ein "Who is Who" des Globalen Südens   – Änderungen vorbehalten: Ägypten, Algerien, Argentinien, Bahrain, Bangladesch, Bolivien, Kuba, Äthiopien, Honduras, Indonesien, Iran, Kasachstan, Kuwait, Marokko, Nigeria, Palästina, Saudi-Arabien, Senegal, Thailand, VAE, Venezuela und Vietnam.

Und dann ist da noch Afrika: Die "fünf Finger" haben über den südafrikanischen Präsidenten Cyril Ramaphosa nicht weniger als 67 Staats- und Regierungschefs aus Afrika und dem Globalen Süden eingeladen, den BRICS-Afrika-Outreach und BRICS+-Dialogen zu folgen.

All dies verdeutlicht, was die zentrale BRICS-Rasha wäre, um Naqshbandi zu zitieren: die vollständige Einbeziehung Afrikas und des Globalen Südens   – alle Nationen, die an gewinnbringenden Gesprächen beteiligt sind und bei der Bekräftigung ihrer Souveränität gleichermaßen respektiert werden.

Die Perser schlagen zurück

Man kann sagen, dass der Iran in einer privilegierten Position ist, um eines der ersten BRICS+-Mitglieder zu werden. Dazu trägt bei, dass Teheran bereits den Status einer strategischen Partnerschaft sowohl mit Russland als auch mit China genießt und auch ein wichtiger Partner Indiens im Internationalen Nord-Süd-Transportkorridor (INSTC) ist.

Der iranische Außenminister Hossein Amir-Abdollahian hat bereits zu Protokoll gegeben, dass "die Partnerschaft zwischen Iran und den BRICS-Staaten in einigen Bereichen bereits begonnen hat. Im Verkehrsbereich ist der Nord-Süd-Verkehrskorridor, der Indien über den Iran mit Russland verbindet, tatsächlich Teil des BRICS-Verkehrsprojekts."

Parallel zu den Durchbrüchen bei BRICS+ werden die "Fünf Finger" bei der Entdollarisierung relativ vorsichtig vorgehen. Die Sherpas haben bereits inoffiziell bestätigt, dass es keine offizielle Ankündigung einer neuen Währung geben wird, sondern dass mehr bilateraler und multilateraler Handel unter Verwendung der eigenen Währungen der Mitglieder stattfinden wird: im Moment die berüchtigten R5 (Renminbi, Rubel, Real, Rupie und Rand).

Der weißrussische Staatschef Lukaschenko, der "Global Globe" als Motto prägte, das ebenso stark, wenn nicht sogar noch verführerischer ist als "Global South", war der erste, der einen entscheidenden politischen Coup ankündigte, der in der Zukunft mit BRICS+ stattfinden könnte: die Fusion von BRICS und der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ).

Jetzt wird Lukaschenko in der Öffentlichkeit vom ehemaligen südafrikanischen Botschafter Kingsley Makhubela wiedergegeben   – sowie von zahlreichen Diplomaten und Analysten von "Global Globe" inoffiziell: "In der Zukunft würden die BRICS und die SCO zu einer Einheit verschmelzen (...) Denn es wäre nicht sinnvoll, die BRICS und die SCO mit denselben Mitgliedern parallel laufen zu lassen."

Daran besteht kein Zweifel. Die wichtigsten Antriebskräfte der BRICS sind Russland und China, wobei Indien aus einer Reihe komplexer Gründe etwas weniger Einfluss hat. In der SOZ sitzen Russland, China, Indien, Iran und Pakistan an einem Tisch. Der eurasische Schwerpunkt der SCO lässt sich leicht auf BRICS+ übertragen. Beide Organisationen sind auf den "Global Globe" ausgerichtet, streben nach Multipolarität und sind vor allem der Entdollarisierung an allen Fronten verpflichtet.

Es ist in der Tat möglich, all diese in Bewegung befindlichen geopolitischen und geoökonomischen tektonischen Platten auf eine Sufi-Lesart zu bringen. So wie die Befürworter von Teilen und Herrschen und die verschiedenen Kriegshunde bei einem Besuch des Naqshbandi-Komplexes außerhalb von Buchara ratlos wären, könnte der "Globale Globus" alle Antworten finden, die er sucht, wenn er sich auf einen Prozess des Gesprächs und des gegenseitigen Respekts einlässt.

*Pepe Escobar, Unabhängiger geopolitischer Analyst, Autor und Journalist 

Quelle: https://strategic-culture.org/news/2023/08/16/from-bukhara-to-brics-searching-for-light-in-darkness-of-insanity/
Die Übersetzung besorgte Andreas Mylaeus

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Wenn man die Skandale früherer Jahrzehnte in Deutschland mit den Ereignissen vergleicht, die es heute nicht einmal mehr zu einem Skandal bringen, wird klar, dass sich nicht nur das Verhalten der Medien, sondern auch die Moral der Gesellschaft geändert hat. Aber warum und wie? Das ist der zweite Anlauf zu diesem Artikel. Es ist nicht ganz einfach, das Thema zu fassen; nicht jedes Nachsinnen über bestimmte Zusammenhänge und Veränderungen erreicht einfach die Form, in der man ihm folgen kann.
 

Fangen wir mit dem Auslöser an, den Skandalen, die keine mehr werden. Wenn die Tatsache, dass EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ein Milliardengeschäft mit Pfizer/BioNTech per SMS abschließt und diese anschließend löscht, was ein extrem starkes Indiz für Korruption ist, dann führt das nicht nur nicht zu ihrer sofortigen Absetzung, es landet noch nicht einmal für längere Zeit in den Schlagzeilen. Das könnte man noch mit der Kontrolle von Medienkonzernen und Parteien über die veröffentlichte Meinung erklären; aber es entsteht auch sonst wenig öffentliche Empörung. Von der Leyens Käuflichkeit ist auch in den sozialen Medien schlicht als Bestätigung einer Erwartung verbucht worden, die aber keinerlei Empörung mehr auslöst.

Das passt natürlich zusammen mit der resignativen Reaktion auf eine Regierung, die im günstigsten Fall, wenn sie gar nichts tut, gerade mal keinen Schaden anrichtet. Wenn man sich noch an politisch lebhaftere Zeiten erinnert, ein irritierendes Stillhalten; und die Veränderung geht so tief, ist so umfassend, dass sie nicht durch die dauernde Propaganda allein erklärbar ist. Warum also wird selbst die sichtbarste, offenste Korruption oder die erbärmlichste Unterwürfigkeit nicht einmal mehr zum dauerhaften Stammtischgespräch? Wenn man versucht, die Wendepunkte festzumachen, von denen aus sich nicht nur der soziale Zustand, sondern auch die politische Kultur in Deutschland abwärts entwickelte, finden sich drei Punkte.

Der erste liegt bereits in der Regierungszeit von Helmut Schmidt und hatte langfristig massive Folgen, die aber im Moment selbst nicht absehbar waren. Die Krise, in der sich der gesamte Westen zu Beginn der 1970er befand und die unter anderem in den USA zur Aufhebung des Glass-Steagall Acts sowie zum Ende der Goldbindung des Dollar führte, beendete in der Bundesrepublik die Phase, in der der Sozialstaat ausgebaut worden war. 1976, als die Zahl der Arbeitslosen die Millionengrenze durchbrach, wurde die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes beschränkt; die erste Kürzung, auf die noch viele weitere folgen sollten, bis zur Einführung von Hartz IV im Jahr 2005.

Weitaus folgenschwerer dürfte allerdings ein Schritt gewesen sein, der damals kaum wahrgenommen wurde: die Aufhebungen der gesetzlichen Zinsbeschränkungen. Bis 1974 hatte es eine gesetzlich vorgegebene Maximalabweichung vom Leitzins gegeben, je 1,5 Prozent nach oben für Kreditzinsen und 1,5 Prozent nach unten für Sparguthaben (klar, bei den Kreditzinsen gab es noch eine Spanne für kurzfristigere Formen). Sobald diese freigegeben wurde, stieg insbesondere die Spanne bei den Kreditzinsen deutlich an; zuletzt waren bei Leitzinsen von 0,5 Prozent durchaus Dispositionskredite von 16,5 Prozent möglich.

Diese Freigabe bedeutete schlicht, dass der Anteil der Banken bei jedem Geschäft wächst. Es gelingt ihnen, immer mehr Gewinn aus dem Massenmarkt zu schlagen. Es wäre interessant, zu wissen, wie hoch diese Abflüsse hin zu den Bankerträgen waren, aber dazu gibt es keine Berechnungen. Praktisch bedeutet das schlicht, dass zunehmend Geld dem Konsum entzogen wird und der Anlagesphäre zufließt, die wiederum seit dieser Krise zunehmend auf Spekulation setzte. Eine Entwicklung, die sich übrigens in allen westlichen Kernländern parallel vollzog.

Die nächste Phase wurde mit dem Regierungswechsel 1982 eingeleitet. In etwa gleichzeitig gab es den großen Skandal um die Neue Heimat (NH), die große gewerkschaftseigene Wohnungsbaugesellschaft. Ein großer Teil der Sozialwohnungen, damals in der BRD 3,9 Millionen (heute in ganz Deutschland weniger als eine Million), wurden von der Neuen Heimat errichtet. Kern des Skandals waren zwei Punkte – der Versuch, mit Auslandsgeschäften ein neues Standbein zu schaffen, nachdem keine weiteren Großprojekte mehr anstanden, und die Tatsache, dass sich die Manager dieses Gewerkschaftskonzerns so verhielten wie andere Baulöwen auch, was ihre persönlichen Vorteile anging. Heute, in Zeiten von Cum-Ex, wäre die ganze Geschichte rund um die Neue Heimat keine Schlagzeile mehr wert.

Aber damals gab es in der gesamten Gesellschaft noch moralische Erwartungen, wie sich das leitende Personal von Gewerkschaftsunternehmen zu verhalten habe. Persönliche Bereicherung stand nicht auf dieser Liste. Im Skandal um die Neue Heimat wurde diese Moral eingesetzt, um einen gemeinnützigen Wohnungsbaukonzern, der mehrere Hunderttausend Wohnungen besaß, zu zerschlagen und letzten Endes, um die Gemeinnützigkeit im Wohnungsbau ganz abzuschaffen. Mit betroffen waren noch andere gemeinwirtschaftliche Unternehmen, wie die gewerkschaftseigene Supermarktkette Konsum. Innerhalb eines Zeitraums von etwa zehn Jahren gelang es, den gesamten Sektor dieser Gemeinwirtschaft bis auf klägliche Reste zum Verschwinden zu bringen.

Die Zerschlagung der Neuen Heimat und die Abschaffung der Gemeinnützigkeit waren zusammen mit der Freigabe der Zinsen (in allen Mieten steckt ein beträchtlicher Teil Zins, der an die Banken geht) schufen den Motor, der die Mieten nach oben trieb und der seitdem nicht mehr innegehalten hat. Das ist einer der Punkte, die letztlich eine starke Rückwirkung auf das Denken haben. Selbst eine weniger mieterfreundliche Gesetzgebung ist kein Problem, wenn ein großes Angebot an bezahlbaren Wohnungen vorhanden ist, und alle Risiken des Lebens, sei es eine Scheidung, sei es Arbeitslosigkeit, sind weit weniger gravierend als in einer Umgebung mit zu wenigen, meist unbezahlbaren Wohnungen, selbst wenn die rechtliche Lage vergleichsweise mieterfreundlich ist. Es ist unschwer zu erkennen – die Entwicklung seitdem hat ein Niveau an Angst in das Alltagsleben gebracht, das in den 1970ern nicht vorstellbar gewesen war. Die Ängste zu Beginn der 1980er waren politisch; Angst vor einem Atomkrieg. Die Gegenwart lässt für diese Ängste schon keinen Atem mehr übrig, weil die Gefahren des gewöhnlichen Daseins schon so viel Aufmerksamkeit verlangen.

Als Helmut Kohl durch einen ziemlich unmoralischen Koalitionswechsel der FDP während der Legislaturperiode Bundeskanzler wurde, löste sein Gerede von der "geistig-moralischen Wende" noch weitgehend Befremden aus. Für diese vergleichsweise nüchterne Zeit war das schon viel zu viel Pathos, viel zu dick aufgetragen. Hätte man damals eine Rede wie die von Bundeskanzler Scholz zur "Zeitenwende" vor jungen Leuten verlesen, die hätten sich vor Lachen auf dem Boden gewälzt. Das private Fernsehen mit seinen Boulevardsendungen wurde erst unter Kohl eingeführt; auch da gab es einen sehr schmierigen Deal mit seinem Freund Leo Kirch, der sich die freigegebenen Frequenzen mit Bertelsmann teilte. Es waren die Sendungen der privaten Sender, die anfingen, Nachrichten zu emotionalisieren; inzwischen sind alle Unterschiede zu den öffentlich-rechtlichen Sendern längst gefallen.

Wobei diese Verlotterung am Anfang sogar auf Sympathien setzen konnte, indem der Alltag der weniger Wohlhabenden zugelassen wurde, während es bei den Öffentlich-Rechtlichen so etwas wie Arbeiterschaft nur in der Lindenstraße und bei Schimanski gab; das Tittytainment war da so etwas wie eine Dreingabe, die man auch übersehen konnte. Auch hier war es die Langzeitwirkung, die letztlich entscheidend war. Ohne die Eingewöhnung durch RTL und Sat.1 wäre die emotionale Aufladung, die der Kern der heutigen Propaganda auch in den öffentlich-rechtlichen ist, nicht möglich gewesen.

Mit dem dritten Wendepunkt, dem Jahr 1989, gewann das richtig an Fahrt. Schließlich ging es darum, eine Verfassungsdebatte und eine deutsche Neutralität zu verhindern und nach Möglichkeit das annektierte Gebiet so gründlich wie möglich zu unterwerfen. Es ist dieser propagandistische Druck, der den Grundstein für die heutige Einförmigkeit legte; bei der Schaffung der Legende von der finsteren Stasi-Diktatur DDR konnte man den heutigen Apparat zur Meinungslenkung das erste Mal in voller Blüte erleben.

Kohl war der Einstieg in den Neoliberalismus, auch wenn er im Rückblick betrachtet an vielen Punkten links von Gerhard Schröder stand. Er war der Einstieg in einen neuen, alten deutschen Machtanspruch, der sich bei der Zerlegung Jugoslawiens das erste Mal austobte. Er sorgte dafür, dass die DDR-Bürger ihre Maggie-Thatcher-Erfahrung machten; der Westen bekam diesen Teil der Geschichte erst von Schröder serviert.

Allein die Mengenverhältnisse bei den Sozialwohnungen lassen erkennen, dass der Sozialstaat im heutigen Deutschland mit jenem der 1970er nicht mehr viel zu tun hat. Wobei natürlich die Schaufensterfunktion eine Rolle spielte, aber der Zufluss aus den Ländern der Peripherie weniger, als man auf den ersten Blick annehmen mag – die Krise der 1970er wurde unter anderem dadurch ausgelöst, dass es, nachdem viele afrikanische Kolonien in den 1960ern die Unabhängigkeit errungen hatten, sie tatsächlich einige Jahre lang bessere Preise für ihre Rohstoffe durchsetzen konnten, und eine der Antworten auf diese Krise bestand eben darin, das System kolonialer Kontrolle zu erneuern und die Rohstoffpreise wieder zu drücken. Der Putsch in Chile 1973 zielte unmittelbar auf die Kupferpreise.

Aber zurück zur eigentlichen Fragestellung. Die relative Sicherheit, die damals auch für die arbeitende Bevölkerung bestanden hatte, ist mittlerweile zu großen Teilen verschwunden, obwohl die Rhetorik gleich geblieben ist, man also glauben müsste, es sei alles noch immer so, wie es damals war. Wenn sich die wirklichen Umstände ändern, hat das zwangsläufig Auswirkungen auf Wahrnehmung und Denken. Wie kommt es nun dazu, dass die Toleranz gegenüber feindseligen oder korrupten Handlungen der Politik immer weiter zu steigen scheint?

Wenn man den Skandal um die Neue Heimat betrachtet, so war der Ansatzpunkt für diesen Angriff auf gewerkschaftliche Macht in der Gesellschaft ein moralischer, und die Moral, die verletzt wurde, stammte aus der Arbeiterbewegung, die Deutschland über viele Jahrzehnte geprägt hatte. Selbst in der sozialdemokratischen Variante gab es eine bestimmte Vorstellung, wie man sich unter Kollegen zu verhalten hat, und gegen diese Vorstellungen hatte der Chef der Neuen Heimat Albert Vietor verstoßen.

Dass die reale sozialdemokratische Führung sich oft völlig anders verhielt, ist eine andere Sache; es gab gewissermaßen einen proletarischen Kodex, der zwar nicht Teil der offiziellen Kultur war, aber dennoch weite Teile der Gesellschaft prägte und beispielsweise dazu führte, das bestimmte Berufe damals einen sehr schlechten Ruf hatten. Immobilienmakler und Werbeleute beispielsweise, Banker und Börsenspekulanten. Also viele der Berufe, die dann in den Neunzigern des vergangenen Jahrhunderts modisch wurden, in denen das große Geld gemacht wurde.

Die Erwartung an die Politik entsprang weitgehend dieser Moral. Sie soll sich um die Probleme kümmern und dafür sorgen, dass alles gut funktioniert, die Züge pünktlich sind, die Mülltonnen geleert werden und die Kinder in der Schule das lernen, was sie brauchen. Auf der heutigen Skala würde man diese proletarische Moral als konservativ einsortieren (obwohl sie eines nie war, nämlich prüde). Ehrlichkeit, Disziplin und Verantwortlichkeit hatten einen hohen Wert. Raum für exzessiven Individualismus gab es nicht. Es war in Ordnung, ein Häuschen oder ein Auto anzustreben, aber Mercedes oder Porsche standen schon für einen Wechsel auf die feindliche Seite.

Das erste Zeichen dafür, dass diese Moral erodierte, war das Auftauchen von Bekleidungsmarken, mit denen nichts anderes zur Schau gestellt wurde, als dass man es sich leisten konnte, Geld nur dafür auszugeben, um zu zeigen, dass man es nutzlos ausgeben konnte. Es begann mit Fruit of the Loom und endete bei Gucci und Luis Vuitton. Heute ist es kaum noch vorstellbar, dass ein sichtbares Prangen mit Reichtum nicht nur als obszön galt, sondern auch als ausgesprochen lächerlich.

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Verscherbelt die EU ganz billig: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen
 
Die USA subventionieren ihre eigene Wirtschaft und verstoßen damit gegen Handelsregeln. Die EU nimmt es hin und ordnet die eigenen wirtschaftlichen Interessen denen der USA unter. Die EU steigt ab und verliert an Einfluss. Auf dem eigenen Kontinent ist sie längst nur noch Zaungast. Mit dem Inflation Reduction Act haben die USA ein umfassenden Subventionsprogramm für die eigene Wirtschaft aufgelegt, das die Handelspartner benachteiligt. Ziel ist die Rückverlagerung von Arbeitsplätzen aus dem Ausland in die USA. Vor allem der Handel mit der EU wird dadurch massiv benachteiligt. Doch statt sich dagegen zu wehren, nimmt es die EU hin, schreibt der Blog Lost in Europe, und akzeptiert, dass sie dadurch weltweit zurückfällt. 

"Bis heute hat die EU keine adäquate Antwort gefunden – politisch und ökonomisch fällt sie zurück."

Vor allem Deutschland steht einer härteren Gangart gegen Washington im Weg. Der Gang vor die Welthandelsorganisation wäre prinzipiell möglich (Schreibweise wie im Original). 

"Auf die schärfste Waffe – eine Klage vor der Welthandelsorganisation WTO wegen Wettbewerbsverzerrung – haben die EUropäer verzichtet – vor allem Berlin war dagegen. Wirtschaftsminister Habeck ist nunmal Transatlantiker, genau wie Kanzler Scholz!"

Stattdessen setzt die EU auf die Lockerung der eigenen Subventionsregeln. Kaum verwunderlich macht Deutschland davon umfassenden Gebrauch und subventioniert die eigene Industrie. Nachhaltig ist das nicht, zumal die ökonomische Schwäche strukturell ist. Deutschland hat durch die Sanktionspolitik sein Wirtschaftsmodell verloren. Verschlimmert wird die Situation noch dadurch, dass sich die EU durch die USA immer tiefer in einen Handelskrieg mit China treiben lässt. 

"Dass sich EU-Chefin von der Leyen von US-Präsident Biden auch noch das 'De-Risking' von China aufschwatzen ließ, macht die Sache nicht besser. Im Gegenteil: IRA und De-Risking erweisen sich als toxischer Mix, wiederum vor allem für die deutsche Industrie."

Das Ergebnis ist klar: Die EU verliert den Anschluss und steigt ab. Und mit ihr Deutschland. Während die Wirtschaft der EU und der USA im Jahr 2008 noch in etwa gleichauf lagen, ist die der USA inzwischen um fast ein Drittel größer als die der EU. Auch Deutschland steigt ab. Beim kaufkraftbereinigten BIP hatte Deutschland einst ganz weit vorne auf dem dritten Platz im Länderranking gelegen, wurde dann Mitte der 90er von China überholt und liegt inzwischen auf Platz sechs hinter Russland, das den fünften Platz belegt. Auf den ersten fünf Plätzen findet sich damit kein Land der EU.

Die EU verliert aber nicht nur wirtschaftlich an Einfluss. Wie der Ukraine-Konflikt deutlich macht, ist die EU auf dem eigenen Kontinent keine Gestaltungsmacht, sondern erfüllt lediglich die Vorgaben aus Washington, auch wenn sie sich gegen ureigenste Interessen richten. Denn nicht nur Robert Habeck und Olaf Scholz sind Transatlantiker, Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist das auch und ordnet die Interessen der EU denen der USA unter.  

Mehr zum Thema – Kommissionspräsidentin auf den Philippinen: "Von der Leyen klingt wie Onkel Sams Papagei"

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen.


er bringt es sehr gut auf den punkt
krass - bayer-monsanto fianziert das büro der neuen bauern-bewegung
gegen die enteignung von 20% aller baurnhöfe in hollend. schon krass: man sollte meinen, dass menschen die vor der enteignung stehen sich wehren. aber eine neue, unabhängige strategie gegen die WEF-politik von mark rutte ist noch nicht da. dazu fehlt ihnen das bewusstsein. das ist das tragische an den mainstream-menschen - sie haben sich ihr ganzes leben nicht darum gekümmert und jetzt wissen sie nicht wie sie sich richtig organisieren könnten...


Auf dem Kopf stehende niederländische Protestflagge, 04.07.2022.

Der Rücktritt der niederländischen Regierung ist weit über Holland hinaus von Bedeutung. Denn die Enteignung eines Fünftels der bäuerlichen Bevölkerung und der ungebremste Zustrom junger Afrikaner und Menschen aus dem Nahen Osten sind Bestandteile des WEF-Programms "Great Reset". Durch Zerrüttung von Identität und Kultur soll der Widerstand gegen den Turbo-Kapitalismus weltweit gebrochen werden.

Zu Beginn des Sommers ist das niederländische Kabinett von Premierminister Rutte an der Frage der Masseneinwanderung gescheitert. Dabei ging es nicht um die Frage von Fortsetzung oder Beendigung seiner liberalen Einwanderungspolitik, sondern in bester Tradition des Koalitionsparlamentarismus um eine komplizierte Alternative hinsichtlich zweier Varianten des Familiennachzugs für anerkannte Einwanderer. Ansonsten hätte es sich bei den unvermeidlichen Wahlen um die Beendigung der Masseneinwanderung drehen können. Dabei weiß jeder, dass die Bevölkerung mehrheitlich nicht mehr bereit ist, noch mehr alleinstehende Männer aus Afrika und dem Nahen Osten aufzunehmen.

Diese Migranten werden in Aufnahmezentren im ganzen Land untergebracht. Alle Kommunen sind verpflichtet, Wohnraum für Flüchtlinge bereitzustellen, deren Asylantrag als berechtigt angesehen wird. Mit einem Blick auf die Karte lässt sich feststellen, dass diese Aufnahmezentren überproportional häufig auf dem Lande eingerichtet werden, wo sie neben den bereits bestehenden Zentren geplant sind.

Große Flüchtlingszentren werden in kleinen Gemeinden errichtet

Oft werden in sehr kleinen Gemeinden, die noch nie mit nicht niederländischsprachigen Neuankömmlingen konfrontiert waren, relativ große Flüchtlingszentren aufgebaut. Es gibt dabei keinerlei Beschäftigungsplan für die neuen Einwohner, außer dass sie auf ihren Asylantragsbescheid warten sollen.

Obwohl die Einwanderer immer in die großen Städte wollen, kann ihre Anwesenheit auf dem Land lange andauern. Selbst in Fällen, in denen ihr Antrag abgelehnt wird, bleiben sie in den Aufnahmezentren oder in deren Nähe. Denn in den Niederlanden werden Personen, deren Antrag auf Aufenthalt nicht anerkannt wird, nicht zurückgeführt. Diese Gruppe junger Ausländer verursacht oft Chaos in kleinen Dörfern im Norden und Osten des Landes. Doch gerade dort vollzieht sich aktuell noch ein weiterer großer sozialer Wandel: Die planmäßige Enteignung von schätzungsweise einem Fünftel der niederländischen Landbevölkerung.

Enteignung der Bauern als Teil der Great Reset-Agenda

Im Frühsommer stürzte die niederländische Koalitionsregierung. Auf sie traf zu, was Klaus Schwab, das Orakel von Davos, beschrieb: Sein Weltwirtschaftsforum sei "in die Kabinette eingedrungen" (eine Behauptung, die er vor einigen Jahren bei einer Diskussion in Harvard aufstellte). Es war bereits die vierte Regierung unter Premierminister Rutte, der genau wie mehrere seiner Kabinettsminister ein militanter Verfechter des WEF-Programms "Great Reset" ist.

Falsch gepokert? Mark Rutte provozierte das Scheitern seiner Regierung und wurde durchschaut

Der "Great Reset" ist eine der Bezeichnungen für das, was ich "Ultra-Kapitalismus" nenne. Bei dieser Variante des Kapitalismus soll alles Privateigentum beschlagnahmt werden, das bis dato noch nicht von großen Konzernen vereinnahmt wurde. Daran beteiligt sind auch die Portfolios großer Holdinggesellschaften wie BlackRock und Vanguard. Der Kapitalismus bewirkt per se eine Konzentration und Zentralisierung des Eigentums. Angesichts der Unruhen in der Bevölkerung und der wirtschaftlichen Dysfunktion soll das WEF-Projekt diesen Prozess von oben nach unten beschleunigen und so die kapitalistische Entwicklung vollenden.

Jegliches Privateigentum jenseits des Besitzes der größten Unternehmen muss verschwinden. Der WEF-Slogan "Du wirst nichts besitzen und glücklich sein" bezieht sich auf diesen voraussichtlichen Endzustand des Systems. Sollte es keinen privaten Autobesitz, möglichst keine Flugreisen mehr und eine langsame Enteignung des privaten Wohneigentums geben, wäre der erste Teil des Slogans sicherlich erfüllt.

Covid-Maßnahmen als erster Schritt in Richtung Kontrollregime und Globaler Weltregierung

Wenn eine Bevölkerung nicht mehr in der Lage ist, aus den sogenannten 15-Minuten-Städten auszubrechen, und ihre Bewegungsfreiheit durch digitale Ausweise streng reglementiert ist, wird sie auch nicht mehr in der Lage sein, sich außerhalb des bestehenden parlamentarischen Systems politisch zu organisieren. Mittels digitaler Technologie würde die Überwachung der Gesellschaft kontrolliert und damit der Ultra-Kapitalismus in der Wirtschaft ergänzt.

Klimaanlage und Fast Food ade: Wie der Mensch nach WEF-Vorstellung "klimagerecht" konsumieren soll
 

Im Nachhinein kann das Covid-Biokriegsexperiment, das in vielen Ländern zu derartigen Kontrollregimen und zur Einrichtung eines noch katastrophaleren Gentherapieprogramms geführt hat, als erster Teil dieses grandiosen Projekts angesehen werden. Allerdings ist es in vielerlei Hinsicht gescheitert, obwohl es Milliarden von Menschen irreparablen Schaden zugefügt hat. Covid fand als Instrument der Global Governance-Weltordnung, wie sie nach dem Zusammenbruch des Ostblocks und der UdSSR eingeführt wurde, ein jähes Ende, als Russland nach Jahrzehnten der NATO-Erweiterung im Februar 2022 militärisch zurückschlug.

Das atlantische Bündnis war zu diesem Zeitpunkt der militärische Arm der vom Westen angestrebten Global Governance, was Russland und China nicht länger hinnehmen wollten. Hatten diese Länder den Covid-Notstand noch akzeptiert (China mit mehr Nachdruck als Russland, und sogar als eine der treibenden Kräfte), so zerbrach die Ukraine-Krise das gesamte Projekt der Global Governance und damit auch das WEF-Format einer ultrakapitalistischen Zukunft.

Die Bedeutung des holländischen Regierungssturzes im größeren Kontext der WEF-Agenda

Vor diesem Hintergrund ist der Sturz des niederländischen Kabinetts weit über die lokalen niederländischen Verhältnisse hinaus von Bedeutung. Denn die zugrundeliegenden Probleme, die Enteignung eines Fünftels der bäuerlichen Bevölkerung (zu Beginn) und der ungebremste Zustrom junger Afrikaner und Menschen aus dem Nahen Osten, sind beides Bestandteile des WEF-Programms. Dieses Programm ist in den Niederlanden ins Stocken geraten, weil selbst die normalerweise nachgiebige und tolerante niederländische Bevölkerung angesichts dieses Programms immer unruhiger wird.

Die Medien (die Printmedien sind im Besitz zweier belgischer Konsortien) verschweigen die Bedeutung dieser beiden wichtigen Entwicklungen und vor allem die zugrundeliegenden Zusammenhänge. Das für den August geplante EU-Gesetz über digitale Dienste wird eine strengere Zensur in den sozialen Medien einführen, um alternative Informationen über wichtige Aspekte des Great Reset zu unterdrücken. Dies gibt der herrschenden Oligarchie und ihren technokratischen Kadern einen beträchtlichen Spielraum, um sich auf eine Wiederaufnahme der WEF-Strategie vorzubereiten.

Der Bauernprotest führte zu einer weit verbreiteten Kampagne, bei der die Bauern die niederländische Flagge auf dem Kopf hielten. Die umgedrehte Flagge mit der blauen Farbe an der Spitze diente als Zeichen der ernsthaften Ablehnung. Die Christlich-demokratische Partei, eine der traditionell auf dem Land starken vier Koalitionsparteien, löste sich auf. Es entstand jedoch eine neue Partei, die BoerBurgerBeweging (Bauern-Bürger-Bewegung, BBB). Sie gewann die Provinzwahlen im vergangenen Frühjahr und wurde zur größten Partei des Landes, nachdem ihre Vorsitzende, Caroline van der Plas, die BBB eine ganze Sitzungsperiode lang allein im Parlament vertreten hatte.

Die holländische Bauernbewegung wird von Monsanto gekapert

Schließlich wurden im Landtagswahlkampf die umgedrehten Fahnen auf den meisten Äckern durch stattliche grün-weiße BBB-Tafeln ersetzt. Wie sich später herausstellte, dank der niederländischen Bayer-Monsanto-Agentur, die das Sekretariat der Partei auch vor ihrem phänomenalen Erfolg führte. Mit anderen Worten: Der Unternehmenssektor (die Bayer-Monsanto-Fusion war selbst eine BlackRock-Operation) hat das verlorene Terrain relativ leicht wieder aufgeholt. Er sichert sich schon mal einen Platz am hohen Tisch, wenn die BBB wie erwartet eine der führenden Parteien bei den für November geplanten Parlamentswahlen wird.

In der Zwischenzeit hält die Masseneinwanderung weiterhin an. Die Regierung ist zwar eifrig dabei, noch weitere Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Great Reset und der digitalen Überwachungsgesellschaft einzuführen (insbesondere die digitale Zentralbankwährung). Sie beruft sich aber darauf, dass die Einwanderung der Grund für den Sturz des Kabinetts war und sie deshalb in diesem speziellen Bereich keine einschneidenden Veränderungen vornehmen kann.

Sich nicht spalten lassen ‒ Widerstand gegen weitere Massenmigration gemeinsam mit ausländischen Mitbürgern

Doch die Masseneinwanderung verändert, wie im übrigen "alten Europa", das Erscheinungsbild der jeweiligen Gesellschaft. Außerdem untergräbt sie die sozialen Bindungen, ohne die keine Volksbewegung entstehen kann. Es ist kein Zufall, dass die Bauernbewegung gegen die Enteignung eine "weiße" Bewegung ist. Das liegt natürlich auch daran, dass es keine eingewanderten Bauern gibt. Aber diese Bewegung gibt es überhaupt nur, weil sie niederländischer Herkunft ist.

Der größte Gewerkschaftsverband FNV hingegen ist, wie die Parteien der historischen Linken, mit Fragen der "Vielfalt" beschäftigt. Bislang hat er es versäumt, seine Mitglieder für einen Kampf zur Verteidigung der Interessen der arbeitenden Bevölkerung zu mobilisieren.

Die bevorstehende Ausweitung des ultrakapitalistischen WEF-Programms erfordert jedoch eine breite Widerstandsfront. Dabei muss die Solidarität auch mit den bereits im Lande befindlichen Einwanderern wiederhergestellt werden. So steht diese Forderung im Widerspruch zu der dringenden Notwendigkeit, die weitere Einwanderung zu stoppen. Diese heikle Kombination muss von einer neuen politischen Führung in Angriff genommen werden. Sie sollte in der Lage sein, die Probleme in einer fortschrittlichen politischen Sprache darzustellen, die die Menschen zusammenbringt. Das fehlt bisher.

Übersetzt aus dem Englischen. Erstveröffentlichung am 6. August 2023 im Magma-Magazin.

Der emeritierte niederländische Politikwissenschaftler Prof. Dr. Kees van der Pijl engagiert sich für soziale und wirtschaftliche Gerechtigkeit. Im Jahr 2022 veröffentlichte er das Buch "States of Emergency: Keeping the Global Population in Check". In deutscher Übersetzung erschien 2021 sein Buch "Die belagerte Welt: Corona: Die Mobilisierung der Angst – und wie wir uns daraus befreien können". Auf seinem Twitter-Account berichtet er regelmäßig auch über die Situation in den Niederlanden.

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von traugott...
Ecowas erwägt Militäreinsatz – Mali und Burkina Faso stellen sich auf Nigers Seite
(hier). “Die westafrikanische Staatengemeinschaft ECOWAS hat bekannt gegeben, für eine Militärintervention in Niger bereit zu sein – als Antwort darauf haben Mali und Burkina Faso gemeinsam mit Niger eine Verteidigungsstrategie entwickelt. Die Militärstäbe der drei Länder hätten sich in der nigrischen Hauptstadt Niamey getroffen und für den Fall eines Angriffs »konkrete Maßnahmen« beschlossen, teilte das nigrische Staatsfernsehen in der Nacht zum Samstag mit. Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur AP erklärten die beiden Staaten sogar, Kampfflugzeuge entsandt zu haben.” 

“Am späten Freitag hatte ECOWAS verkündet, die Armeen der westafrikanischen Staatengemeinschaft seien bereit, nach dem Putsch vor gut drei Wochen in Niger zu intervenieren, »sobald der Befehl erteilt« sei.”

Wer erteilt den Befehl? Letztlich wohl der Tiefe Staat in den USA. Neun von 15 ECOWAS-Staaten sind nach Beratung in Ghanas Hauptstadt Accra bereit, militärisch einzugreifen. Eine leere Drohung? “Zunächst werde eine ECOWAS-Mission nach Niger reisen, so Musah. Falls diese scheitere, werde der Staatenbund auf eine militärische Lösung zur Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung in Niger zurückgreifen.” Sie können nicht gewinnen, selbst wenn die USA und Frankreich die neun Staaten unterstützt. Die Bevölkerung steht fast geschlossen auf Seiten der Putschisten. Nebst großen Uranvorkommen verläuft auch eine neue Pipeline durch den Niger.

Wegen Niger-Krise: Gas-Pipeline nach Europa bedroht (hier; Bza.). “Die Krise im Niger bedroht ein wichtiges Pipeline-Projekt, das Gas nach Europa bringen soll. Nach dem Ende anderer Pipelines ist dies ein weiterer Rückschlag für die europäische Versorgung.” Wenn die Franzosen kein Uran mehr bekommen sollten und Europa kein Gas, gehen hier definitiv die Lichter aus. Vielleicht ist geplant, daß Putin einspringt (eine Tangente von Nord-Stream 2 ist noch funktionstüchtig) und uns wieder mit Wärme versorgt? Die Menschen müssen erkennen, wer Freund und wer Feind ist. Das werden sie.



Feier des Unabhängigkeitstags in Niger: Demonstranten mit russischer Flagge und Bildern der Staatschefs Abdourahamane Tchiani, Chef der Junta in Niger, Ibrahim Traoré (Burkina Faso), Assimi Goïta (Mali) und Mamady Doumbouya (Guinea) in Niamey, 3. August 2023.
 
 
Die Drohungen einiger ECOWAS-Staaten, auf den Machtwechsel in Niger mit einer Militärintervention zu reagieren, ist noch nicht vom Tisch. Im Westen sähe man einen solchen Einmarsch sicher gern, doch hinter den Kulissen regt sich Widerstand selbst bei den Nachbarn Nigers, die nach außen hin ein militärisches Eingreifen befürworten.
 

Von Pierre Lévy

Werden die Nachbarländer militärisch in Niger eingreifen? Diese Drohung wurde am 31. Juli von der ECOWAS (Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten) ausgesprochen, fünf Tage nachdem eine Junta unter der Führung von General Tchiani die Macht in der Hauptstadt Niamey übernommen hatte. Eine Bedrohung, die von Paris unterstützt wird, das zwar nicht zu offensichtlich in Erscheinung treten möchte, aber befürchtet, die französischen Truppen vor Ort – etwa 1.500 Mann sowie schweres und hochentwickeltes Material und Ausrüstung – abziehen zu müssen.

Neben der Einführung von Wirtschaftssanktionen hatte die ECOWAS ein Ultimatum gestellt, das am 6. August ablief. Sie verlangte die Freilassung des gestürzten Präsidenten Mohamed Bazoum und die "Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung". Derzeit ist eine solche bewaffnete Aktion zwar immer noch im Gespräch, wird aber immer unwahrscheinlicher.

Erstens, weil die Unterstützung der Bevölkerung für das Militärregime wächst. Zweitens, weil die äußeren Bedingungen für eine bewaffnete Intervention immer komplizierter werden. Offiziell betonten die Führer der subregionalen Organisation ihre Einmütigkeit. In Wirklichkeit solidarisierten sich zwei wichtige Länder – Mali und Burkina Faso, die aufgrund von Militärputschen (2020, 2021, 2022) von der ECOWAS suspendiert wurden – mit ihren aufständischen nigrischen Kollegen und drohten sogar mit militärischer Unterstützung, falls Niger angegriffen würde. Vor allem aber weckt die Aussicht auf Gewaltanwendung selbst unter den "legalistischen" Ländern die Angst vor einem regionalen Flächenbrand. In Nigeria, der größten militärischen und demografischen Macht der Region und wahrscheinlicher Anführer einer möglichen Intervention, sprachen sich die Senatoren beispielsweise gegen eine solche Perspektive aus.

Darüber hinaus weigerte sich die Afrikanische Union, eine solche Aktion grundsätzlich zu unterstützen. Algerien, der große Nachbar im Norden, hat ebenfalls seine Ablehnung zum Ausdruck gebracht. Und kürzlich hat Washington diskrete Gespräche mit der Junta aufgenommen, wahrscheinlich in der Hoffnung, das Notwendigste – d.h. die strategische US-Präsenz von 1.000 Soldaten – zu retten. Der US-Außenminister meinte sogar, dass es "keine akzeptable militärische Lösung" gebe, was den diskreten, aber heftigen Zorn von Paris hervorrief, das über diesen Bruch der "Einheit" des westlichen Lagers empört war.

Burkina Faso und Mali stehen an der Seite Nigers: "So Gott will, werden wir gewinnen!"
 

Niger ist das vierte Sahelland, das innerhalb von drei Jahren nach einem militärischen Aufstand im Namen der Wiederherstellung nationaler Interessen mit seiner engen Unterwerfung unter das westliche Lager bricht. Noch vor wenigen Wochen wurde das Land als ein umso entscheidenderer Verbündeter angesehen, als die französischen Streitkräfte aufgefordert wurden, Mali und später Burkina Faso zu verlassen. Der gestürzte nigrische Präsident, der sich derzeit in Haft befindet, drohte übrigens damit, so die Washington Post, dass die gesamte Sahelzone in den Einflussbereich Russlands rutschen könnte.

Die großen Demonstrationen der Bevölkerung in Bamako und Ouagadougou zur Unterstützung der Putsche hatten die Unfähigkeit des französischen Militärs angeprangert, der schrecklichen Geißel des dschihadistischen Terrorismus ein Ende zu bereiten – der ursprüngliche offizielle Grund für ihre Präsenz in diesen Ländern. Einige Teile der Bevölkerung, die vom Terror der islamistischen Gruppen besonders betroffen waren, hatten Paris sogar der Komplizenschaft mit diesen Gruppen beschuldigt. Und viele Demonstranten hatten offen an die Hilfe Russlands appelliert.

Zwar sind diese Sicherheitsbedenken auch in Niger vorhanden, doch die massive Unterstützung der Bevölkerung für die Junta erklärt sich vor allem aus der dramatischen wirtschaftlichen und sozialen Lage des Landes, das trotz der Unmengen an Bodenschätzen zu den ärmsten der Welt gehört. Zwar war der Machtwechsel zwischen dem früheren Präsidenten Mahamadou Issoufou und seinem Nachfolger Mohamed Bazoum nach den Präsidentschaftswahlen 2021 friedlich verlaufen – ein Argument, das von den französischen (und EU-)Behörden ständig wiederholt wurde –, doch sind Unzufriedenheit und Frustration gewachsen, insbesondere angesichts des Ausmaßes von Korruption und Vetternwirtschaft. Die riesigen Vermögen, die einige der bisherigen Machthaber angehäuft haben, sehen angesichts eines Mindestlohns von nur 45 Euro pro Monat untragbar aus.

Dies erklärt, warum die größte Oppositionspartei und der Gewerkschaftsbund das Militär unterstützt haben. So konnte General Tchiani die Einsetzung des Nationalen Rates zur Rettung des Vaterlandes mit "den Problemen der allgemeinen Korruption und Straflosigkeit, der Misswirtschaft, der Veruntreuung öffentlicher Gelder, des Parteienclanismus [...], der Verletzung der demokratischen Rechte und Freiheiten, der Aushöhlung des staatlichen Rahmens zugunsten privater und ausländischer Interessen, der Schulkrise und dem Zusammenbruch des Gesundheitssystems" begründen. Die "verfassungsmäßige Ordnung", die von den ECOWAS-Führern und ihren westlichen Sponsoren so gelobt wurde, beinhaltete auch die Inhaftierung oder das Exil von Oppositionsführern – Details, die Emmanuel Macron 2020 nicht davon abhielten, Niger als "Beispiel für Demokratie" zu bezeichnen... Und auch den Chefdiplomaten der EU, Josep Borrell, der am 5. und 6. Juli (also kurz vor dem Putsch) in Niamey mit großem Pomp empfangen wurde, beunruhigte dies nicht.

Denn was wiegen diese Überlegungen, wenn es für den Westen darum geht, eine gewisse strategische Kontrolle über die Sahelzone zu behalten ‒ umso mehr, wenn er mit Angst sieht, wie Russland von Tausenden von Demonstranten um Hilfe gebeten wird? Auch wenn man sich davor hüten sollte, die geäußerten Slogans zu einseitig zu interpretieren, muss man doch feststellen, dass sowohl in Mali als auch in Burkina Faso die Machthaber damit eine Perspektive sehen, um aus der vom Westen auferlegten Unterwerfung auszubrechen.

Die Rede, die der Burkinabe (Einwohner Burkina Fasos) Ibrahim Traoré während seines Besuchs in Sankt Petersburg am 27. Juli hielt, war in dieser Hinsicht beeindruckend, da sie die Imperialisten schonungslos anprangerte. Erstaunliche Rückkehr der Geschichte: Dieser berief sich auf den 1987 ermordeten Führer Thomas Sankara, der bei allen Afrikanern, die Unabhängigkeit und Fortschrittlichkeit liebten, einen historischen Eindruck hinterlassen hatte.

General Traoré wurde von Wladimir Putin mit Wärme empfangen. Der afrikanische Führer wollte sich aber vor allem auf die Unterstützung beziehen, die die Sowjetunion ein halbes Jahrhundert lang den progressiven Kräften des Kontinents gewährt hatte. Eine Ehrung, deren Bedeutung für die Zukunft umso bemerkenswerter war, als der junge Offizier zum Zeitpunkt des Zusammenbruchs der UdSSR erst drei Jahre alt war. Diese hat also viele afrikanische Völker und Länder mehr geprägt, als man denkt, was die westlichen Regierungen wahrscheinlich nicht gerade erfreut.

Eine letzte Frage sollte noch aufgeworfen werden: Im Namen welcher Legitimität erklären sich die benachbarten Machthaber Nigers und ihre europäischen Sponsoren, allen voran Paris, selbst zu Verteidigern der "verfassungsmäßigen Ordnung" Nigers? Keiner. Sie berufen sich aber auf Rechtsprotokolle innerhalb der ECOWAS (die in den letzten Jahren mehrfach zum Einsatz gekommen sind). Ein Beweis dafür, dass eine regionale Organisation, die vorgibt, Länder im Namen ihrer geografischen Nähe politisch zu integrieren, von Natur aus Einmischung und Souveränitätsverlust mit sich bringt.

Ist das bei der Europäischen Union anders? Wenn morgen eine neue Gelbwesten-Bewegung in Frankreich entstehen und sich durchsetzen würde, oder gar vorhätte, Emmanuel Macron das Schicksal seines entfernten Vorgängers Ludwig XVI. erleiden zu lassen, würde der Europäische Rat dann beschließen, europäische Truppen gegen den Aufstand zu entsenden? Sicherlich ist die Annahme eines Volksaufstandes in Frankreich – oder in Deutschland oder anderswo – sehr theoretisch.

Für den Moment.

Mehr zum Thema - Wie der Putsch in Niger das Kräftegleichgewicht in und um Afrika erschüttern könnte

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Anhänger der M62-Bewegung in Niger bei einer Demonstration, um den Abzug der ausländischen Streitkräfte zu fordern [Archivfoto].
 
Frankreichs koloniales Erbe und die Sicherheitsbedenken der USA kreuzen sich in Niger; die Russen vor den Toren suchen nach neuen Jagdgründen
M. K. Bhadrakumar 17. August 2023 -0bernommen von indianpunchline.com
18. August 2023

(Red.) Der "kleine Napoleon" bekommt gesagt, wer hier eigentlich die Hosen anhat - und die USA scheinen zu verstehen, dass eine "dritte Front" in Afrika (nach Russland und China) endgültig nicht zu stemmen ist. Außerdem brauchen die USA (im Gegensatz zu Europa) das nigrische Uran nicht unbedingt (sie kaufen ja nach wie vor in Russland ein!). Also kann die deutsche Entwicklungshilfe-Ministerin ihre Flinte wieder einpacken (jedenfalls vorläufig)...PS: Das mit der "Flinte" war vielleicht etwas zu kryptisch: Gestern war in der ARD Tagesschau zu sehen, dass die deutsche Entwicklungshilfe-Ministerin (!!!) ein militärisches Eingreifen der ECOWAS gegen die Putschisten in Niger begrüßt! (am)

Der Militärputsch in Niger ist bereits drei Wochen alt. Die Putschisten sind dabei, ihre Herrschaft zu zementieren, nachdem sie im Schattenspiel mit der Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten [ECOWAS], die von ehemaligen Kolonialmächten unterstützt wird, die den bitterarmen und an Bodenschätzen reichen westafrikanischen Staat verwüsten, die Oberhand gewonnen haben.

Die Aussichten, dass Nigers prowestlicher Präsident Mohamed Bazoum wieder eingesetzt wird, sind gering. Er ist ein ethnischer Araber mit einer kleinen Machtbasis in einem überwiegend afrikanischen Land und gehört dem Migrantenstamm der Ouled Slimane an, der in der Vergangenheit als Frankreichs fünfte Kolonne in der Sahelzone galt.

Die ECOWAS hat die Initiative verloren, als die Putschisten sich der Frist vom 6. August widersetzten, Bazoum freizulassen und ihn unter Androhung von Militäraktionen wieder einzustellen.

Der Putsch in Niger war auch für Frankreich ein erniedrigender Rückschlag und für Präsident Emmanuel Macron persönlich ein schreckliches Drama, da er in Afrika seinen besten Unterstützer für Frankreichs neokoloniale Politik verloren hat. Macron flehte die ECOWAS an, in Niger einzumarschieren und Bazoum zu retten. Er hat die Grundstimmung hinter dem Putsch falsch verstanden und darauf gesetzt, dass das nigrische Militär auseinanderfallen würde. Seine Überreaktion geriet zum Bumerang, als die Putschisten über Nacht die Militärpakte mit Frankreich aufhoben. Und die latente Feindseligkeit gegenüber Frankreich nahm zu, was Macron zwang, die Führung an Washington abzugeben.

Nicht nur Frankreich, auch die westlichen Mächte im Allgemeinen verstehen nicht, dass das afrikanische Volk dank der gewalttätigen, erbittert bekämpften nationalen Befreiungsbewegungen eine hochpolitisierte Denkweise hat. Es überrascht nicht, dass Afrika sich schnell auf den Freiraum eingestellt hat, der ihm im multipolaren Rahmen für Verhandlungen mit den ehemaligen Kolonialherren offen steht.

Letzten Montag weigerte sich General Abdourahmane Tchiani, der führende Kopf des Putsches, die stellvertretende US-Außenministerin Victoria Nuland zu treffen. Nuland und andere US-Regierungsvertreter baten um ein persönliches Treffen mit Bazoum, aber auch dieser Antrag wurde abgelehnt. Stattdessen musste Nuland mit dem Kommandeur der nigrischen Spezialeinsatzkräfte und einem der Anführer des Putsches, Brig. Gen. Moussa Salaou Barmou verhandeln, der als Chef der Verteidigung dient.

Interessanterweise hat Barmou die US National Defense University besucht und wurde in Fort Benning in Georgia ausgebildet. Offensichtlich hoffte die Junta, mit Washington in Kontakt zu treten. The Intercept hat inzwischen aufgedeckt, dass Barmou nicht der einzige von den USA ausgebildete nigrische General war, der an dem Putsch beteiligt war.

Dort hieß es: "Zwei Wochen nach dem Staatsstreich in Niger hat das Außenministerium immer noch keine Liste der mit den USA verbundenen Meuterern vorgelegt, aber ein anderer US-Beamter bestätigte, dass es ‚fünf Personen gibt, von denen wir festgestellt haben, dass sie [vom US-Militär] ausgebildet wurden‘. Es ist denkbar, dass Washington seine Karten verdeckt hält und die Russen weiterhin raten lassen."

Die USA haben es in Niger mit einer chaotischen Situation zu tun. Seine Prioritäten sind zweifach: erstens, jeden russischen Schritt zu blockieren, damit nicht Wagner-Kämpfer das französische Kontingent in Niger ersetzen, und zweitens, seine drei Basen in Niger zu halten, komme was will. Wenn die Regierung Biden die Machtübernahme durch das Militär in Niger nicht offiziell als Staatsstreich bezeichnet, so deshalb, weil eine derartige Bezeichnung eine weitere Militärpräsenz in Niger nicht zulassen würde, wo aber die USA über eine 1.100 Mann starke Militärpräsenz verfügen, und, noch wichtiger, einen als Luftwaffenstützpunkt 201 bekannten Drohnenstützpunkt in der Nähe von Agadez im Zentrum von Niger, der mit Kosten von mehr als 100 Millionen Dollar errichtet wurde und seit 2018 für Operationen in der Sahelzone genutzt wird.

In einem Reuters-Bericht hieß es: "Einer der US-Beamten sagte, wenn Wagner-Kämpfer in Niger auftauchen, würde dies nicht automatisch bedeuten, dass die US-Streitkräfte gehen müssten." Der Beamte sagte, ein Szenario, in dem sich ein paar Dutzend Wagner-Soldaten in der nigrischen Hauptstadt Niamey befinden, dürfte die US-Militärpräsenz wahrscheinlich nicht beeinträchtigen, aber "wenn sich Tausende Wagner-Kämpfer im ganzen Land ausbreiten, einschließlich in der Nähe von Agadez, könnten aufgrund von Sicherheitsbedenken für US-Personal Probleme entstehen... Unabhängig davon werden die USA die Messlatte für jede Entscheidung, das Land zu verlassen, sehr hoch hängen."

In diesem bizarren Schattenspiel zwischen Washington und Moskau werden die USA möglicherweise nicht auf eine Militärintervention der ECOWAS in Niger drängen, um ihre Militärpräsenz in Niger nicht zu gefährden. Natürlich waren die Putschisten in Niamey auch schlau genug, bis jetzt keine Forderungen zu stellen, die amerikanischen Truppen aus Niger zu entfernen.

Vor diesem trüben Hintergrund kommt die Ankündigung des US-Außenministeriums vom Mittwoch, dass die neue amerikanische Botschafterin in Niger, Kathleen FitzGibbon   – die ehemalige Nummer zwei in der Botschaft Nigerias   – Ende dieser Woche in Niamey eintreffen wird, nicht überraschend. Es ist ein Signal für Washingtons Zuversicht, sich auch weiterhin mit der Situation auseinanderzusetzen. Der stellvertretende Sprecher des Außenministeriums, Vedant Patel, sagte Reportern, dass es keine Pläne gebe, dass die neue Botschafterin den Putschisten ihre Referenzen vorlegen werde.

Unterdessen traf sich der Friedens- und Sicherheitsrat der Afrikanischen Union, das für die Durchsetzung der Beschlüsse des Blocks zuständige Organ, am Montag in Addis Abeba und lehnte einen ECOWAS-Vorschlag zur militärischen Intervention in Niger ab. Mehrere süd- und nordafrikanische Mitgliedsländer waren "strikt gegen jede militärische Intervention".

Zusammengenommen haben diese Entwicklungen die ECOWAS auf die lange Bank geschoben. Erschwerend kommt hinzu, dass die Anführer des Putsches seitdem ihre Absicht verkündet haben, Bazoum wegen "Hochverrats" und Untergrabung der Staatssicherheit vor Gericht zu stellen. Interessanterweise behauptet das Militärregime, "die notwendigen Beweise gesammelt zu haben, um den entmachteten Präsidenten und seine in- und ausländischen Komplizen vor zuständigen nationalen und internationalen Behörden zu verfolgen".

Bazoum wird beschuldigt, sich nach seiner Absetzung mit hochrangigen westafrikanischen Politikern und "ihren internationalen Mentoren" ausgetauscht zu haben, die die Putschisten beschuldigen, falsche Anschuldigungen erhoben zu haben und versucht zu haben, einen friedlichen Übergang zu verhindern, um eine militärische Intervention zu rechtfertigen.

Diese Entwicklungen im Verbund mit der wachsenden innenpolitischen Opposition innerhalb Nigerias, das gegenwärtig die ECOWAS leitet, hat Nigerias Präsident Bola Tinubu gezwungen, seine Haltung gegenüber einer Militärintervention zu ändern. Eine mächtige nigerianische Delegation aus führenden islamischen Geistlichen reiste nach Niger, um Gespräche mit der Junta aufzunehmen, die umgehend einem Dialog mit der ECOWAS über das weitere Vorgehen im Land zustimmte. Mit der Zeit verliert die ECOWAS die Initiative, was den Putschisten zum Vorteil gereicht.

Während schlechte Regierungsführung, grassierende Korruption, eskalierende Armut und Unsicherheit die Bedingungen für Staatsstreiche in der Sahelzone geschaffen haben, ist die Geopolitik des Ressourcenzugangs und der Ressourcenkontrolle ein grundlegender Faktor. Ausländische Mächte konkurrieren darum, die reichen Bodenschätze westafrikanischer Nationen zu erforschen und zu kontrollieren.

Die aufkommenden Spannungen in Niger und der weiteren Subregion werden zweifellos durch die geopolitische und wirtschaftliche Rivalität zwischen Ost und West verschärft. Das Schreckgespenst, das Westafrika umtreibt, ist, dass sich der Stellvertreterkrieg zwischen Russland und den USA ohne Weiteres nach Afrika verlagern kann, wo russische Söldner und westliche Spezialeinheiten bereits für neue Aufgaben stationiert sind.

Quelle: https://www.indianpunchline.com/frances-colonial-legacy-us-security-concerns-intersect-in-niger-russians-at-the-gates-look-for-new-hunting-grounds/
Die Übersetzung besorgte Andreas Mylaeus


Ukraine: „Westen verhindert den Frieden“ - Punkt.PRERADOVIC mit Jacques Baud   47.845 Aufrufe 10.08.2023 Folgen  Deutsche Politik und Medien machen es sich einfach: Ukraine gut – Russland böse. Aber wer tiefer eintaucht erfährt, dass der damals engste Berater des ukrainischen Präsidenten Selenski bereits 2019 in einem Interview sagte, das oberste Ziel der Ukraine sei der NATO-Betritt. Das ginge aber nur, wenn der Konflikt mit Russland durch einen ausgelösten Krieg mit massiven Sanktionen als Folge Russland in die Knie zwängen. „Eine unglaubliche Fehleinschätzung“, so der ehemalige Schweizer Oberst im Generalstab und Abteilungsleiter bei der NATO, Jacques Baud. Er ist sicher, der Einmarsch Putins in die Ukraine war provoziert. Ich würde mich freuen, wenn ihr meine unabhängige journalistische Arbeit unterstützt, damit ich auch in Zukunft weitermachen kann. Vielen Dank! Ich möchte mich auch ganz herzlich bei allen bedanken, die mich bereits unterstützen. Milena Preradovic Name: Milena Preradovic IBAN: AT40 2070 2000 2509 6694 BIC: SPFNAT21XXX oder https://paypal.me/punktpreradovic   Buchbestellung „Putin – Herr des Geschehens?“: https://www.westendverlag.de/buch/putin/

/Kommentare/Putin und seine Rede von München 2007 – ein Wendepunkt?
 
Putin und seine Rede von München 2007 – ein Wendepunkt?

Für den Krieg in der Ukraine zeichnet sich keine Lösung ab, das Sterben schreitet voran. Obwohl dieser Krieg täglich in den Traditionsmedien präsent ist, bleibt vieles unterbelichtet, denn seine Vorgeschichte wird lediglich unvollständig dargestellt oder sogar ignoriert. Eine zu einfache Schuldzuweisung hat sich etabliert und verringert die Chancen auf eine Verhandlungslösung. Jacques Baud hat für den Schweizer Strategischen Nachrichtendienst, die NATO und die Vereinten Nationen gearbeitet. Mit seinem Buch „Putin – Herr des Geschehens?“ liefert er auf der Grundlage von Dokumenten einen sachlichen Blick auf die Realität und öffnet die Tür für eine unvoreingenommene Einschätzung des Kriegs in der Ukraine. Für Baud ist es Zeit, zurück zu den Fakten und vor allem zum Dialog zu kommen.

In einem Filmbericht zu Wladimir Putins Anfängen an der Spitze Russlands erinnert Caroline Roux an ein zunächst »eher herzliches« Einverständnis mit dem Westen. Mit seiner Münchner Rede vom 10.2.2007 habe Putin »schlagartig den Ton geändert«. Der Moskau-Korrespondent von Le Monde Benoît Vitkine bezeichnet die Rede als »feindlich gegenüber der unipolaren Welt und somit den Vereinigten Staaten«1. Man präsentiert uns einen unbeständigen und geradezu schizophrenen Wladimir Putin, obwohl man ihn im Westen häufiger als »Schachspieler« beschreibt, der selten emotionsgetrieben reagiert.

Um Putin als impulsiven Menschen und seine Aussagen als irrational darzustellen, übergeht Caroline Roux zwei bedeutende Ereignisse, die Putin in seiner Rede anspricht:

  • die NATO-Osterweiterung;
  • das schrittweise Verlassen des rechtlichen Rahmens der internationalen Sicherheitsstruktur durch die Vereinigten Staaten.

Diese zwei Elemente, die weitgehend von westlichen Kommentatoren übergangen werden, tauchen immer wieder im russischen Diskurs auf. Wladimir Putin wird sie fünfzehn Jahre später anlässlich der Ukrai­ne-Krise auf den Verhandlungstisch mit den Amerikanern erneut vorbringen.

Der Filmbericht verschweigt, dass George W. Bush im Jahre 2001 entschieden hat, sich einseitig vom ABM-Vertrag zurückzuziehen und Raketenabwehrsysteme (ABM: anti-ballistic missile) in Osteuropa zu stationieren. Der ABM-Vertrag hatte zum Ziel, den Gebrauch defensiver Raketen zu beschränken.2 Die Logik des Vertrags bestand darin, die gegenseitige Abschreckung durch das Risiko wechselseitiger Zerstörung positiv zu nutzen. Es war erlaubt, die Entscheidungsorgane durch ein Raketenschild zu schützen (um die Möglichkeit von Verhandlungen offenzulassen). Daher beschränkte der Vertrag die Stationierung einer Raketenabwehr auf bestimmte Zonen (insbesondere rund um die Hauptstädte) und verbot sie außerhalb des Staatsgebiets.

Im Jahr 2007 befinden sich die Amerikaner bereits in Verhandlungen mit den Tschechen und Polen über die Stationierung einer solchen Raketenabwehr – offiziell, um sich vor der iranischen Bedrohung zu schützen. Dadurch zerstören sie das strategische Gleichgewicht, was durch den ABM-Vertrag gesichert wird, und schaffen eine neue konfliktträchtige Lage in Europa.

Wladimir Putin sieht darin nicht nur ein Sicherheitsrisiko für Russland. Er stellt außerdem fest, dass die Amerikaner sich mehr und mehr vom internationalen Recht loslösen, um eine unilaterale Politik verfolgen zu können. Dies erklärt Putins Ton in München.

Im Übrigen lässt sich beobachten, dass dieser Prozess seitdem an Fahrt gewonnen hat. So haben sich die Vereinigten Staaten schrittweise von allen Vereinbarungen zur Rüstungskontrolle, die noch aus dem Kalten Krieg stammen, zurückgezogen: dem ABM-Vertrag (2002), dem Vertrag über den Offenen Himmel (2018), dem Mittelstrecken-Nuklearstreitkräfte-Vertrag (INF) (2019). Diese Tendenz hat sich unter Trump und Biden fortgesetzt:3 Rückzug von der Wiener Nuklearvereinbarung (JCPOA) mit dem Iran (Mai 2018), vom Vertrag zu Freundschaft, Handel und konsularischen Rechten zwischen den USA und dem Iran von 1955 (Oktober 2018), vom Zusatzprotokoll über die obligatorische Streitschlichtung des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen von 1961 (Oktober 2018), vom Weltpostverein (Oktober 2018), von der UNESCO (Januar 2019), von der Weltgesundheitsorganisation (Juli 2020) und von anderen. Die Europäer beweinen den von Donald Trump vollzogenen Rückzug der Amerikaner vom Übereinkommen von Paris (November 2020). Und sie bemerken dabei nicht, dass das gesamte internationale Rechtssystem infrage gestellt wird.

Im Jahr 2019 hat Donald Trump seinen Rückzug vom INF-Vertrag mit einer angeblichen Vertragsverletzung von russischer Seite gerechtfertigt. Aber die Amerikaner haben nie den Beweis einer solchen Verletzung erbracht, wie das Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) feststellt.4 In Wirklichkeit suchten sie nur einen Vorwand, um den Vertrag aufzukündigen und ihr AEGIS-Raketensystem in Polen und Rumänien aufstellen zu können. Laut der amerikanischen Administration sind diese Systeme offiziell dazu gedacht, iranische ballistische Raketen abzufangen. Es gibt allerdings zwei Umstände, die stark an der Aufrichtigkeit der Amerikaner zweifeln lassen:

  • Erstens gibt es keinerlei Hinweis, dass die Iraner solche Raketen entwickeln würden,5 wie Michael Ellemann von der Firma Lockheed-Martin vor einem Ausschuss des amerikanischen Senats erklärt.6
  • Zweitens nutzen diese Systeme Mk41-Raketenwerfer, die es erlauben, entweder antiballistische Abwehrraketen oder aber Atomraketen abzufeuern. Der Standort der Raketenabwehr im Ort Radzikowo bei Kołobrzeg (Kolberg, Polen) ist 800 Kilometer von der russischen Grenze und 1300 Kilometer von Moskau entfernt.

Im Februar 2022, nach dem Treffen zwischen Wladimir Putin und Emmanuel Macron, wundert sich der Polit-Journalist Patrick Cohen auf France 5, dass der russische Präsident den Atomkrieg erwähnt. Cohen behauptet, die in Europa stationierten Systeme seien rein defensiv.7

Diese Position wird in der Tat von den Bush- und Trump-Administrationen vertreten. Aber selbst wenn dies theoretisch wahr ist, so ist es doch technisch und strategisch falsch. Denn der Zweifel über den defensiven Charakter, der ihre Installation möglich gemacht hat, ist derselbe Zweifel, der sich legitimerweise im Konfliktfall bei den Russen einstellen kann. Das Vorhandensein dieser Raketen(-abwehr) in unmittelbarer Nähe des atomar geschützten »unantastbaren« russischen Staatsgebiets kann tatsächlich zu einem atomaren Konflikt führen. Denn im Konfliktfall kann die andere Seite nicht feststellen, welche Art von Raketen das System geladen hat: Sollen die Russen erst die Explosion abwarten, bevor sie reagieren können?

Was zudem keine unserer Medien berichtete, war, dass Präsident Joe Biden Ende April 2022 eine große Änderung in der US-Atomwaffenpolitik beschloss, indem er das Prinzip des »no-first use« von Atomwaffen aufgab. Bis dahin hatten sich die USA dazu verpflichtet, Atomwaffen nicht als Erste einzusetzen, und betrachteten den Einsatz von Atomwaffen ausschließlich zur Abschreckung (Politik des »sole purpose«). Seit April 2022 hat Biden jedoch eine Politik gebilligt, »die die Option offenlässt, Atomwaffen nicht nur als Vergeltung für einen nuklearen Angriff, sondern auch als Reaktion auf nicht-nukleare Bedrohungen einzusetzen«.8 Mit anderen Worten: Die USA erlauben sich, jederzeit Atomwaffen einzusetzen.

Das Problem Russlands könnte schnell zu einem Problem für ganz Europa werden: Da es keine Vorwarnzeit gibt, hätten die Russen praktisch keine Zeit, die Art einer abgefeuerten Rakete zu bestimmen, und wären daher gezwungen, präemptiv mit einem Nuklearschlag zu antworten.9 Aus diesem Grund spricht Wladimir Putin davon, dass die europäischen Länder in einen atomaren Konflikt hineingeraten könnten, ohne es zu wollen. Genau das erklärt er in seiner Pressekonferenz am 8. Februar 2022 anlässlich des Besuchs von Emmanuel Macron in Moskau.10

1. Caroline Roux in der Sendung »C dans l’air« vom 17.10.2021 (»Poutine, maître du jeu #cdanslair 17.10.2021«, France 5/YouTube, 18.10.2021) (1h33’30’’)
2. https://www.armscontrol.org/factsheets/abmtreaty
3. Jack Detsch & Robbie Gramer, »Biden Halts Russian Arms Control Talks Amid Ukraine Invasion«, Foreign Policy, 25.2.2023 (https://foreignpolicy.com/2022/02/25/biden-russia-arms-control-talks-ukraine-invasion/)
4. Dr Tytti Erästö & Dr Petr Topychkanov, »Russian and US policies on the INF Treaty endanger arms control«, SIPRI, 15.6.2018
5. Dr Tytti Erästö, »Europe’s Overlooked Missile Defence Dilemma«, European Leadership Network, 20.7.2017
6. Statement of Mr. Michael Elleman – Iran’s Ballistic Missile Program – Before the U. S. Senate Committee on Banking, Housing, and Urban Affairs, international Institute for Strategic Studies, 24.5.2016
7. Patrick Cohen in der Sendung »C à vous« vom 8.2.2022 (»Ukraine: la désescalade est-elle possible? – C à vous – 08/02/2022«, France 5/YouTube, 8.2.2022)
8. https://www.armscontrol.org/act/2022-04/news/biden-policy-allows-firstuse-nuclear-weapons

9. Der Unterschied besteht darin, dass ein Präventivschlag durchgeführt wird, um die potenzielle Bedrohung durch die anvisierte Partei zu zerstören, wenn ein Angriff dieser Partei nicht unmittelbar bevorsteht oder bekannt ist, dass er geplant ist. Ein Präventivschlag wird in Erwartung einer unmittelbaren Aggression durch eine andere Partei kurz vor dem Einsatz von Kernwaffen durchgeführt.
10. http://en.kremlin.ru/events/president/transcripts/press_conferences/67735

 

Jacques Baud

Jaques Baud hat einen Master in Ökonometrie und ein abgeschlossenes Nachdiplomstudium in internationaler Sicherheit und internationalen Beziehungen. Er arbeitete als für die Ostblockstaaten und den Warschauer Pakt zuständiger Analyst für den Schweizer Strategischen Nachrichtendienst und leitete die Doktrin für friedenserhaltende Operationen der Vereinten Nationen New York. Dort war er zuständig für die Bekämpfung der Proliferation von Kleinwaffen bei der NATO und beteiligt an den NATO-Missionen in der Ukraine.
 
 
 

Bücher von Jacques Baud


 
 
 
 Ein Blick auf den ersten SWM G01 Crossover des chinesischen Herstellers Shineray Group, der im Avtotor-Automobilwerk in Kaliningrad produziert wird
 
Der chinesische Autobauer JMC und der russische Automobilhersteller Avtotor haben sich darauf geeinigt, schrittweise eine vollstufige Automobilproduktion an der Montagelinie in Kaliningrad aufzunehmen. Chinesische Hersteller füllen die Lücke, die westliche Firmen hinterlassen haben.
 

Das Avtotor-Werk im russischen Gebiet Kaliningrad hat mit der Herstellung chinesischer Nutzfahrzeuge der Marke JMC begonnen, teilte das Unternehmen am Mittwoch mit.

Drei Modelle der chinesischen Marke wurden in dem Werk, das zuvor deutsche BMW und südkoreanische Hyundai- und Kia-Fahrzeuge hergestellt hatte, in Produktion genommen. Das Unternehmen teilte mit:

"Der Kaliningrader Automobilhersteller Avtotor kooperiert mit dem chinesischen Unternehmen JMC bei der Produktion von Hightech-Nutzfahrzeugen. Die Produktion von drei Modellen der Marke – dem kompakten städtischen Nutzfahrzeug Carrying, dem universellen Nutzfahrzeug Conquer und dem Pick-up Vigus – hat begonnen."

Avtotor und JMC haben sich darauf geeinigt, die Produktion schrittweise auf den gesamten Zyklus auszudehnen – einschließlich Schweißarbeiten, Lackierung und Montage – und die Produktionskapazität zu erhöhen, sobald sich das Projekt als kosteneffektiv erweist.

Im Januar begann der russische Automobilhersteller mit der Produktion chinesischer Kaiyi-Autos, und im April kündigte er den Start der BAIC- und SWM-Montage an – beide ebenfalls chinesisch.

Chinesische Marken sind zu wichtigen Akteuren auf dem russischen Automarkt geworden, die die Lücke füllen, die westliche Firmen hinterlassen hatten. Dies spiegelt auch die wachsende Bedeutung Chinas für die Wirtschaft des Landes wider.

Die Popularität chinesischer Automarken in Russland ist im Zuge der Abwanderung europäischer, amerikanischer, japanischer und südkoreanischer Marken gestiegen. Für viele Autohersteller war es aufgrund der logistischen Unterbrechungen infolge der westlichen Sanktionen schwierig, ihre Tätigkeit in dem Land fortzusetzen, insbesondere nachdem die Lieferungen von Autos und Ersatzteilen nach Russland gestoppt worden waren.

Avtotor war 1994 in Kaliningrad gegründet worden und das erste Werk in Russland gewesen, das ausländische Autos montiert hatte. Es hat eine Produktionskapazität von 250.000 Fahrzeugen pro Jahr.

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